Es gibt keinen bürgerlichen Schwulen…
Der Grünen-Politiker Volker Beck wurde in Berlin von der Polizei mit Crystal Meth erwischt. Er trat von seinen vielfältigen Ämtern zurück.
Das Ende einer Illusion
Für viele, zumeist unpolitische, homosexuelle Menschen ist Volker Beck eine Gallionsfigur: jetzt kann er es nicht mehr sein – er hat sich erwischen lassen! Das ist das Ende einer Illusion.
Der rechtspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen galt als seriöser, bürgerlicher, schwuler Mann. Um das zu bekräftigen, nannte er sich selbst wertkonservativ. Das Schwule an ihm konnte man nicht mehr wahrnehmen: er trägt – und das wird hier nicht zum Spott, sondern zur genauen Beschreibung seines Images erwähnt – die unauffälligen Anzüge eines Sparkassenfilialleiters, schunkelt beim Vereinskarneval, erwähnt immer dezent seine Verpartnerung und wagt sogar, sich nach dem Tod seines Lebensgefährten, raunend einen Witwer zu nennen.
So konnte man ihn ertragen, den in mancherlei Hinsicht im bürgerlichen Milieu angekommen gemäßigt-linksgrünen Homosexuellen. Als Drogenkonsument hat er sich aber aus dieser Behaglichkeit wieder herauskatapultiert. Ich höre schon die Fraktion der Homohasser um Birgit Kelle, Gabriele Kuby und Hedwig von Beverfoerde triumphierend schreien wie Recht sie hätten vor den Homosexuellen zu warnen, denn die seien tatsächlich labil, krank und anfällig für psychische Defekte und Süchte. Andere heucheln Barmherzigkeit und Mitleid und wollen für den Christen Beck sogar beten.
Das Phantasma vom bürgerlichen Schwulen
Stunden bevor die Meldung über Becks Fall durch die Medien ging, blies der schwul-katholische Obermaulwurf David Berger seine üblichen Jerichoposaunen über die Unwählbarkeit der „Linksgrünen“ für Homosexuelle und brachte damit wieder nur eine weitere Drehung seiner reaktionären Spaltschrauben, die er in die homosexuelle Community bohrt.
Dabei wäre gerade für Berger und seine Anhänger (denn bei dieser Fraktion handelt es sich um eine obskure rechte Sekte)Volker Beck die Realisierung des Phantasma vom bürgerlichen Schwulen. Er war Berger natürlich nicht bürgerlich genug, deshalb flickte der Beck am Zeuge mit völlig absurden Anwürfen der Verteidigung von Pädophilie…diesen schmutzigen Pädotrumpf ziehen Reaktionäre wie Berger natürlich immer aus dem Ärmel, wenn sie Homosexuelle diskreditieren wollen.
Hier gilt es allerdings zu erwähnen, dass Berger ohne Rücksicht auf Verluste und ohne Skrupel wie er es bei seinem Aufstieg in der katholischen Kirche gelernt hat, vor keiner Schmutzigkeit und Denunziation zurückschreckt, wenn er meint, sie bringe ihm persönlich Vorteile.
Aber das sind ja die Methoden der Bürgerlichkeit, die ausgerechnet Berger so sehr ersehnt und die seine Anhänger ebenso inbrünstig erhoffen: die angebliche Gleichstellung der Homosexuellen mit Trauschein, IKEA-Sofa, Gartenlaube, gemeinsamem Bausparvertrag und kleinbürgerlichem Maulzerreißen hinter vorgehaltener Hand über andere – nur manchmal macht man sich in den Schatten und mit hochgeschlagenem Mantelkragen auf in die erotisch-nächtlichen Abseitigkeiten der Homosexualität. Wenn keiner davon erfährt ist es gut, denn ansonsten wäscht man ja seine Hände in Unschuld und das Klatschmaul mit Rosenseife – das ist so die Hygiene der bürgerlichen Schwulen.
Nun also hat es Volker Beck auf einer solchen (nicht mal exklusiv schwulen) Nachtseite erwischt. Man wird es ihm – daran ist nicht zu zweifeln – als schwule Verfehlung auslegen, die nicht zu verzeihen ist.
Natürlich wird es noch mehr Drogenkonsumenten unter den Parlamentariern aller Fraktionen geben und ebenso genug mit originellen sexuellen Gelüsten jenseits der Missionarsstellung. ABER: man darf sich eben nicht dabei erwischen lassen, dann ist die bürgerliche Fassade perdü!
Der Bürger – Bourgeois oder Citoyen
Die deutsche Vorstellung von „Bürgerlichkeit“ besteht aus einem Normenkorsett des viktorianischen 19.Jahrhunderts – noch immer; sie ist Traum und Alptraum zugleich. Der Traum verheißt Ansehen, Respekt und Wohlstand – vor allem Wohlstand, für den man sich nicht bloß krummlegen, sondern tatsächlich verbiegen muss.
