Die Nacht und die Herrlichkeit – Eine Kolumne für George Benson

Ulf Kubanke ehrt George Benson, der gerade seinen 75 Geburtstag feierte, mit einer groovy Hörmal-Kolumne. Gebt Euch die Nacht!


‚Cause there’s music in the air and lots of loving everywhere.
So gimme the night, gimme the night!
(George Benson)

Ein Wanderer zwischen den Welten ist George Benson seit jeher. Mehr als ein halbes Jahrhundert bewegt der Ausnahmegitarrist sich zwischen allen Stühlen. Mit McCoy Tyner und anderen Puristen widmet sich der hörbar von Wes Montgomery beeinflusste Benson gelegentlich dem lupenreinen Jazz. Sein „Paraphernalia“ bringt ihm 1967 sogar eine Miles Davis-Kollabo ein. Doch so richtig spannend wird es in der Karriere des Pittsburghers erst als er alle Genregrenzen niederreißt.

Denn sich stilistisch fest zu legen würde ihm nur Knebelung und Fesselung bedeuten. Stattdessen wohnt er in allen Nischen der Blackmusic. Er widmete such Soul, elegantem Pop, Funk, Rhythm & Blues, Disco und zwischendurch immer wieder smoothen Easy Listening-Instrumentals, die aufgrund seines warm prickelnden, ausnahmslos virtuosen Gitarrespiels niemals ins Banale abgleiten. Mit anderen Worten: George Benson umarmte die ganze Welt mit seinen positiv gestimmten groovy Melodien. Diese dankte es ihm und machte etliche Songs zu Welthits.

Für aus dem Jazz stammende Musiker ist es ganz normal, neben eigenen Stücken ebenso lieb gewonnene Nummern anderer Künstler zu interpretieren. Zu Beginn der 70er jedoch war es gleichwohl alles andere als Usus, dass Jazzer sich Liedern der weniger elitären Rock- und Pop-Ecke widmeten. Doch über Dünkel und Musikpolizisten konnte GB seit jeher nur lachen. Für ihn gibt es nur gute oder miese Tracks. Besonders herausragend sind diesbezüglich Bensons LPs „White Rabbit“ (1972) und „The Other Side Of Abbey Road“ (1970). Letzteres ist tatsächlich eine komplette Umdeutung des gesamten Beatles-Albums. Es ist extrem schwer, die Fab Four zu covern. Die allermeisten Kandidaten langweilen entweder mit sklavisch nachgespielter Banalität oder durch verkrampftes Gegen-Den-Strich-Bürsten. Doch GB ist aus ganz und gar anderen Ebenholz. Er ringt den Liedern neue Facetten ab ohne den melodischen Kern zu zerbrechen. Besonders gelungen ist seine Version der George Harrison-Nummer „Here Comes The Sun“.

https://www.youtube.com/watch?v=YhbuIL34eBQ

Nicht weniger beeindruckend ist die Variante des Grace Slick/Jefferson Airplane- Klassikers „White Rabbit“. Dabei spart er den psychedelischen Grundton aus und zaubert stattdessen eine westerntaugliche Groovebombe mit Mariachi-Trompete und Showdown-Feeling aus dem Hut.

Ab Mitte der 70er verknüpft er die Gitarre mit noch mehr Funk (Anspieltipp: „Good King Bad“, 1976) und Soul („Breezin’“, 1976). Letzteres Album samt des im Original von Bobby Womack stammenden Titelsongs mausert sich zum Charterfolg. Besonders wenn man den Schmachtfetzen „The Greatest Love Of All“ hört, denken viele: „Ach, da hat der George also Whitney Houston gecovert.“ Mitnichten! Bensons 1977er Urversion ist das Original. Es wurde exklusiv für die Cassius Clay/Muhammad Ali-Filmbio „The Greatest“ komponiert und eingespielt.

https://www.youtube.com/watch?v=wHIWlKVUF4s

Doch der absolute Killer sollte noch folgen. 1980 erreicht Benson im Team mit Quincy Jones den Zenith seiner Laufbahn. Das Album „Give Me The Night“ wurde zum weltweiten Top-Ten-Erfolg. Den gleichnamigen Überhit kennt nahezu jeder, wenngleich viele nicht sofort den Namen George Benson dazu parat haben. Jones, ebenso kein Freund von Genregenzen, teilt mit Benson die Freude an der Einbettung komplexer Elemente in treibende Grooves und melodische Eingängigkeit. Als Producer und Arrangeur befand er sich zu jener Zeit ohnehin gerade in kreativer Hochform; nämlich exakt zwischen Michael Jacksons „Off The Wall“ (1979) und „Thriller“ (1982). Das hört man „Give Me The Night“ in jeder Sekunde deutlich an. Einerseits ist der End-70er Disco-Touch noch recht präsent. Andererseits stehen Song wie Album mit einem Bein bereits weit in den keimenden 80er-Sounds. Garniert mit den beiden Gitarren Bensons und Lee Ritenours, die einander wundervoll uneitel die Bälle zuspielen, geriet die Platte nicht nur zum Klassiker, sondern brachte den Beteiligten auch drei verdiente Grammys ein.

Obwohl die Konstellation „Dream Team“ offenkundig ist, blieb diese LP leider das einzige Zusammenspiel von Benson/Jones. Hier zum Abschluss der Kolumne mein Lieblingstrack der Platte, das unschlagbar fröhliche Antidepressivum „Dinorah, Dinorah“.

 

 

Ulf Kubanke

Ehemaliger Anwalt; nun Publizist, Gesprächspartner und Biograph; u.a. für Deutschlands größtes Online-Musikmagazin laut.de.

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