Malus flotter Dreyer
Bei Anruf Ausladung. Dass eine Regierungschefin einem Sender das Panel einer Diskussion sprengt, wäre in den USA undenkbar. Auch für Deutschland ist es ein falsches Signal, wenn eine Politikerin einen unbequemen Gegner rauswerfen lässt, anstatt sich ihm argumentativ zu stellen
Man stelle sich vor, die ziemlich erfolgreiche Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton würde eingeladen, vor der Kamera mit dem ebenfalls recht aussichtsreichen Kandidaten Donald Trump zu diskutieren. Allerdings erzählt dieser Mister Trump ziemlich viel dummes und manchmal menschenverachtendes Zeug. Oft disst er Frau Clinton persönlich, indem er sie als dauergehörnte Gattin eines notorischen Sexmonsters lächerlich macht.
Jedoch käme die ehemalige First Lady der USA niemals auf die Idee, einem Sender folgendes Ultimatum zu stellen: Er oder ich, kommt Trump, bleibe ich zu Hause! In den USA, wo es eine wirkliche Debattenkultur gibt und Meinungsfreiheit schwer wiegt, käme so eine Quasi-Erpressung einem politischen Todesurteil gleich. Noch am nächsten Tag könnte sich Frau Clinton einer Redneragentur oder Charity-Organisation für künftige Verwendungen anbieten. Schonzeiten für Politfüchse kennt die angelsächsische Kultur nicht. Gerade wer ein hohes öffentliches Amt anstrebt, muss dahin gehen, wo es manchmal besonders weh tut.
Dreyer wie Fürstbischöfin
Auch wäre jedem US-amerikanischen Politjournalisten klar, wie er auf ein derartiges Ultimatum zu reagieren hätte: Danke, dann bleiben Sie daheim, Frau Clinton! Eine andere Antwort ließe das Berufsethos nicht zu. Und das, obwohl die großen US-Sendeanstalten in privatem Besitz sind und ihren Mitarbeitern nicht die Sicherheit eines öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisses bieten.
Nicht nur geographisch scheint Rheinland-Pfalz ganz weit östlich von Washington zu liegen. Medienpolitisch könnten es US-Amerikaner momentan irgendwo zwischen Donau und Bosporus vermuten. Denn in Mainz, der gemütlichen Landeshauptstadt, kann die herrschende Kurfürstin Malu Dreyer offenbar fast wie zu Zeiten der Fürstbischöfe entscheiden, wer am Hof, pardon beim Haussender SWR, vorgelassen wird. Eine Debatte mit der umstrittenen AfD? Nein, mit den Schmuddelkindern spiel ich nicht! Malu locuta, causa finita.
Politische Einflussnahme nichts Neues
Nun ist die Herrscherin im Land der Reben und Rüben nicht die Einzige, die bundesweit Einfluss auf öffentlich-rechtliche Medien auszuüben versucht hat. Ihre Koalitionspartner von den Grünen hielten es auch nicht für schicklich, sich mit der Protestpartei auseinander setzen müssen. Ebenso stellten SPD und Grüne in Baden-Württemberg, wo zeitgleich Landtagswahlen stattfinden, dem SWR ein Ultimatum, die AfD nicht zur TV-Debatte einzuladen. Im konservativen Bayern wiederum ließ Landesvater Franz-Josef Strauß einst sogar das Bild weggeschalten, wenn im ARD-Programm allzu Gotteslästerliches lief. Und grundsätzlich ist es über die Parteigrenzen hinweg geübter Sport, Rundfunkräte möglichst nach der eigenen Farbe zu besetzen. Um Intendanten- oder Chefredakteursposten wurden zwischen den Lagern schon regelrechte Schlachten- und Stellungskriege geführt. Die Grenze zur Lächerlichkeit ist erreicht, wenn Grünen-Politiker Anton Hofreiter ankündigt, eine Karnevalsveranstaltung im TV zu boykottieren, wenn der bayerische Finanzminister einen närrischen Orden bekommt.
