Der Patridiot
Ein Gedicht über Freiheit, Vaterland – und was vom Denken übrig blieb. Von Heinrich Schmitz.

Bild von Timur Kozmenko auf Pixabay
Der Patridiot
Ein Mann stand auf dem Marktplatz stolz,
mit Wimpel, Hut und Eichenholz.
Er schwenkte wild die Fahnenstange
und sang, ganz ohne Takt, sehr lange.
„Mein Land, das schönste weit und breit!
Es hat die beste Wirklichkeit!
Wer anders denkt, der irrt sich schwer –
den sperr’n wir ein. Das freut uns sehr!“
Die Leute lachten, einer rief:
„Sag mal, ist Freiheit dir nicht lieb?“
„Doch nein!“, sprach er, „die ist ganz nett,
solang sie still in Ecken hockt und niemand widerspricht im Bett.“
„Die Presse?“, fragte wer im Chor.
„Die lügen doch!“, schrie er empor.
„Und Bildung ist ein linkes Spiel,
wer nachdenkt, liebt sein Land nicht viel!“
Ein Mädchen, jung, mit klarem Blick,
warf ihm ein Buch – gezielt zurück.
„Du hast den Text nicht ganz verstanden.
Freiheit heißt nicht, Parolen landen.“
Der Mann, er brummt, doch denkt nicht nach.
Er poltert weiter, Tag für Tag.
Die Welt, so meint er, sei sein Feind,
wenn sie nicht ganz nach ihm nur scheint.
Und während er noch schimpft und schreit,
zieht anderswo Vernunft durchs Kleid.
Die Freiheit tanzt im leichten Schuh –
doch nicht zu seinem Marschgebuh.
Wer Freiheit liebt, der lässt sie fliegen –
und muss nicht andre niederkriegen.
Wer sie nur für sich reklamiert,
hat weder sie noch sich kapiert.