Zwischen Ernst und Satire
Samit Basus „Der Letzte Held“ versucht zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Das gelingt nicht wirklich, ist aber doch unterhaltsam.
Der letzte Held von Samit Basu gehen in der englischen eBook-Fassung knapp zehn Seiten Lobhudelei voraus. Von einer „cross-cultural extravaganza“ und „the most fun book … this year“ ist da zu lesen. „An intelligent, inventive delight. It marks the arrival of a fresh and very original voice“ schwärmt der Indian Express. Das kann auf ein großes Werk hindeuten (Thomas Pynchons Romane sonnen sich etwa gern im Pressespiegel), oder auf das genaue Gegenteil – einen Text der den Hype braucht, was der renommierte Verlag Penguin Books, der einen solchen Hype mit Stil zu generieren weiß, womöglich entsprechend veranschlagt hat. Oder irgendetwas dazwischen. Und das scheint mir Basus Erstling in allen Belangen letztlich am besten zu beschreiben: Etwas Dazwischen.
Zum Auftakt: Gott!?
Der letzte Held beginnt zweifach mitreißend: In einem amüsant geschriebenen Prolog wird eine gotthafte Figur ob ihrer Schöpfung auf die Probe gestellt:
What’s that? speak up, please. Did I create this world? I think so, yes. I’m not quite sure, though. I remember saying a word, though I’ve completely forgotten what the word was …
… lights
So wird der Ton für den Rest des Romanes gesetzt, wobei das hingeworfene „lights“ schon zum Folgekapitel gehört. Jenes, eine Kampfszene, kommt mindestens ebenso klischeehaft daher wie Sapkowskis Einstieg in den Hexer-Zyklus, wird aber kurz darauf als Probe zu einem Schauspiel entzaubert. Der letzte Held ist also ein lustiger, zumindest lustig sein sollender Roman, ist Fantasy-Satire, und man hat den Autor darob auch mehrfach mit Pratchett verglichen (dazu später ein paar Worte). Aber er ist auch: sehr ernst gemeint. Bald erkundet der Leser eine naturalistisch geschilderte und sehr anschaulich wirkende Bar in der gigantischen Stadt Kol, bevölkert von allerlei zechenden magischen Wesen, und lernt die Hauptcharaktere Kirin, einen Ravian (so eine Art Elf), Spikes (so eine Art Golem) und den dreiköpfigen Oger Triog kennen, der manchmal Schwierigkeiten hat seine Köpfe zu koordinieren. In Kol mit seinem differenzierten sozialen Gefüge, mit seinem Mix aus glaubhaften Slums und Märkten, einem Verkehrsnetz für fliegende Teppiche, Schulen, Universitäten und was nicht noch allem läuft Basu regelmäßig zu literarischer Höchstform auf. Die mit breitem Pinsel gezeichneten bunten Stadtansichten reichen hier und da durchaus beinah an Rushdie heran, diesen Meister des Magischen Realismus, mit dem Basu schon das ein oder andere Mal verglichen wurde. Allerdings: Bald schon wieder tritt ein übermächtiges Kampfkaninchen auf, ein Affe entführt Kirins Mitstreiterin Maya in gewollter Homage an King Kong, und Der letzte Held fühlt sich an wie: Irgendetwas Dazwischen.
„Irgendetwas Dazwischen…“
Zwischen großem Wurf in moderner Fantastik und Pratchettesker Satire, zwischen Herr der Ringe und Discworld. Und dabei auch immer öfter ganz abseits der offenkundig hochgesteckten Ziele.