Und das ist der Alptraum: Anpassung an die Normen und in jedem Falle lügen, vertuschen, hinter dem Berg halten und mit der Menge krähen. Damit wir uns recht verstehen: krähen heißt petzen, übel nachreden, schmeicheln, schmusen und die Cour schneiden.
Seine Individualität, sein Gerechtigkeitsempfinden, so zu vernichten ist schon ein Alptraum, aber erfährt seine Potenzierung in der Gewöhnung daran. Irgendwann merkt man gar nicht mehr, wie sehr man sich verneint und verleugnet und damit auch die anderen. Bürgerlichkeit heißt eigentlich: der stets verlogene und heuchlerische Umgang miteinander – und wer da nicht mitmacht, der fällt raus aus dieser bösartigen Gnade…
Die französische Sprache hat uns mit einem Wort dafür versorgt: diese Bürger nennt man in Frankreich: Bourgeois und meint damit den satten aber gleichwohl immer gierigen Tartüffe. Dieser Bürger hat nichts mit dem gleichberechtigen und freien und autonomen Citoyen zu tun, einer politisch-bewussten Existenz ( darunter verstehe ich natürlich kein FDP-Mitglied!!! )
Das bourgeoise Lügenkonstrukt gilt umso mehr für die Homosexuellen, die sich nach Bürgerlichkeit sehnen. Das sind jene, die es verlangt nach Ehegattensplitting, kirchlichen Trauungen mit Blumengebinden und ehelichen Schlafzimmern mit einem Schutzengelgemälde überm Doppelbett.
Um all diese Annehmlichkeiten zu erhalten, fügen sich ja schon die Heterosexuellen in ein Normengeflecht und Gerüst, das sie mit seinen Anforderungen erdrückt. Die Homosexuellen müssen doppelte Lügenanstrengungen unternehmen. Diese ersehnte Bürgerlichkeit ist per se eine heterosexuelle – deshalb auch der Aufstand der Reaktionäre gegen die Forderungen nach der Ehe für Alle oder die Möglichkeit zur Adoption. Das sind tatsächlich heterosexuelle Privilegien, deren Verlust jene Schreier fürchten- sie sind dann nichts Besonderes, Herausgehobenes, Ausgezeichnetes mehr.
Die bürgerliche, die Bourgeois-Gesellschaft ist heterosexuell bis in ihr verlogenes autoritäres Mark. Das war sie vor 200 Jahren, als sie entstand und das ist sie bis heute. Sie kann sich nur über Ausgrenzungen definieren. Es muss immer einen Anderen, Verkehrten, nicht ganz Richtigen, Schmutzigen geben – nur auf diesem Hintergrund kann man selbst leuchten. Und wer dunkel und nachtseitig ist, bestimmen natürlich, lieber Bertold, sei Dank, die im Lichte!
Und wenn Homosexuelle in der bourgeoisen Gesellschaft dilettieren, dann gerinnt das immer zu Karikatur, die spätestens als das erkannt wird, was sie ist, wenn sie an der Herstellung der bürgerlichen Fassade scheitern wie jetzt Volker Beck.
Homosexuelle wollen Bourgeois sein, aber nicht Citoyen
Schon vor 45 Jahren beschrieb Rosa von Praunheim den Homosexuellen, der sich nach der Bürgerlichkeit sehnt, in seinem Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers…“. Damals zeigte er, dass diese Homosexuellen noch spießiger, noch angepasster noch denunziatorischer (wie wir es besonders im Falle David Bergers sehen) sind als die üblichen opportunistischen Heterosexuellen. Sie äffen die Lügenwelt der Bourgeoise bis zur Groteske nach und scheitern dennoch. Weil nämlich schon das Vorbild, dem sie nacheifern, in sich bigott, verlogen und menschverachtend ist. Der Bürger ist das nichtauthentische Zerrbild eines Menschen; das ist schon für Heterosexuelle eine erschreckende Erkenntnis – umso mehr für einen Homosexuellen.
Damit wir uns recht verstehen, Volker Beck ist ein Redlicher – er glaubt als religiöser Mensch tatsächlich, daß es den Lieben Gott gibt wie die bürgerliche Ehe und für alle Menschen ein bürgerliches Wohlgefallen mit Sparkonto ohne Negativzinsen und dem heute alltäglichen Sonntagsbraten. Er hat mit Mut und Zähigkeit für die Verpartnerung und die Ehe für alle gekämpft, ebenso ironischerweise für eine Liberalisierung der Drogengesetze. Dass er sich allerdings auch für das Recht auf Knabenbeschneidung einsetzte, ist seiner eben auch bürgerlich-religiösen kognitiven Dissonanz zuzuschlagen.