Dennoch hat die Causa SWR aktuell ein besonderes Geschmäckle. Als vor einigen Jahren ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender – mutmaßlich auf politischen Druck eines Unions-Ministerpräsidenten – abgelöst wurde, mahnten gerade SPD und Grüne mehr Staatsferne beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk an. Es war die Mainzer Landesregierung, die Klage beim Bundesverfassungsgericht gegen den ZDF-Staatsvertrag einreichte.
Pippi-Langstrumpf-Prinzip in Mainz
Dass SPD und Grüne in Rheinland-Pfalz nun meinen, der SWR hätte eigentlich nur die bereits im Landtag vertretenen Parteien zur Debatte einladen müssen, dann wäre das Problem AfD erledigt, macht das die Sache nicht besser. Im Gegenteil! Immerhin durften die Grünen im Vorfeld der Landtagswahl 2011 mitdiskutieren, obwohl sie nicht dem Parlament angehörten. Ohne dass es einen Protest aus der Staatskanzlei gab, begründete der SWR die Einladung mit den guten Umfragewerten der Ökopartei. Nur: Gute Umfragewerte hat derzeit auch die AfD. Ich mache mir die Welt, so wie sie mir gefällt! Wer die Bücher von Astrid Lindgren kennt, nennt so etwas Pippi-Langstrumpf-Prinzip.
Auch politisch ist es weder klug noch weise, unschöne politische Mitbewerber mit einem Bann zu belegen. Aktuell dürften sich diejenigen bestätigt fühlen, die ohnehin Verschwörungstheorien über angeblich politisch gelenkte Medien anhängen und ernsthaft dabei sind, auf Distanz zu Demokratie und Rechtstaat zu gehen. Der AfD, der Dreyer & Co. eigentlich schaden wollen, treiben sie nur neue Sympathisanten zu.
Diskurs offensiv führen
Umgekehrt würde wohl ein Schuh draus. Je öfter man AfD-Vertretern wie dem thüringischen Landesvoritzenden Björn Höcke die Gelegenheit gibt, sich öffentlich zu demaskieren, desto mehr potenzielle Wähler dürften anfangen, an dieser Partei zu zweifeln. Ohnehin scheint die AfD – zumindest nach dem Abgang ihrer Gründer – so etwas wie der Scheinriese Tur Tur der deutschen Politik zu sein. Je näher man ihren aktuellen Vertretern kommt, desto eher erkennt man die begrenzten Möglichkeiten.
Super-Nanny Malu gibt vor, dies anders zu sehen und verteidigt ihre Intervention beim SWR trotz harscher öffentlicher Kritik. Zu radikal, zu populistisch sei die AfD, als das man ihr ein Forum bieten sollte. Mit Verlaub, Frau Ministerpräsidentin, gerade wenn Sie einen politischen Mitbewerber so einordnen, müssen Sie offensiv die Debatte führen. Sagt man in Köln in solchen Situationen nicht „Arsch huh, Zäng ussenander“? Offener Diskurs wäre für die Wähler alle Male erhellender, als die Realität auszublenden und einen „flotten Dreyer“ nur mit den Grünen und der CDU durchziehen zu wollen. Zudem zeugt es von einem tiefen Misstrauen gegenüber dem Souverän, wenn eine Landesmutter auswählt, welche Kandidaten man dem Volk vorführen kann. Aus angelsächsischer Perspektive hat dies schon etwas vom Obrigkeitsstaat des 19. Jahrhunderts.
SWR klagt über „Schönwetterdemokraten“
Der Chefredakteur des nun ebenfalls viel gescholten SWR, Fritz Frey, bringt die Causa auf den Punkt: „Mich ärgert das Demokratieverständnis der Regierungsparteien. Man möchte denen fast zurufen: Was seid ihr eigentlich für Schönwetterdemokraten, wenn ihr euch jetzt wegduckt, anstatt euch auf die Bühne zu begeben!“
Lieber Herr Frey, nicht nur mir sprechen Sie damit aus der Seele. Laden Sie deshalb künftig ein, wen Sie wollen. Und wenn die Ministerpräsidentin, wie immer sie dann heißen mag, anruft, um zu intervenieren, bleiben Sie hart. Die Regierungschefin kann ja das – hoffentlich – schöne Wetter genießen.
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