Die GEZ austricksen? Norbert Häring im Interview
Wer versucht, den Rundfunkbeitrag bar zu bezahlen, kommt vielleicht ganz darum herum? So schien es in den ersten Wochen von Norbert Härings Barzahlungsexperiment. Der Ökonom sprach mit Sören Heim über die Hintergründe und den aktuellen Stand.
Norbert Häring ist Redakteur des Handelsblatt und Co-Director der World Economics Association. Sein GEZ-Barzahlungs-Experiment machte in diesem Jahr Furore. Häring betreibt das Blog norberthaering.de
Sören Heim: Guten Tag Herr Häring, Sie haben seit Frühjahr mehrfach von sich reden gemacht, indem sie empfahlen den Rundfunkbeitrag für öffentlich-rechtliche Medien bar zu bezahlen. Das bringe den Beitragsservice (vormals GEZ) ganz schön in Schwierigkeiten. Wieso? Welcher Gedanke steht dahinter?
Bargeld: unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel
Norbert Häring: Geld ist ein wichtiges Rechtsgut. In einem Rechtsstaat sollte man meinen, dass gesetzlich geregelt ist, wer es in Umlauf bringen darf. Das ist aber nur beim Bargeld der Fall. Banknoten sind laut EU-Vertrag und laut §14 Bundesbankgesetz sogar ausdrücklich unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel. Dagegen ist das Buchgeld der Banken kein gesetzliches Zahlungsmittel und nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. Deshalb werde ich sehr unleidig, wenn mir eine staatliche Stelle vorschreiben will, dass ich dieses Bankengeld benutzen soll. Damit zwingt sie mich, Gläubiger einer Bank zu werden, denn unsere Guthaben auf dem Bankkonto sind nichts anderes als Kredite an die Bank. Ein solcher Zwang ist ungesetzlich. Ich beharre auf meinem Recht, anständiges Geld zu benutzen und ich rege an, dass andere das auch tun.
SH: Der Beitragservice antwortete Ihnen und argumentierte: „Die Vorschrift schließt nicht aus, dass in klar abgegrenzten Bereichen aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und zur Kosteneinsparung die Möglichkeit zur Barzahlung mittels Banknoten begrenzt wird“ Sie halten aber an ihrer Lesart des Gesetzes fest?
NH: Natürlich. Es gibt keine Rechtsgrundlage für eine solche Beschränkung. Das ist Wunschdenken.
SH: Sie sind auch als Redakteur für das Handelsblatt tätig. Steht Ihr Engagement in Sachen Rundfunkgebühren damit in Zusammenhang?
NH: Nur insofern als ich mich als Journalist mit der Geldthematik und den Bestrebungen zur Abschaffung des Bargelds beschäftigt habe. Das hat mein Bewusstsein für solche Fragen geschärft. Aber meine Aktion und meine Klage treibe ich als Privatmann voran, als zorniger Bürger sozusagen.
Chancen vor Gericht?
SH: Wie bewerten Sie denn die Chancen von Barzahlern vor Gericht? Setzt man sich großen Risiken aus, wenn man sich Ihnen „anschließt“?
NH: Meiner Einschätzung nach – und ich betone, ich bin juristischer Laie – kann nicht viel passieren, wenn man spätestens dann zahlt, wenn die Vollstreckung angedroht wird. Allerdings muss man sich bewusst sein, dass sich bei Nichtzahlern beträchtliche Beträge ansammeln können, die man nach Meinung der Rundfunkanstalten dann schuldet. Das sollte man sich leisten können. Wenn man knapp bei Kasse ist, sollte man zurückbehaltenes Geld also keinesfalls ausgeben, bis die Sache geklärt ist.
SH: Was ist der aktuelle Stand des „Experiments“?
NH: Der Beitragsservice hat die Sache an den Hessischen Rundfunk abgegeben, weil der Beitragsservice selbst nicht rechtsfähig ist. Der HR hat mir amtlich beschieden, dass ich nicht bar zahlen darf. Dagegen klage ich vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt. Die Klage wurde angenommen, ein Verhandlungstermin steht noch nicht fest.
SH: Wie beurteilen Sie Ihre Erfolgsaussichten?
NH: Sehr gut. Aus meiner Sicht und aus der meines Anwalts, und aus der von Geldrechtsexperten, die ich dazu interviewt habe, ist die Rechtslage eindeutig auf meiner Seite.
Müssen Rundfunkanstalten Satzungen ändern?
SH: Was wären die Konsequenzen, wenn Sie gewinnen würden?
