Quo vadis, Simbabwe?

In Simbabwe hat das Militär geputscht und bereitet nun offenbar den Abschied von Präsident Robert Mugabe vor. Armeeführung und Volk eint die Angst vor einer Machtübernahme von Mugabes verschwenderischer und unberechenbarer Ehefrau Grace. Ob es für das heruntergewirtschaftete Land nun wieder bergauf geht, steht in den Sternen. Zu sehr waren die neuen Machthaber teil von Mugabes Unterdrückungssystem.


Wenn es je einen Militärputsch gab, den man nicht von vornherein verdammen sollte, dann ist es das, was sich gerade in Simbabwe abspielt. Mit dem südafrikanischen Hungerstaat verhält es sich in etwa so, wie mit Refrain eines Liedes der nordirischen Popgruppe D:Ream: „Things can only get better“  – es kann eigentlich nur besser werden. So herunter gewirtschaftet ist das einstige Musterland Afrikas mittlerweile. Nur Hugo Chavez und seinen Gefolgsleuten ist es in Venezuela gelungen, einen von Natur aus reichen Staat noch schneller und noch konsequenter zugrunde zu richten. Zudem hat Simbabwe spätestens seit den 1990er Jahren mehrere Wellen von Gewalt gegen Farmer, Gewerkschafter und Oppositionelle erlebt, für die Menschenrechtler und Medien Staatschef Robert Mugabe und seine Entourage direkt veranwortlich machen.

Aufstieg und Niedergang des Landes sind eng mit dem Namen des Machthabers verbunden, der nun offenbar vor dem nahen Aus steht. Simbabwe galt nach seiner Unabhängigkeit im Jahr 1980 als Vorzeigestaat, der den Sprung aus der Kolonialzeit in die Selbstständigkeit geschafft hatte. Häufig wurde das Land als „Brotkorb“ Afrika bezeichnet.  Mugabe wiederum wurde in Ost (weil er sich Sozialist nannte) wie in West (weil er zunächst die Aussöhnung der Ethnien und maßvolle Reformen versprach) gefeiert. Die englische Königin schlug ihn zum Ritter, der frühere deutsche Bundespräsident Richard von Weizsäcker lobte ihn als „besonnenen Politiker, der um Ausgleich bemüht“ sei. Sogar im Vatikan war der bekennende Katholik und Abtreibungsgegner wohl gelitten. Aber je länger Mugabe im Amt war, desto mehr entfernte er sich von seinen Anfängen als Versöhner. Demokratische Prozesse wurden gestoppt, die Meinungsfreiheit beschnitten. Als die wirtschaftliche Lage sich verschlechterte ging der Despot, der selbst Angehöriger der größten Ethnie der Shona ist, verstärkt gegen die Ndebele-Minderheit  vor. Allein in den Jahren von 1982 und 1987 sollen bei Gewaltexzessen tausende Ndebele umgekommen sein.

Vom Versöhner zum Despoten

Die nächsten, die „Comrade Bob“ zu Sündenböcken machte, waren die weißen Farmer. Statt weiter auf Landreformen zu setzen, wurden deren Landwirtschaftsbetriebe gewaltsam übernommen und ihre einstigen Besitzer nicht selten getötet oder mit Gewalt zur Ausreise getrieben. Später verkündete Mugabe, dass Weiße keine Unternehmen besitzen dürften. Oft wurden die enteigneten Farmen und Betriebe von Gefolgsleuten des Präsidenten übernommen, die weder von Landwirtschaft noch von Betriebswirtschaft den kleinsten Funken Ahnung hatten. Während die Kamarilla um den Machthaber immer reicher wurde, verarmte das Land. Wer konnte, verließ Simbabwe, um in den reicheren Nachbarländern Botswana und Südafrika sein Glück zu versuchen. Mugabe indes konnte seine Herrschaft dank eines skrupellosen Unterdrückungsapparates und der Loyalität seiner ehemaligen Gefährten aus dem Befreiungskampf, die inzwischen Partei oder Armee vorstanden, behaupten.

Inzwischen ist der einstige Freiheitskämpfer, der sein Land seit mehr als 37 Jahren regiert, 93 Jahre alt, schwer krank und der Agonie verfallen. Je mehr die Lebenskraft Mugabes nach ließ, desto mehr nahm der Einfluss seiner zweiten Frau zu. Die heißt im Volksmund „Gucci-Grace“ oder „Zimbabwes First Shopper“. Nomen est omen, interessiert sich Grace Mugabe, seriösen Medienberichten zufolge, deutlich mehr fürs Shoppen und Luxus als für ernsthafte Regierungsarbeit. Dennoch stieg die ehemalige Sekretärin des Staatschefs in der Hierarchie der Regierungspartei Zanu-PF immer weiter auf.

