Europa in Gefahr
Das Schengen-Abkommen und seine Bedeutung. Es gibt Bestrebungen, die Binnengrenzen wieder dauerhaft zu schließen. Damit würde das Schengen-Abkommen beerdigt. Eine Kolumne von Heinrich Schmitz.

Als ich ein Kind war, fuhr ich einige Male mit meinen Eltern ins europäische Ausland in Urlaub: Belgien, Niederlande, Dänemark. De Fahrten hätten nicht besonders lange gedauert, wären da nicht die elenden Grenzkontrollen gewesen. Meine Mutter hatte stets die Papiere schon Kilometer vor der Grenze griffbereit. Und dann galt es zu warten. Manches Mal stundenlang. Und dann wurde geprüft, in den Kofferraum geschaut und wenn alles okay war, was es immer war, durfte man schweißgebadet weiterfahren. Man kam sich vor wie ein Verbrecher. Mitte der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts endete das und man konnte mal eben ans Meer fahren und damit mehrere Grenzen ohne Kontrollen überqueren. Das Zauberwort hieß Schengen.
Seit seiner Unterzeichnung im Jahr 1985 hat das Schengen-Abkommen Europa grundlegend verändert. Es steht für Reisefreiheit, wirtschaftliche Vorteile und enge politische Zusammenarbeit. Doch es ist auch ein Abkommen, das regelmäßig auf den Prüfstand gestellt wird – sei es durch Migration, Terrorismus oder Pandemien. Ein Blick auf den Inhalt und die Bedeutung des Schengen-Abkommens zeigt, warum es ein so zentrales Element der europäischen Integration ist.
Der Inhalt des Schengen-Abkommens
Das Schengen-Abkommen wurde ursprünglich am 14. Juni 1985 von den fünf europäischen Staaten Deutschland, Frankreich, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden unterzeichnet. Ziel war es, die Grenzkontrollen zwischen den teilnehmenden Ländern abzuschaffen und einen gemeinsamen Rechtsrahmen für die Kontrolle der Außengrenzen zu etablieren. Im Laufe der Jahre wuchs das Schengen-Gebiet auf derzeit 27 Länder an, darunter auch Nicht-EU-Staaten wie die Schweiz, Norwegen und Island.
Die Kernpunkte des Abkommens umfassen:
Abschaffung der Binnengrenzen: Innerhalb des Schengen-Raums gibt es keine regulären Personenkontrollen an den Grenzen.
Gemeinsame Außengrenzkontrollen: Die Kontrolle von Einreisenden aus Drittstaaten erfolgt nach einheitlichen Kriterien.
Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden: Ein zentrales Element ist das Schengener Informationssystem (SIS), das Strafverfolgungsbehörden Zugang zu einer gemeinsamen Datenbank gibt.
Visapolitik: Einheitliche Regelungen für die Visa-Vergabe erleichtern Reisen in den gesamten Schengen-Raum.
Bedeutung für Wirtschaft, Gesellschaft und Politik
1. Wirtschaftliche Vorteile
Das Schengen-Abkommen hat den europäischen Binnenmarkt maßgeblich gestärkt. Durch den Wegfall von Grenzkontrollen sparen Unternehmen Zeit und Kosten, insbesondere im Transport- und Logistiksektor. Laut Schätzungen der EU-Kommission spart das Abkommen jährlich einige Milliarden Euro. Gleichzeitig profitieren kleine und mittelständische Unternehmen von einem ungehinderten Zugang zu Märkten in anderen Ländern.
2. Gesellschaftlicher Zusammenhalt
Das Abkommen ist nicht nur ein wirtschaftliches Projekt, sondern auch ein Symbol der europäischen Einheit. Zig Millionen Menschen pendeln täglich über Grenzen hinweg zur Arbeit, zum Studium oder zu Familienangehörigen. Junge Menschen wachsen mit der Selbstverständlichkeit auf, sich innerhalb Europas frei bewegen zu können. Die Abschaffung der Grenzen hat damit einen entscheidenden Beitrag zur europäischen Identität geleistet.
3. Politische Zusammenarbeit
Schengen setzt eine enge Abstimmung zwischen den beteiligten Ländern voraus. Die Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen hat zu besseren Ermittlungs- und Fahndungsmöglichkeiten geführt. Trotz nationaler Interessen erfordert das Abkommen eine Balance zwischen Offenheit und Sicherheit – ein ständiges Spannungsfeld.
Herausforderungen
Trotz seiner Erfolge gerät das Schengen-Abkommen immer wieder in die Kritik. Die Herausforderungen sind vielfältig:
1. Illegale Migration
Die sogenannte Flüchtlingskrise von 2015 zeigte, wie stark das System durch unkontrollierte Migration belastet werden kann. Einige Staaten führten vorübergehende Grenzkontrollen wieder ein, was die Schwächen der Schengen-Regeln offenbarte. Das geht aber immer nur vorübergehend. Dauerhafte Grenzkontrollen sind ausgeschlossen.
2. Terrorismus und Kriminalität
Offene Grenzen erleichtern nicht nur das Reisen für Bürger, sondern auch für Kriminelle und Terroristen. Ereignisse wie die Anschläge in Paris und Brüssel führten zu Forderungen nach strengeren Kontrollen und besserer Vernetzung der Sicherheitsbehörden.
3. Pandemien
Die COVID-19-Pandemie stellte Schengen vor eine nie dagewesene Herausforderung. Plötzlich waren Grenzen wieder geschlossen, und der freie Personenverkehr wurde massiv eingeschränkt. Dies führte zu einem politischen Dilemma: Wie kann die Mobilität erhalten bleiben, ohne die öffentliche Gesundheit zu gefährden?
Die Zukunft des Schengen-Abkommens
Die Zukunft von Schengen hängt von der Fähigkeit der Staaten ab, gemeinsam tragfähige Lösungen für die bestehenden Probleme zu finden. Die Reformvorschläge umfassen:
Bessere Sicherung der Außengrenzen, um illegale Migration zu kontrollieren.
Stärkere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden, insbesondere durch erweiterte Datenbanken und schnelleren Informationsaustausch.
Flexible Krisenmechanismen, die temporäre Grenzkontrollen gezielt und koordiniert ermöglichen, aber ohne den Grundgedanken von Schengen zu gefährden.
Ausblick
Das Schengen-Abkommen bleibt ein zentraler Pfeiler der europäischen Integration. Es ermöglicht wirtschaftliches Wachstum, gesellschaftlichen Austausch und politische Zusammenarbeit. Gleichzeitig muss es sich ständig neuen Herausforderungen anpassen.
Die Debatte über seine Zukunft zeigt: Die europäische Einheit ist ein fragiler dynamischer Prozess, der Engagement, Reformbereitschaft und Kompromisse erfordert. Trotz aller Schwierigkeiten bleibt Schengen ein Symbol der Freiheit – und ein Modell, das bewahrt und weiterentwickelt werden muss.
Wenn nun Parteien dauerhafte Grenzkontrollen fordern oder einzelne Länder dies einfach mal so machen, ist Schengen tot. Und mit Schengen wird die EU sterben. Das ist das Ziel mancher Parteien im In- und Ausland. Es wäre schade, wenn ausgerechnet die Partei der großen Europäer Adenauer, Kohl und Merkel in Deutschland dazu beitragen würde dieses Ziel zu verwirklichen.