Es sollte mittlerweile durchgeklungen sein: Stellenweise ist Der letzte Held in all seinen Erscheinungsformen genial. Wenn etwa Basu den Anfang des Hobbit Wort für Wort nacherzählt, indem er Hobbit durch Rabbit ersetzt, also die Geschichte schreibt, die Tolkien sich ursprünglich einmal ausgedacht hatte, wenn er über Hasen in Anklang an Carrol, in Manier von Borges berühmten Aufzählungen Biologie und fiktive Fakten über Pünktlichkeit vermischt, und an zahlreichen ähnlichen Stellen ist Der letzte Held lustig. Nicht schenkelklopfer-lustig, sondern hintergründig. Man liest und grinst erfreut vor sich hin. King Kong und Kampfhasen, Baarkämpfe die nach Leveln der Gewalt bewertet werden, und die selten dämliche Holzhammerdekonstruktion von Fantasy-Topoi, mittlerweile ja nun wirklich noch in der einfallslosesten Fantastik Gang und Gäbe, unterminieren solche Momente jedoch. Da beißen sich subtiler Humor und plumpe Satire dann derart, dass eben ein „Dazwischen“ herauskommt, das in keinem Register befriedigen kann. Auch mit den offenkundigen Breitseiten auf die Art wie „Heldenreisen“ und das Sammeln von „Erfahrung“ in Videospielen funktionieren verhebt sich Basu. Das Thema ist in einem Roman, dessen übergreifende Trilogie Game Wold heißt, natürlich per se erst einmal ganz recht am Platz. Im Tempo der zahlreichen Szenenwechsel wie auch in der Anlage der Welt allgemein fühlt sich Der letzte Held tatsächlich oft wie ein Computerspiel an, was ich durchaus positiv verstanden wissen möchte. Der letzte Held ist bunt, ist zugänglich, zieht den Leser in seine Welt hinein, in der es dann überraschend viel zu entdecken gibt. Abenteuersequenz reiht sich an Abenteuersequenz, es gibt wenig Leerlauf. Aber die plumpe Verarsche läuft diesem „Design“ zuwider, veredelt das Erlebnis nicht sondern entwertet es merklich. Sowie auch eine Kreuzung aus Elder Scrolls und Monkey Island wohl nicht zwingend ein gutes Spiel ergeben würde.
Zur Sache bitte!
Weil zu Anfang wichtigeres zu sagen war – der Schnöde Inhalt zum Schluss: Worum geht es? Ganz einfach:
In der aus indischer, chinesischer und europäischer Mythologie zusammengeklaubten Welt von Game World ist die Wiederauferstehung des Weltenunterjochers Danh-Gem prophezeit. Doch auch ein Held soll sich rechtzeitig finden, der das Monster bekämpft. Und auch der sich dessen noch unbewusste Sprössling eines uralten magischen Volkes arbeitet auf den Konflikt hin.
Alles in allem also eine recht typische quest-getriebene Geschichte, wie es der Titel erwarten lässt eine Heldenreise. Dass das ein überstrapaziertes Handlungsschema ist weiß Basu wohl, weshalb sich Der letzte Held wie gesagt in regelmäßigen Abständen über die Darstellung von Heldenreisen in Romanen und Computerspielen lustig macht. Doch das hilft nichts: der Roman verliert, je stärker er von der multiperspektivischen Erzählweise der Eingangskapitel zum von wenigen Perspektiven getragenen Heldenplot voranschreitet immer mehr von seinem anfänglichen Reiz. Und die vielfach gestellte Frage, wer und was das nun eigentlich ist, ein Held, ermüdet irgendwann. Zum Schluss allerdings nimmt das Buch noch einmal deutlich an Fahrt auf und weiß mit einigen Wendungen durchaus zu überraschen – einen wirklich amüsanten Seitenhieb auf Tom Riddles Tagebuch im zweiten Harry Potter inklusive.
Vergleiche mit Pratchett
Das wäre es zu Der letzte Held, gäbe es nicht die inflationär bemühten Vergleiche mit Pratchett, derer sich Literaturkritik und Fans seit Erscheinen des Werkes bedienen. Ja, beide machen sich innerhalb und über die klassische Fantasy lustig. Das war’s aber auch schon. Während bei Pratchett die humorvolle Aufbereitung ganz im Mittelpunkt steht und ansonsten auf eine eher traditionelle Erzählweise gesetzt wird, die bloß keinen Leser vor den Kopf stößt – man vergleiche nur einmal die Art und Weise wie Pratchett in Die Farbe der Magie die kleine Kneipe, in der Rincewind Station macht, in wenigen Worten abhandelnd beschreibt, mit Basus Art das Leben in seiner Spelunke vorzuführen – wird in der Game World Trilogie zumindest immer wieder der Versuch gemacht, mehr zu produzieren als „was Mel Brooks mit Der wilde wilde Westen für den Western gelungen ist“ (so Pratchett über Discworld) auf Fantasy zu übertragen. Das hat natürlich den Nebeneffekt, dass Basu leichter enttäuschen kann als Pratchett, von dem man meist genau das bekommt, was man von ihm erwartet.
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