Rock’n’Roll Suicide – Notiz aus der Zwischenwelt

Hamburg: Wind, Nieselregen, die Frisur sitzt und auf der gegenüberliegenden Straßenseite ertönen alte Bowie-Songs. Die neue Hörmal-Kolumne von Ulf Kubanke.

Hamburg Sternschanze: Ich verlasse die Unterführung. Kalter Wind, wildes Geklampfe, heulender Gesang. Ah, sie ist bereits an Deck. Sie sitzt samt Gitarre zumeist direkt gegenüber der Bullerei.

„Hi Wolf. Wanna hear my new Song?“
„Hi Jenny. sure“

Sie legt los. Sehr enthusiastisch. 2 Minuten. Gefühlt zehn. Stoppt. Schaut auf mich und ihren Koffer, drei Mal 2 Euro darin.

„Tja….“
„Doncha like it?“
„Well, forcibly loud indeed. Gonna give ya two bucks, If you never play it again, Jen.“
„Fukk you. I know it’s trash. Hey Wolf, I’m from California but a mothafukkin‘ 72. My best Songs I did ‚tween 68 and 72 on Malibu Beach.“
„Probably you should have played that stuff.“

Sie grinst breit Vergangenheit: Schillernd, welterfahren, semiprofessionell. Gegenwart: Nun ja.

Er kam hierher.
Sie blieb.
Tauft sich Jennifer
Ein Drittel Blumenkind-Urviech, eines Rockveteran, der Rest ein Filou.
So kaputt wie Marianne Faithfull und Chet Baker zusammen.
Spielt hier oder St Pauli.

Hebt nun an zu einem uralten Lied ihrer Jugend.
Große Melodie, großes Talent – zu Staub zerronnen.
Gänsehaut.

Mir kommt eine Träne. Indiskutabel. Schon des Make-ups wegen. Ich fische hastig in der Jeans nach Münzen. Präzise, formvollendet werfe ich einfach alle in ihren Koffer.

Sie stoppt abrupt. Fischt drei Münzen zurück.

„Man, you crazy or what?“
„?“
„No Pennies, fukk. Never. People see and will give just fukkin‘ Pennies.“
„So sorry. I thought they were all cool. blind as a bat, you know.“
„I like ye shades, but the glasses are too small for hiding ye tear. Yeah, those days I had been fukkin‘ amazing.“
„Not a complete disaster.“
„Will play it around Reeperbahn. Headin‘ of, Wolf.“
„Echt jetzt? Um diese Uhrzeit? Bist du bescheuert? So früh ist da doch niemand. Oder lecker im Handschuh aufs Maul kriegen?“
„Oh Fukk, is noch damn early. War zu viel von dem ganzen Stoff gestern.“
„Well, as long as you at least can tell coins from Pennies I wouldn’t worry that much.“
„My Super Power. Like some „Ziggy Stardust“ before ye leave?“

Sie sinkt in den Song, versinkt in sich – Trance.

Ich schlendere langsam davon. Ihr Echo begleitet mich, verblasst, erstirbt. Doch ihre Klangfarbe begleitet meinen Tag….und David Bowie.