Die Debatte zwischen Joe Biden und Donald Trump war erschreckend. Ein ziemlich tatterig wirkender Präsident gegen einen notorischen Lügner. Für einen wird Amerika sich entscheiden. Eine Kolumne von Heinrich Schmitz.
Einige Jahre nach ihrem größten Triumph – der Überwindung der europäischen Spaltung infolge der friedlichen Revolutionen in Osteuropa – fand eine immer tiefer werdende Erosion der europäischen Idee statt: „Europa ist das Narrativ ausgegangen“, meinte 2018 der Münchner Politikwissenschaftler Werner Weidenfeld. Erst die Solidarisierung mit der am 24. Februar 2022 überfallenen Ukraine sollte den „offenen Gesellschaften“ zu einem neuen Aufbruch verhelfen. Aber nicht nur die Verfechter der Freiheit, sondern auch ihre autokratischen Verächter erleben zurzeit einen immer stärkeren Konsolidierungsprozess.
Nach der Auflösung der Sowjetunion verwandelte sich Russland in eine „gekränkte Großmacht“, die nach einer Wiederherstellung seiner erschütterten hegemonialen Positionen strebt. Insofern erinnert die Lage des postsowjetischen Russland an diejenige Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg. Nicht zuletzt deshalb wird der Begriff „Weimarer Syndrom“ seit den 1990er Jahren wiederholt auf Russland bezogen. Seit der Zeitenwende vom 24. Februar erhält dieser deutsch-russische Vergleich eine zusätzliche Relevanz. Nicht zuletzt deshalb ist es wichtig, sich mit dem „Weimarer Syndrom“ erneut zu befassen, und zwar sowohl mit dem deutschen „Original“, als auch mit seiner russischen „Kopie“.
„Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“, so nannte Karl Popper sein berühmt gewordenes Buch von 1945. Unter welchen Bedingungen gelingt es aber den Verächtern der „offenen Gesellschaft“, ihr Ziel zu erreichen und das von ihnen abgelehnte System gänzlich zu zerstören? Diese Frage gewinnt angesichts der letzten Ereignisse in den USA erneut eine außerordentliche Brisanz.
Der Charakter der totalitären Diktaturen, die in Europa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden waren, wird seit Jahrzehnten von unzähligen Autoren erforscht. Minuziös werden die Unterschiede zwischen den totalitären Tyranneien und anderen Herrschaftssystemen herausgearbeitet. Umso bedenklicher wird es, wenn man die Ergebnisse dieser Forschung missachtet, und zwar durch eine partielle Gleichsetzung der totalitären Regime mit Systemen ganz anderer Art. Besonders verbreitet ist der Vergleich zwischen der US-amerikanischen Politik mit derjenigen des NS-Regimes.
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