Von Erkenntnis

Bruno Schulz will uns am dritten Advent erleuchten


Das Leben ist kein ruhiger langer Fluss

das Erlebnis

Satori ist ein Begriff aus dem Zen-Buddhismus. Es stammt aus Japan und lässt sich am ehesten ins Deutsche übersetzen mit „Verstehen“. Dabei geht es um ein ganz besonderes Erlebnis: nicht mehr und nicht weniger als um „Erleuchtung“. Und um Erkenntnis. Um das Verstehen des Daseins als universelles Wesen. Es ist mehr als die geistige Erfahrung des „Kenshō“, der Selbst-Wesensschau, in der man die Natur des eigenen Seins findet und darüber hinaus die alles Seienden. Ein Maßstab, eine Ordnung für das Selbst.

das Ereignis

Satori zu verstehen, verlangt persönliche Erfahrung. Dazu gibt es unterschiedliche philosophische Ansätze. Heute versteht man Satori als plötzliches, akutes und unerwartetes Ereignis mit langandauernder Vorbereitung. Satori ist eine Entgrenzungserfahrung. Frei vom Ich und der Zeit. Eine ganzheitliche Erfahrung von Leere und Glück. Und die Leere ist zugleich auch eine Loslösung von begrenzendem, nicht begrenztem Intellekt, von eingrenzendem Geist.

die Befreiung

Das beschäftigt mich nun schon einige Zeit, ich mochte mich allerdings nie allzu sehr exklusiv auf ein gedankliches Modell oder auf einen einzigen philosophischen Überbau einstellen. Die Welt ist zu bunt, zu abwechslungsreich und auch zu schön. Wenngleich ich den ein oder anderen Weg auch sehr gerne bewusst ein Stück mitlaufe. Mich zum Beispiel gerne mit den Kōans beschäftige. Das sind komplexe, oft paradoxe Sätze, die es lohnt, zu hinterfragen. Sich daran zu wetzen und zu schärfen. Zu meditieren, wenn man so möchte. Man kann sich im wahrsten Sinne des Wortes in ihnen „vertiefen“. Und ausbrechen: sich von Gedanken lösen und von Emotionen, Empfindungen und Befindlichkeiten. Man kann sich in ihnen verlieren. Und im richtigen Moment mit einem Satz befreien. Eben hin zum Satori.

der Augenblick

Eine vorsichtige Idee von einem solchen Schlüsselerlebnis bekam ich vor einigen Jahren, an einem trägen, müßiggängigem Sonntagmorgen, als ich am Badezimmerfenster die Wolken in ihrem Spiel beobachtete. Rorschach am Himmel mit figürlichen Bezügen in das Revuepassieren der letzten Tage. Im Bewusstsein des Selbst. Es fühlte sich für einen kaum messbaren Augenblick an, als würde die Zeit stehen. Ruhe und Bewegung zugleich. Unbestimmt. Und unbestimmbare Leere. Wunderbar. Der Augenblick in Aspik.

die Bewusstwerdung

Den gedanklichen Bezug zum Satori hat mir eine Freundin hergestellt. Nein, es geht hier sicher nicht um die Bewertung eines winzigen Moments im Maßstab des Zen-Buddhismus. Ganz sicher nicht. Aber es geht vielleicht darum, eine Vorstellung davon zu bekommen, sich zu sensibilisieren auf das „mehr“. Auf das heute und auf das jetzt. Das hat mit Demut zu tun. Nicht nur ein bisschen. Und es ist verdammt erholsam.

„Unser ganzes Dasein ist flüchtig wie Wolken im Herbst; Geburt und Tod der Wesen erscheinen wie Bewegung im Tanz. Ein Leben gleicht dem Blitz am Himmel, es rauscht vorbei wie ein Sturzbach den Berg hinab.“ (Buddha)

Bruno Schulz

Bruno Schulz ist zweiundfünfzig Jahre alt und Vater eines Sohnes. Er hat Innenarchitektur studiert und einiges Geisteswissenschaftliche. Nach einigen Stationen in Deutschland, Europa, in Asien und in Afrika arbeitet er als Designer, Texter und Moderator. Mit seiner Agentur schulzundtebbe (www.schulzundtebbe.de) entwickelt und pflegt er Marken. Er liebt und lebt das Storytelling und schreibt immer und leidenschaftlich. Essays, Short Stories, Reiseberichte, dies und das. Oft geht es dabei um die Liebe, das Leben, Genuß und Kultur. Und um Frauen, natürlich.

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