China goes Deutsch-Südwest

Eine chinesische Jugendnationalmannschaft in der deutschen Regionalliga Südwest? Keine Fake News, kein Aprilscherz, sondern offenbar ein weitgehend ausverhandelter Plan. Zwar soll einiges an Geld aus dem Reich der Mitte in den hiesigen Fußball fließen. Dennoch regt sich Widerstand. Und das ist auch gut so!


Regionalliga kommt von Region. Und in der Regionalliga Südwest spielten bisher auch Teams aus der Region. Mannschaften mit klangvollen Namen – wie beispielsweise Kickers Offenbach, der SV Waldhof Mannheim (SVW) oder der 1. FC Saarbrücken – ebenso wie solche, bei denen die Provinz bereits im Namen steckt. So wie beim FC-Astoria Walldorf, dem TSV Steinbach oder dem SV Elversberg. In den Reigen dieser Vereine soll sich künftig auch die U 20-Nationalmannschaft aus der Volksrepublik China einreihen. So zumindest stand es im „Kicker“ sowie in mehreren, an sich seriösen Tageszeitungen – und nicht in der „Titanic“ oder im „Postillion“.

Ein chinesisches Team in der deutschen Regionalliga Südwest, zwar außer Konkurrenz antretend, aber irgendwie doch in den Spielplan integriert? Wenn man da nicht im Erdkundeunterricht etwas komplett falsch verstanden hat oder China künftig Deutsch-Südwest heißen sollte, dann muss die Kommerzialisierung des Sports bereits so weit fortgeschritten sein, dass selbst die Gesetze der Geographie keine Bedeutung mehr zu haben scheinen. In den Reihen des Deutschen Fußball Bundes (DFB), so dünkt es, hat manch einer das Maß für das vernünftig Machbare und den letzten Hauch von Respekt vor Fans und Traditionen fahren lassen.

Jedes Team soll 15.000 Euro erhalten

Natürlich kann man die Geschäftsführer der oft klammen Regionalligaklubs verstehen, wenn sie einwilligen, für 15.000 Euro Prämie zwei Spiele pro Saison gegen eine Elf aus Asien auszutragen. Und es entbehrt nicht einer gewissen Logik, wenn die Verantwortlichen darauf hinweisen, dass bei einer Liga mit 19 Teams jede Woche eine Mannschaft spielfrei hat. Diese freien Tage würden sich optimal anbieten, um mit den Partien gegen die Chinesen die Kassen aufzubessern und zugleich fußballerische Entwicklungshilfe zu leisten.

Dennoch tun sich Fragen auf. Aufgrund eines nicht ganz unkomplizierten Modus stiegen in diesem Jahr insgesamt sechs Teams aus der Regionalliga Südwest ab. Die Regularien genau zu erläutern, dürfte beinahe genauso viel Zeit in Anspruch nehmen wie eine Einführung in die Quantenphysik. Holzschnittartig lässt sich aber sagen: Die Zahl der Teams in der Liga hängt von der genauen Zahl der Absteiger aus der höherrangigen Dritten Liga und den Resultaten der Aufstiegsspiele gegen die besten Teams der anderen Regionalligen ab.

Besonders hart traf es aktuell den FK Pirmasens, der die Spielrunde immerhin als vierzehntes von insgesamt 19 Teams abgeschlossen hatte. Eine Platzierung, bei der man normalerweise mit nichts mit einem Abstieg zu tun hat. Da dieses Mal aber zwei Südwestteams aus der Dritten Liga absteigen mussten und keine Mannschaft den Aufstieg gepackt hat, hieß es für die Pirmasenser: Dumm gelaufen!

Waldhof Mannheim kündigt Boykott an

Nun ist man in Pirmasens ob der bevorstehenden Regionalligaspiele gegen die chinesische Mannschaft alles andere als amüsiert. FKP-Präsident Karsten Volberg hielt die Idee, wie er der Fachzeitschrift „11Freunde“ sagte, zunächst sogar für einen Scherz. Dazu muss man wissen: Die Südwestpfälzer hatten einen Antrag gestellt, die Regionalliga auf 20 Vereine aufzustocken. Dieser wurde jedoch von der Gesellschafterversammlung der Regionalliga abgelehnt. Nun sollen offenbar Chinesen die Lücke an den spielfreien Wochen füllen.

Es sind aber nicht nur die direkt betroffenen Pirmasenser, die den Stachel gegen das China-Abenteuer löcken. Kritik kommt auch vom Regionalliga-Team aus Mannheim. Auf seiner Facebook-Seite teilte der frühere Bundesligist mit: „Waldhof Mannheim hat einer Teilnahme an den beiden Partien gegen die Asiaten nicht zugestimmt und wird nach interner Absprache auch an keinem Spiel teilnehmen.“ SVW-Geschäftsführer Markus Kompp erklärte gegenüber Deutschen Presse-Agentur (dpa), dass sein Klub lieber ein Freundschaftsspiel gegen Pirmasens austragen wolle.

