Deutschland ohne Grauzone

In einer Demokratie herrscht Meinungsfreiheit – eigentlich. Seit die Flüchtlingsproblematik den Alltag und die Medien bestimmt, herrscht konsequentes „Schwarz-Weiß-Denken“ vor. Entweder man ist pro oder ein Nazi.


Schwarz oder Weiß – in Grauzonen bewege ich mich textlich und gedanklich selten. Immer absolut unterwegs, meide ich konsequent den Mittelweg. Gleiches spiegelt sich in der aktuellen Flüchtlingsproblematik wider. Entweder man ist pro, sammelt Sach- und Geldspenden für „Refugee-Initiativen“ und steht sogar, getreu unserer neu entdeckten Willkommenskultur, applaudierend an den Bahnhöfen. Oder man bewegt sich auf der dunklen Seite: der „Pöbel“, die „dummen Menschen“. Sie haben Angst oder hinterfragen die Flüchtlingsflut, was laut Mainstream und Politik völlig unbegründet und nicht nachvollziehbar sei. Selbst gestandene heute Journal-Moderatoren bekennen Farbe – Weiß – und emotionalisieren die Thematik. Der mediale und gesellschaftliche Druck lässt keine andere Meinung, als die richtige zu und die ist bekanntlich pro. Eltern, Schüler und Sportler, die sich über die besetzten Sporthallen beklagen: intolerante Egoisten. Ängstliche Mieter, die um ihre Wohnung bangen: typisch deutsch, im schlechtesten Sinne. Jegliche Kritik wird geradezu reflexartig in die rechte Ecke gerückt und setzt die Genannten auf eine Stufe mit den parolenbrüllenden Springerstiefelträgern.

Warum ist in einem demokratischen Deutschland keine Grauzone mehr erlaubt? Ein auferlegtes Meinungsdiktat, das kein „Aber“ duldet. In Talkshows starten Debatten, die schon längst keine mehr sind, alle sind sich einig, was auch sonst?

Das Trending Topic #refugees

„Refugees Welcome“ las man früher auf wenigen Stoffbahnen, vereinzelnd in Kreuzbergs Fenstern hängend. Sie fielen neben den „Atomkraft? Nein danke!“-Aufklebern kaum auf. Doch jetzt ist das „Willkommens-Bekenntnis“ keine einfache Stellungnahme mehr, es ist ein Schlachtruf für all jene, die das Wort „Gutmensch“ als körperlichen Angriff auffassen. Sogar der bisher politisch unbewandert wirkende Til Schweiger ist der neue Best Buddy von Sigmar Gabriel.

Refugees Welcome ist hipsteresk geworden, das neue It-Logo auf den abgenutzten Jute-Beuteln. Es ist zu einem Trending Topic avanciert, dem sich auch zahlreiche Firmen einerseits nicht entziehen können und andererseits auch zu nutze machen. Nicht nur auf den Social Media-Kanälen outen sich Marken als Pro-Refugees, auch große Unternehmen geben sich solidarisch, indem sie ihren Mitarbeitern einen Urlaubstag für Flüchtingshilfe schenken. Bringt zudem auch noch gute Publicity. Viele scheinen der Flüchtlingsproblematik wie einer Art Trend zu folgen, vergleichbar mit einer Modeerscheinung. Nur wird hierbei vergessen, dass Trends irgendwann out sind, die Menschen und auch die damit verbundenen Probleme bleiben.

Deutschland 2015 – es gibt nur eine Meinung

Frau Merkel lebt es uns vor, es gibt nur eine Meinung. „Wir schaffen das“ ist unser neues Motto. Nur wer schafft es und wie sieht das konkret am Ende aus? Der Flüchtlingsstrom ist schier unbegrenzt, doch gilt Gleiches auch für die finanziellen Mittel? Warum dürfen solche durchaus sachlichen Fragen nicht gestellt werden, ohne dass man gleich zur „dunklen Seite“ gehört?  Hinterfragen scheint schlichtweg unerwünscht. Gibt es unter Unterstützern nur bedingungslose Befürworter oder dürfen diese auch „unbequeme Fragen“ stellen?  Das Recht auf eine eigene Meinung, sei sie noch so unpopulär, sollte in jeder Situation gegeben sein. Selbst beim Liken der Xten-Meldung innerhalb der Facebook-Timeline scheint ein akuter Gruppenzwang zu existieren. Keine Grauzone zu haben halte ich für ungesund. Diese ist auch dafür da, um Menschen eine Chance zu geben, sich mit der aktuellen Lage zu arrangieren. Denn nicht jeder ist so spontan wandlungsfähig wie Angela Merkel.

Alissia Passia

Die gebürtige Berlinerin blieb bis heute der Hauptstadt treu, obwohl sie zu ihr eine gewisse Hassliebe pflegt. Kein Wunder, dass sie diesen inneren Konflikt auch gerne in ihrer Kolumne thematisiert. Passia hospitierte im Hause Axel Springer, wo sie ebenfalls nebenberuflich tätig war. Seit 2006 ist sie im Bereich Werbetext für verschiedene namhafte Agenturen, wie Jung von Matt oder BBDO, tätig. Sie konzipierte ebenfalls mehrjährig auf Kundenseite und zuletzt in der Berliner Agentur für digitale Transformation. Dem Digitalen bleibt Passia auch zukünftig treu und macht "irgendwas mit Medien".

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