NH: Im schlimmsten Fall für die Rundfunkanstalten müssten alle Satzungen geändert werden. Denn sie dürfen laut diesen Satzungen kein Bargeld annehmen. Das könnte dauern und bei vielen Bargeldanbietern zur teilweisen Verjährung führen.
Wenn man weiter denkt, dann würde ein positives Gerichtsurteil bedeuten, dass klar gestellt wird, dass auch Finanzämter und ähnliche Stellen Bargeld nicht mehr ablehnen dürfen. Und es wäre ein Anfang gemacht, um irgendwann feststellen zu lassen, dass Verbote, größere Rechnungen bar zu zahlen, die es in anderen Ländern schon gibt, gegen europäisches Recht verstoßen.
SH: Viele GEZ-Kritiker sind ja prinzipiell gegen gebührenfinanziertes Fernsehen. Sie auch?
NH: Nicht ganz so grundsätzlich. Ich finde die Ausgestaltung des Beitrags extrem unsozial und den Betrag viel zu hoch. Ich bin nicht gegen staatlich finanziertes Fernsehen, aber es sollte über Steuern finanziert werden, sodass die Belastung nach Tragfähigkeit verteilt wird. Ich bin auch sehr unzufrieden mit der oft sehr staatsnahen Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und ich sehe auch nicht ein, warum Beitragszahler Millionensummen aufbringen sollen, damit sich die öffentlich-rechtlichen mit den privaten überbieten um Fußballspiele übertragen zu dürfen. Aber das sind nicht meine Hauptanliegen.
Nicht grundsätzlich gegen Gebühren
SH: Kann man den Kampf gegen den Beitragservice gewinnen? Oder möchten Sie in erster Linie Aufmerksamkeit wecken?
NH: Ich bin äußerst zuversichtlich, den Kampf zu gewinnen. Ich will zwar auch öffentliches Bewusstsein und Aufmerksamkeit für die Geldproblematik schaffen, damit die Parlamentarier endlich ihre Arbeit tun, und sich damit beschäftigen. Aber ohne ein Gerichtsurteil, das sie dazu zwingt, werden sie sich kaum dazu nötigen lassen. Der Widerstand der Bankbranche ist zu groß.
SH: Sie warnen auch vor Versuchen, Bargeld als Zahlungsmittel generell zurückzudrängen, womöglich sogar abzuschaffen.
Wieso eigentlich? Ist doch komfortabel, wenn ich kein Geld mehr mit mir herumschleppen muss?
NH: Ja, es ist komfortabler. Aber Überweisungen wären genauso komfortabel, wenn man sie mit echtem, gesetzlich geregeltem Geld tätigen könnte. Darum geht es mir vor allem. Wenn wir nämlich immer wieder Milliarden zur Rettung der Banken hier oder in Griechenland aufwenden müssen, weil Die Banken zu viel von dem nicht-geregelten Buchgeld in Umlauf gebracht haben, dann wird die Bequemlichkeit des Gesetzgebers auf Dauer ziemlich teuer.
Bargeld und Kriminalität
SH: Befürworter sagen, die Abschaffung von Bargeld entziehe Kriminalität die Grundlage?
NH: Da ist was dran, aber das Argument wird weit übertrieben. Es macht kriminelle Aktivitäten und Steuerhinterziehung schwerer. Das betrifft aber vor allem kleine Vergehen. Die großen Beträge werden mit Scheinfirmen oder mit legalen und halblegalen Tricks hinterzogen oder gewaschen.
SH: Vom Besonderen zum Schluss einmal zum Allgemeinen: Vergangene Woche sprach ich hier mit Heiner Flassbeck. Der zeichnete ein finsteres Bild der europäischen Wirtschaftslage: Seit Jahren gehe es nicht vorwärts, Austeritätspolitik drohe radikale Parteien an die Macht zu bringen. Können sie sich der Diagnose anschließen?
NH: Ja, insbesondere dem zweiten Teil. Die Menschen werden seit Jahren immer mehr in Konkurrenz zueinander gesetzt. Das ist jetzt auch in der Flüchtlingsthematik wieder zu beobachten. Die Schwachen, die immer mehr mit den Schwächsten konkurrieren müssen, machen dann diese Schwächsten für ihre Verluste oder ihre Abstiegssorgen verantwortlich. Sie werden fremdenfeindlich und wählen entsprechende Parteien. Es hilft nicht, diese Menschen zu verunglimpfen, auch wenn es unanständig ist, was manche von ihnen sagen und tun. Wenn man Fremdenfeindlichkeit und rechte Parteien aufhalten will, muss man den Menschen mehr soziale Sicherheit bieten und den Konkurrenzdruck mindern.
SH: Vielen Dank für das Gespräch.
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