Nur nicht jammern

2022 ist nun vorbei. Es war nicht wirklich schön. Eine Kolumne von Heinrich Schmitz.


Bild von Gino Crescoli auf Pixabay

Ja, das hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt, dieses Jahr 2022. Ich hatte gedacht, nach der Flutkatastrophe in 2021 und der Coronaseuche würde es langsam aufwärtsgehen. Stattdessen fing Putin den Krieg gegen die Ukraine an und brachte Tod und Leid über die Menschen. Millionen Menschen mussten erneut ihre Heimat verlassen. Im Westen bemerkte man schmerzlich, dass es keine gute Idee war, sich auf einen einzigen Lieferanten von billiger Energie zu verlassen, dass es auch keine gute Idee war, Medikamente in Billiglohnländern produzieren zu lassen, dass die Ausbeutung anderer Länder auf die Dauer nicht gutgehen kann. Deutschland bemerkte, dass es weder beim Militär noch bei der Fußballauswahl über eine funktionierende Abwehr verfügt. Ja, nicht einmal die Sirenen funktionieren alle und Bunker sind Mangelware.

Hunger

All die schönen Pläne von einer friedlichen, hungerbefreien Welt, von einem Umbau der Energieversorgung hin zu umweltfreundlicheren Technologien, von einer sauberen Umwelt wurden einem knochenharten Realitätstest unterzogen. Nicht so toll. Dazu eine Inflation, die einem schon beim ganz normalen Wocheneinkauf die Sprache verschlug. Ganz zu schweigen von den neuen Gas- und Strompreisen. Da musste man sich schon genau überlegen, wofür man sein Geld ausgibt, wenn man nicht gerade Krösus ist. Feierabend mit irgendwelchen Lustkäufen und runter mit der Heiztemperatur. Ich habe vorher noch nie täglich nach dem Gasverbrauch gesehen, jetzt mach ich’s. Alles nicht schön.

Viren

Dazu im privaten Bereich immer wieder Corona bzw. RS-Viren bei den EnkelInnen. Und am Ende des Jahres, zwei Tage vor Weihnachten erwischte Corona auch noch meine Frau und mich. Während überall die Maßnahmen gekippt werden, müssen wir uns kurz vor Toresschluss noch diese blöde Krankheit einfangen. Kanzlei 8 Tage geschlossen. So what? Da war dann auch nichts mit Familienfeiern unterm Weihnachtsbaum – wobei ich ehrlich gesagt an Weihnachten noch nie so besoffen war, dass ich unter dem Baum gelegen hätte. Der Platz unter dem Baum ist für die Geschenke und gelegentlich für meinen Co-Autoren Chico reserviert. Nun, dieses Jahr nichts davon. Das gilt auch noch für Silvester. Kein gemütliches Abendessen mit Freunden. Stattdessen wohl etwas Fernsehen und früh ins Bett.

Aber

Ja, Scheiße könnte man sagen. Aber, und nun kommt ein Aber, das sich gewaschen hat. Ich habe, wie wohl die meisten von uns, wahrlich keinen echten Grund zum Jammern. Zum einen habe ich zumindest in dem Moment, als ich diese Kolumne geschrieben habe, noch gelebt. Ich habe ein Dach über dem Kopf, habe eine Heizung und für Notfälle noch einen Holzofen, habe fließendes sauberes Trinkwasser, genug zu Essen und mir fliegen keine Raketen um die Ohren. Meine Frau, meine Kinder und Enkelkinder leben, die meisten meiner Freundinnen und Freunde auch. Das mag sich im Verlauf des neuen Jahres noch ändern, aber noch habe ich das alles und damit mehr als die meisten Menschen auf der Welt. Und darüber bin ich froh und dankbar.

Wenn Sie meinen, es ginge Ihnen schlecht, dann werfen Sie mal einen Blick auf den Welthungerindex. Jeder 10. Mensch auf der Welt hungert.  Das sind rund 830 Millionen Menschen. Und in diesem Index sind die Folgen des Krieges gegen die Ukraine und dessen Konsequenzen in den Zahlen noch gar nicht berücksichtigt. Das werden noch mehr Hungernde werden. Und jeder einzelne von denen leidet wirklich und wird vermutlich an Hunger sterben.

Keine Sorge, ich will Sie hier weder zu Spenden animieren, noch zu irgendeinem Verzicht. Das ist nicht meine Aufgabe. Und wenn Sie meinen, Sie müssten Ihr sauer verdientes Geld oder auch Ihre Energiezulage in Silvesterfeuerwerk investieren, dann tun Sie das ruhig, wenn es Ihnen Spaß macht. Nicht alles, was man tut, muss sinnvoll und durchdacht sein. Aber tun Sie sich und mir einen Gefallen. Jammern Sie dann bitte nicht rum.

Augen auf

Ja, es gibt auch Armut und Obdachlosigkeit in Deutschland, trotz eines teuren Sozialsystems und es gibt auch hier Menschen, die Hilfe benötigen. Halten Sie die Augen offen und Sie finden überall Menschen, denen Sie helfen können, wenn Sie es denn wollen. Wie gesagt, Sie müssen nicht helfen. Es gibt keinen Zwang. Es ist Ihre Entscheidung. Es hindert Sie aber auch niemand daran. Und womöglich gibt es Ihnen auch etwas zurück.

Es gab einmal den Plan, den Hunger auf der Welt bis zum Jahr 2030 abzuschaffen. Das wäre wohl auch gegangen, wenn man das Ziel ernsthaft verfolgt hätte. Aktuell ist das aber in weite Ferne gerückt. Und angesichts des weltweit grassierenden Egoismus habe ich da auch wenig Hoffnung, dass das tatsächlich einmal passieren wird.

Umso mehr freue ich mich trotz aller Krisen darüber, in einem Land zu leben, das zumindest einem Teil der Menschen, die aus dem Elend geflohen sind, immer noch helfen kann und dies hoffentlich auch weiterhin tun wird.

Für 2023 wünsche ich Ihnen alles Gute. Und, jammern Sie nicht!

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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