Gott hat’s verbockt…
… warum sollten Schriftsteller es besser machen? Sören Heim blickt nach zehn Stationen der Fantastischen Reise auf einen Kardinalfehler von Fantasyautoren, über den schon das Christentum stolperte.
Ein grundlegendes Problem, das während der Lektüre zur fantastischen Reise sich immer wieder zeigte ist, dass der stockkonservative Versuch extrem stimmige, bis ins letzte Detail ausgestaltete und auserklärte fantastische Welten zu erschaffen, oft gerade die Stimmigkeit der Welt unterminiert.
Die Fragen der Fans
Das Problem scheint sich in unserem vernetzten Zeitalter zu verschärfen: Man versucht möglichst viele kritische Fragen der Fans bereits vorwegzunehmen, und schafft so erst Ansatzpunkte für neue Fragen. Autorin Wardog hat das ganze mit Blick auf Buffy mal treffend skizziert:
Dies ist eine der Schwächen der sechsten Staffel von Buffy, die Show scheint zu vergessen, dass Buffy eine Metapher für das Erwachsenwerden ist und erwartet stattdessen, dass man sie als eine reale Person mit wirklichen Problemen betrachtet, wie zB die Miete zusammenzubekommen. Das ist nicht nur uninteressanter als ihr beim Vampire vertrimmen zuzusehen, es lenkt die Aufmerksamkeit auch auf Nebensachen, die man sonst kaum in Frage gestellt hätte. Z.B.: Wenn der Wächterrat einen Fonds für die Hügelwächter unterhält, warum nicht auch einen, damit die Auserwählte die Welt retten kann, ohne sich mit einem Fast-Food Job über Wasser zu halten? [meine Übertragung]
Fantasyautoren könnten hier vielleicht vom Scheitern einer der berühmtesten Persönlichkeiten der Weltgeschichte lernen, die auch schon über diesen Kardinalfehler stolperte. Homer Simpsons Lieblings-Science-Fiction Figur: Gott.
Denn der schwebte hübsch lebendig über allem, ehe er die Scholastik erschuf, welche unter anderem das Ziel hatte das göttliche Wirken vernünftig zu erklären. Nicht nur ein frommes Unterfangen, sondern auch eines, das entgegen landläufiger Überzeugung übrigens manchen bis heute wirkmächtigen und bedenkenswerten Gedanken hervorbrachte. Hegel & all seine Epigonen etwa gründen zumindets auch in scholastischen Auslegungen von Dreifaltigkeit und Transsubstantiation.
Als Gott begann, an sich zu zweifeln
Doch das Resultat war: Ein Vernunftgott, der regelrecht dazu einlädt ihn ernsthaft an weltlichen Maßstäben der Vernunft zu messen. Ein Vampirjäger mit Fast-Food-Job, fast ein Toter also schon. Noch die drängende Frage „wozu braucht Gott ein Raumschiff?“ ist mindestens so sehr Erbe der scholastischen Erklärbären wie der Aufklärung – beide sind tatsächlich kaum ohne einander zu denken.
Für Autoren, die hoffen in der fantastischen Reise positiv besprochen zu werden gilt also weiterhin: In den meisten Fällen ist weniger mehr. Und falls Gott Lust hat hier auch noch mal eine Schöpfung einzureichen, nur zu!
Aber bitte diesmal mit etwas weniger Gewalt und Schweinkram…
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