Alle fürchten „Gucci-Grace“

Als Robert Mugabe Anfang November seinen langjährigen Gefolgsmann, Vizepräsident Emmerson Mnangagwa entließ, war den meisten Beobachtern klar: auf Mugabe sollte irgendwann Mugabe folgen, auf den zunehmend despotisch regierenden Robert die offensichtlich unfähige und als kleptokratisch verschriene Grace. Anders als ihr Gatte verfügt sie aber über keinen Nimbus als Held der Unabhängigkeit, Beißhemmungen gibt es keine. Zudem dürfte kaum jemand aus den korrupten Machtzirkeln von Regierungspartei und Militärführung der politischen Novizin zugetraut haben, dem Regime langfristig das Überleben und damit der Nomenklatura die Pfründe zu sichern. Bevor der Machtwechsel quasi im Ehebett vollzogen worden wäre, erschien die Option Militärputsch der Armeeführung doch die strategisch bessere Alternative gewesen zu sein.

Es gibt wirklich keinen Grund, das Militär, Armeechef Constantino Chiwenga und den nun als starken Mann auf die Bühne zurückgekehrten Mnangagwa zu mögen oder in ihnen sogar Helden der Befreiung zu sehen. Dafür waren sie viel zu lange Teil des Systems Mugabe und haben sämtliche Gräueltaten gedeckt oder zum Teil selbst dekretiert.

Am besten für Simbabwe wäre deshalb ein Neuanfang mit unverbrauchten Kräften, die das Land einen, anstatt es weiter zu spalten. Die internationale Staatengemeinschaft sollte dies auch nachdrücklich gegenüber den neuen Machthabern einfordern und im Gegenzug für demokratische Reformen die Aufhebung von Sanktionen und neue Investitionen anbieten.

Für Machtelite steht viel auf dem Spiel

Ob es dazu aber kommt, ist fraglich. Zu viele Privilegien und zu viel Macht für einige wenige Personen stehen auf dem Spiel. Aber vielleicht kann ja wenigstens darauf hoffen, dass sich in den neuen starken Männern die Ratio durchsetzt. Fahren sie Simbabwe weiter mit derselben Geschwindigkeit gegen den Wand, werden sie nur noch über eine Staatsruine herrschen, die schlimmer aussieht als das Pendant in Venezuela. Aus den Trümmern dieses failed state würden sie immer weniger für ihre eigene Portokasse herausholen können. Auch würde die Gefahr eines Bürgerkrieges weiter wachsen, der mit einer irrlichternden Präsidentin Grace Mugabe schon jetzt wahrscheinlich gewesen wäre.

Vielleicht kann auch China, das in Simbabwe über beachtlich viel Einfluss verfügt, seinen Partnern in Harare klar machen, dass man durchaus seine Wirtschaft in Gang bringen kann, ohne die Machtverhältnisse und das ganze Regime umzustürzen. Aus europäischer Sicht wäre das sicher eine ungerechte und unbefriedigende Lösung, für die Menschen in Simbabwe dürfte aber beinahe alles besser sein als der Status quo. Vielleicht können erfolgreiche Wirtschaftsreformen zu der Basis werden, auf der später auch politische Reformen wachsen können.

Simbabwe steht am bedeutendsten Wendepunkt seit seiner Unabhängigkeit 1980. Das ist immerhin eine Chance, ob sie genutzt wird, steht in den Sternen. Aber besser eine Chance als ein „Weiter so“ auf dem Weg in den Niedergang.

 

 

 

Andreas Kern

Der Diplom-Volkswirt und Journalist arbeitet seit mehreren Jahren in verschiedenen Funktionen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Kern war unter anderem persönlicher Referent eines Ministers, Büroleiter des Präsidenten des Landtages von Sachsen-Anhalt sowie stellvertretender Pressesprecher des Landtages. Er hat nach einer journalistischen Ausbildung bei einer Tageszeitung im Rhein-Main-Gebiet als Wirtschaftsredakteur gearbeitet . Aufgrund familiärer Beziehungen hat er Politik und Gesellschaft Lateinamerikas besonders im Blick. Kern reist gerne auf eigene Faust durch Südamerika, Großbritannien und Südosteuropa.

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