Gefangen in der Echokammer: Ein Wort zur Bundestagswahl

Ob Facebook, Instagram oder Twitter, seit ein paar Wochen dreht sich alles nicht um die Bundestagswahl, sondern um seine Stimme gegen die Afd zu erheben. Doch wen möchten die Menschen in ihrer Social Media Blase eigentlich erreichen, fragt sich die Kolumnistin.


Meine Stimme gegen Rechts, mit mir 90%, Afd ist nicht ok… mit bunten Bildern, stimmungsmachenden Parolen und großer Typo ging der Wahlkampf auf Social Media los. Doch lauter als so manche Partei, waren die gar hetzerischen Laute der Normalos, die sich pünktlich zur Wahlzeit dazu berufen fühlen, ihre politische Meinung kundzutun. Da macht es auch nichts, wenn das Facebook-Profil nicht öffentlich und somit nur für die „Freunde“ einsehbar ist. Ist ja auch viel schöner, Gleichgesinnten seine Meinung aufs tägliche Butterbrot zu schmieren, als sich mit Andersdenkern auseinanderzusetzen.

Gefangen in einer Echokammer, schaukeln sich alle gegenseitig die Eier und erfreuen sich an der Wonne ihrer Meinung, die sie immer und immer wieder zu hören bekommen. Hach, fast so schön mollig, wie im Mutterleib. Doch bei all den Parolen gegen Rechts kamen hier und da, was man eigentlich strikt zu unterbinden versucht, Ängste hoch. Denn während man Terror die Kalte Schulter zeigt und sich mit gekonnter Ignoranz rühmt, darf man durchaus vor der Afd frösteln. Ist ja auch viel schlimmer, als ein Attentäter mit Lastwagen oder Bombengürtel. Huch, oder etwa doch nicht? „Oh Gott, was ist, wenn die Afd über 18% kommt?“, „Nein, so schlimm wird es nicht, aber es wird schlimm!!“, lauteten viele Dialoge, die man eigentlich gar nicht mit verfolgen wollte.
Doch sie waren zum Teil so spannend geschrieben, dass sie sich wie ein Thriller lasen. Die Afd, das große Psychomonster, das uns alle mit seinem Nazi-Gedankengut vernichten wird. Gute Nacht, Deutschland.

Traurerflor, trauriger Smiley, cry me a river

Auch Menschen mit dem weitverbreiteten Lehrersyndrom waren mit der Bundestagswahl gut bedient. So konnten sie mehrfach täglich ihren Freunden erklären, wie wichtig es ist, an genau dieser Wahl teilzunehmen. Dem erhöhten Strapazieren der Gehirnzellen vorzubeugen, gab es glücklicher Weise auch hierfür so einige farbenfrohe Vorlagen mit flotten Sprüchen, die genutzt werden konnten. Zum Wahlschluss stimmten sie einen Kanon mit all jenen an, die bereits per Briefwahl abgestimmt hatten (die besonders schlauen unter uns, schließlich hatten sie sonntags etwas Besseres vor, denken Sie mal darüber nach!).
Und je später der Abend nun wird, desto mehr kocht die Stimmung hoch. Die bereits erwartete Enttäuschung entlädt sich in einem Schwall von Hass und Wut, Fuck Afd-Profilbildern und anderen Ausbrüchen. Hochemotional und empört, äußern sich sogar jene, die die ganze Zeit über die Klappe hielten. Manche holen auch einfach den Trauerflor raus, den sie bereits beim Brexit und Trump-Sieg nutzten. Geht ja alles so einfach auf Social Media.
RIP Deutschland, trauriger Smiley, alle doof, wir sind die Guten. Und für alle, die sich mit diesem Text angesprochen fühlen: Cry me a river, that’s fucking democracy.

Alissia Passia

Die gebürtige Berlinerin blieb bis heute der Hauptstadt treu, obwohl sie zu ihr eine gewisse Hassliebe pflegt. Kein Wunder, dass sie diesen inneren Konflikt auch gerne in ihrer Kolumne thematisiert. Passia hospitierte im Hause Axel Springer, wo sie ebenfalls nebenberuflich tätig war. Seit 2006 ist sie im Bereich Werbetext für verschiedene namhafte Agenturen, wie Jung von Matt oder BBDO, tätig. Sie konzipierte ebenfalls mehrjährig auf Kundenseite und zuletzt in der Berliner Agentur für digitale Transformation. Dem Digitalen bleibt Passia auch zukünftig treu und macht "irgendwas mit Medien".

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