Oberstes Gesetz: Du darfst dich nicht erwischen lassen
Jetzt hat sich Beck einen gravierenden Fehler geleistet, den ihm diese bürgerliche Gesellschaft nicht verzeihen wird: er hat sich erwischen lassen. Dabei hat er sich – und das ist anerkennenswert – so angestrengt und aufgerieben bei seiner politischen Arbeit, dass es wohl ohne die Entlastung durch Drogen nicht mehr ging. Ich kann es ihm nicht verdenken, denn das falsche Spiel in der bürgerlichen Demokratur ist mitunter nahezu mörderisch und ohne risikoreiche Selbstausbeutung und Betäubung nicht durchzuhalten. Da muss man zu Hilfsmitteln greifen. – Nur: die vielen anderen sind eben nicht erwischt worden. Und das oberste Gesetz der Bourgeoisie heißt: Du darfst dich nicht erwischen lassen…denn sonst lassen wir dich fallen wie eine heiße Kartoffel.
Wird so ein „Fehlverhalten“ entdeckt, bricht die Fassade, dann veranstalten die Selbstgerechten Freudentänze auf den Ruinen eines Lebens und einer Lebensanstrengung. Man ist gescheitert innerhalb des bürgerlichen Komödien- und Maskenspieles.
Die Homosexuellen, die sich so sehr nach „Normalität“ sehnen – wie jüngst auch wieder einmal von dem inkommensurablen Mirko Welsch von der „Schwulen Plattform“ in der AfD zu lesen – und das mit „Bürgerlichkeit“ gleich setzen, fallen ob ihrer Dummheit und/oder Gutgläubigkeit immer auf die Nase. Bürgerlichkeit ist eben nicht das faule Ausruhen auf dem Sofa oder dem geistigen Campingstuhl im Schrebergarten, es ist ein stetes Balancieren auf einer Schneide, man darf weder das heikle Gleichgewicht nach der einen oder anderen Seite verlieren und schon gar nicht einen Fehltritt riskieren, sonst zerteilt einen diese Schneide.
Jetzt hat sie Volker durchschnitten, abgeschnitten von seinem Image, seiner Redlichkeit, die keine Rolle mehr spielt und von seiner vergeblichen Normalität.
Bürgerliche Normalität heißt Assimilation
Bürgerliche Normalität, das ist Assimilation. Assimilation heißt Aufgabe, die Aufgabe des Eigenen, der Persönlichkeit in allen ihren Facetten. Den Druck dieser Assimilation kann man vielleicht zeitweise erleichtern z.B. durch Drogen (das gilt natürlich auch für die heterosexuellen Abgeordneten). Doch all das kostet einen Preis…am Ende kann man nur scheitern.
Das ist im Falle von Volker Beck tragisch – aber bei den vielen Homosexuellen, die sich wie dressierte Äffchen der bourgeoisen Normgesellschaft anbiedern, nur noch grotesk.
Und schließlich gibt es noch Zombies, jenseits von Gut und Böse, die die Anpassung vollständig durchlaufen haben wie das Korn das Mahlwerk in der Mühle. Am Ende des Zermahlens bleiben nur noch Hülsen übrig. So wie bei jenem zur traurigen Berühmtheit gelangten Marcel, dem domestizierten, kastrierten und evangelikal-verblödeten Schwulen, den man nun regelmäßig bei den „Demos für Alle“ vorführt. Er repräsentiert die einzige Lebensmöglichkeit, die der Normbürger dem Schwulen so gerade eben noch zugestehen mag: als Zombie im Käfig seiner Entäußerung, der Entfremdung von sich selbst.
Das traurige Scheitern Volker Becks, der allerdings gegen solches Zombietum gekämpft hat, aber zwangsläufig scheitern musste, zeigt uns:
Es gibt keine bürgerlichen Schwulen!
P.S.
Und siehe; nur zwei, drei Stündchen nach dem Schreiben dieses Textes, wirft die erwähnte Birgit Kelle auf ihrer Facebookseite triumphierend Dreck ins Netz: zur „Feier des Tages“ will ausgerechnet sie sich noch einmal „Breaking Bad“ ansehen, jene Serie über einen amerikanischen Klein- und Spießbürger, der groß ins Drogengeschäft einsteigt. Sie feiert natürlich den Fall eines Feindes und den fauligen Sieg ihrer Selbstgerechtigkeit.
Bürgerlichkeit, Bigotterie und Häme sind Synonyme. Und Kelles Adepten jubeln, dass ein linksgrünversiffter Schwuler, aus der erträumten Bürgerlichkeit gefallen ist.
Volker Beck hat guten Glaubens und Gewissens versucht, auf demokratischem Wege für Homosexuelle eine gleichberechtigte „Citoyen-Bürgerlichkeit“ zu erreichen. Er ist gescheitert am Doppelsprech, an der Verlogenheit, an der bourgeoisen Welt der Spieß-und Kleinbürger; alle Assimilation und Anpassung haben ihm nicht geholfen.
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