Essener machen sich über DFB lustig

Noch heftiger fielen die Reaktionen aus den Reihen von Rot-Weiß Essen (RWE) aus, obwohl dieser Klub aus der Regionalliga West nicht einmal direkt von den China-Plänen betroffen ist. Auf ihrer Facebook-Seite wiederum veröffentlichten die Essener eine Art offenen Brief an den DFB. Darin heißt es: „Hiermit würden wir uns gerne schon für die Bundesligasaison 2018/2019 anmelden – wenn es sein muss auch außer Konkurrenz. Wir würden dafür in der nächsten Saison unter der Woche auch jeden Mittwoch gegen die chinesische Altherren-Nationalmannschaft antreten. Alternativ könnten wir uns für die neue Spielzeit auch eine 40er Liga mit verschiedenen Nationen aus aller Welt vorstellen. Aufgrund der Auswärtsspiele gerne mit Teilnehmern aus der Karibikregion.“

Vereinspräsident Michael Wellig legte gegenüber „Sportbild“ nach: „In der Regionalliga gibt es dringendere Probleme als die Ausbildung chinesischer Jungnationalspieler. Wir haben das Gefühl, dass der DFB nicht mehr erkennt, wo die Grenze der Kommerzialisierung liegt.“ Weiter merkte er an: „Wollen wir für 30.000 Euro wirklich die Seele des Fußballs verkaufen? Ich nicht!“. Vor dem Hintergrund einer verweigerten Lizenz für Westfalia Rhynern lästerte der RWE-Boss: „Macht den Platz doch für die Inder frei.“ 

Fundamente des Fußballs in Gefahr

Natürlich hatte der römische Kaiser Vespasian recht, als er für die Nutzung öffentlicher Kloaken Geld verlangte und dies lakonisch mit „Pecunian non olet – Geld stinkt nicht“ kommentierte. Und ich wäre der Letzte, der in Frage stellen würde, dass der Anreiz, eine Rendite zu erwirtschaften, der Motor von Wirtschaft, Wachstum und Wohlstand ist und dies auch künftig bleiben muss. Aber beim Sport gelten nicht ausschließlich die Gesetze des Marktes. Emotionen, Leidenschaft und Fankultur sind mindestens genauso wichtig. Sie haben dafür gesorgt, dass Fußball nicht nur hierzulande zur größten aller Sportarten überhaupt geworden ist, die Millionen von Menschen auf dem Globus bewegt und fasziniert. Dieser Status scheint derzeit akut in Gefahr zu raten. Und das wäre eine Gefahr für das große Ganze.

Dinge, die man auf einem Markt erwerben kann, kauft man ja in der Regel nicht, weil man Anhänger eines Herstellers ist oder eine Firma glühend verehrt, sondern weil ein Produkt entweder gut oder günstig ist. Oder am besten beides zusammen. Werden Fußballligen künftig zu einem großen kommerziellen Markt, dann dürfte sich das Fanverhalten ändern. Aus Anhängern, die mit ihrer Mannschaft durch dick und dünn gehen, werden Kunden, die nur kommen, wenn die Erfolge stimmen und die Sonne scheint.

Schon beim DFB-Pokalfinale zwischen Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt hat der DFB angedeutet, dass er momentan dabei ist, zu überdrehen und aus dem Volkssport Fußball kommerzlastiges Entertainment ähnlich dem US-Sport zu machen. Inzwischen scheint er noch weiter gehen zu wollen. Voller Bange muss man sich als Fan fragen: Welcher absurde Plan soll als nächstes kommen? Eine Verkleinerung der Bundesliga auf 17 Teams oder eine Vergrößerung auf 19 Mannschafen, damit an den freien Wochenenden lukrative Partien gegen Klubs aus Ostasien oder den zahlungskräftigen Golf-Staaten ausgetragen werden können. Vielleicht könnte man ja auch Spiele im Internet meistbietend versteigern, etwa an milliardenschwere Unternehmen wie den Mobiltelefonhersteller mit dem Apfel oder einen koreanischen Automobilbauer. Die hätten schon Geld, nicht nur um viel Lizenzgebühren an den DFB zu zahlen, sondern auch, um sich schöne Teams mit großartigen Kickern aus aller Welt zusammenzukaufen. Sozusagen irgendwelche Harlem Globetrotters des Fußballs. Das Ganze würde zwar die Kassen klingeln lassen, dürfte aber mitunter so schal und so wenig fesselnd sein wie ein Kick der Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft gegen eine gemischte Auswahl von Obergiesing und Untergiesing.

Spiele im Internet versteigern?

Auf dem nordamerikanischen Kontinent mag man an solchen Kommerzsport gewöhnt sein und sich nicht an inhaltsloser Show stören. In Europa indes dürfte dies kein Erfolgsrezept werden. Der SV Waldhof Mannheim hat daher mit seiner Ankündigung, die Spiele gegen die chinesische U20-Mannschaft zu boykottieren ein richtiges und wichtiges Signal gesetzt. Mehr Vereine sollten sich dem anschließen. Auch die Fans können ihr Urteil fällen und mit ihren Füßen mit gegen die China-Pläne der DFB-Verantwortlichen abstimmen. Sie müssen, wenn die Partien anstehen, einfach nur zu Hause bleiben.

Andreas Kern

Der Diplom-Volkswirt und Journalist arbeitet seit mehreren Jahren in verschiedenen Funktionen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Kern war unter anderem persönlicher Referent eines Ministers, Büroleiter des Präsidenten des Landtages von Sachsen-Anhalt sowie stellvertretender Pressesprecher des Landtages. Er hat nach einer journalistischen Ausbildung bei einer Tageszeitung im Rhein-Main-Gebiet als Wirtschaftsredakteur gearbeitet . Aufgrund familiärer Beziehungen hat er Politik und Gesellschaft Lateinamerikas besonders im Blick. Kern reist gerne auf eigene Faust durch Südamerika, Großbritannien und Südosteuropa.

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