Sie ist wieder da!

Der Bundestag beschließt erneut wider alle Vernunft ein Vorratsdatengesetz. Was der Blödsinn soll, vermag sich unserem Kolumnisten nicht zu erschließen.


Mit 404 Ja-Stimmen hat die große Koalition das neue Vorratsdatenspeicherungsgesetz durch den Bundestag geprügelt. Das wird zwar jetzt anders genannt, aber der böse Wolf ändert ja sein Wesen auch nicht dadurch, dass er sich mit Großmutters Nachthemd ins Bett legt.

Justizminister Maas geht derweil pfeifend durch den Wald und behauptet, „damit werden wir der höchstrichterlichen Rechtsprechung vollumfänglich gerecht“. Wenn er das selber glauben sollte, täte er mir leid.

Maas bringt verbrauchte Energie sofort zurück

Nein. Diese VDS-Nummer wird – genau wie ein schlechter Witz – durch ständige Wiederholungen nicht besser. Und sie wird vor dem Bundesverfassungsgericht genauso scheitern, wie die vorherige Variante. Daran kann die Fristverkürzung und die andere gesetzgeberische Kosmetik nichts ändern. Im verfassungswidrigen Kern ist dieses Gesetz dasselbe wie das vorherige – auch wenn Maas das Gegenteil behauptet. Maas bringt verbrauchte Energie sofort zurück.

Bereits 2008 hat das Bundesverfassungsgericht deutliche Worte gefunden:

„Umgekehrt darf die Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten nicht als Schritt hin zu einer Gesetzgebung verstanden werden, die auf eine möglichst flächendeckende vorsorgliche Speicherung aller für die Strafverfolgung oder Gefahrenprävention nützlichen Daten zielte. Eine solche Gesetzgebung wäre, unabhängig von der Gestaltung der Verwendungsregelungen, von vornherein mit der Verfassung unvereinbar. Die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit einer vorsorglich anlasslosen Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten setzt vielmehr voraus, dass diese eine Ausnahme bleibt. Sie darf auch nicht im Zusammenspiel mit anderen vorhandenen Dateien zur Rekonstruierbarkeit praktisch aller Aktivitäten der Bürger führen.“ (Urteil vom 2. März 2010 – 1 BvR 256/08)

Genau das würde aber möglich.

Wirkungslos

Die gebetsmühlenartig wiederholte Behauptung, durch diese Speicherung könnten schwere Straftaten verhindert werden, ist völliger Quatsch. Da weder die Inhalte der Kommunikation aufgezeichnet werden sollen – was bei SMS wohl doch geschehen wird – noch der E-Mail-Verkehr, wird ein Schwerverbrecher oder Terrorist genügend Möglichkeiten finden, so zu kommunizieren, dass man von seinen Absichten nichts erfährt. Was ist mit Skype oder Whatsapp? Als Präventionsmittel bringt das gar nichts, wie durch den Anschlag auf Charlie Hebdo bewiesen wurde. Die Franzosen hatten eine Vorratsdatenspeicherung und die Attentäter sogar auf dem Schirm.

Auch die Behauptung, es erleichtere die Strafverfolgung nach einer Tat, ist ein durch nichts begründetes Wunschdenken. Falls ein Verbrecher schon so dämlich ist, sich der künftig gespeicherten Kommunikationswege zu bedienen, dann würde man ihn vermutlich – wie bisher immer – auch ohne die Massenspeicherung ermitteln. Die Aufklärungsquote bei Mord und Totschlag liegt auch ohne den ganzen Vorratsdatenfirlefanz seit Jahren um die 97 Prozent.

Missbrauch vorprogrammiert

Das Einzige, das diese anlasslose Datenspeicherung bringt, ist die Gefahr des Missbrauchs. Dabei müssen es nicht einmal die staatlichen deutschen Behörden sein, die sich aus dem Datenpool bedienen. Das können auch ganz andere Kandidaten sein: ausländische Dienste,  kriminelle Organisationen oder eine Mischung daraus. Wo sich massenhaft Daten befinden, findet sich immer jemand, der die auch ausspäht.

Warum die große Koalition meint, ein derart deutliches Misstrauensvotum gegen die eigene Bevölkerung aussprechen zu müssen, kann ich nicht sagen.Warum die Regierung erneut ein verfassungswidriges Gesetz auf den Weg bringt, auch nicht.

Was ich aber zu wissen glaube, ist, dass der Spuk nicht lange währt.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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