Immer auf die Presse

Kränkelnde Verlage und geschwächte Redaktionen gehen uns nix an? Ganz sicher doch, findet Hasso Mansfeld. Warum Wirtschaft und Gesellschaft starke Medien brauchen, was falsch läuft und wo die Reise jetzt hingehen sollte.


Der deutschen Medienlandschaft geht es nicht gut. Die großen Zeitungen haben die Möglichkeiten des Online-Journalismus verschlafen oder dessen Fallstricke unterschätzt. Hinzu kommt, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Lesern und Presse sowie zwischen TV und Zuschauern bröckelt.  Der Kampfbegriff „Lügenpresse“ wird  für immer mehr Menschen anschlussfähig.

Jetzt droht eine bittere Krise – eine für die Meinungsvielfalt in unserer Demokratie besorgniserregende. Haben wir die Bedeutung guter Berichterstattung vergessen? Die Freiheit der Presse ist in Deutschland im Grundgesetz festgeschrieben. Für eine wirtschaftliche Branche ist das ein Alleinstellungsmerkmal. Und ausgerechnet dieser Branche droht Ungemach. Ihre Bedeutung schwindet, die Verlage ringen um Lösungen und der Politik fällt zu alldem nichts ein.

Kostenlos als Gewohnheitsrecht

Das alles hat etwas mit Freiheit zu tun. Eine Freiheit, die wir auf keinen Fall zur Disposition stellen sollten. Genau deshalb haben sich Politik und Verlage der sich anbahnenden Zeitungskrise zu stellen. Fragt man Verleger und Redakteure nach den Ursachen der Misere, hört man, es sei diese verdammte Internet-kostenlos-Mentalität ihrer Kunden. Aber das sind nur die Geister, die man selber rief. Denn die Onlineausgaben der meisten Zeitungen waren so lange kostenlos zugänglich, dass viele Leserinnen und Leser nun ein Gewohnheitsrecht ableiten.

Zwar verkünden die großen Verlage selbstbewusst, sie schrieben mittlerweile im Netz schwarze Zahlen. Doch diese Meldungen sind größtenteils Nebelkerzen: Die Verlage verdienen im digitalen Geschäft mit Hotelzimmervermittlungen oder Autovermietungen. Angebote, die mit dem Presseerzeugnis nur indirekt zu tun haben. Die digitalen journalistischen Produkte der Verlage aber spielen wirtschaftlich keine Rolle – weniger noch: sie sind zusätzliche Verlustbringers neben dem erodierenden Print-Geschäft.

Angesichts dieser Umstände liest sich die populäre Wutbürger-These, die deutschen Medien seien gleichgeschaltet und hätten zu viel Macht, geradezu ironisch. Was hier als Macht in Erscheinung tritt, ist die Einförmigkeit der selbstverschuldeten Ohnmacht. Und was den Anschein eines Gleichklangs vermittelt, ist im schlimmsten Fall der gleichtönende jammervolle Abgesang.

Wie nahe dran ist man an der Realität, wenn man konstatiert, dass sie drohende Zeitungskrise ein exemplarischer Fall von Missmanagement der Verlagsbosse ist? Dem Rückgang ihrer Leserschaft setzen man krude Sparmaßnahmen entgegen. Solche, die nicht selten mit Qualitätsverlusten einhergehen. Der so erzeugte schrittweise Niedergang des Standards führt nun dazu, dass sich weitere Leser abwenden – fertig ist die gefährliche Abwärtsspirale, aus der sich die Verlage kaum noch selbst befreien können.

Eine Zensur findet nicht statt

Gewiss, Verlage könnten sich zusammenschließen, etwa gemeinsame Bezahlmodelle entwickeln, die für den Leser komfortabler sind, als die individuellen Schranken jeder einzelnen Seiten. Ein freiwilliges, ein übergreifendes Krisenkonsortium wäre hilfreich, sich endlich über Qualitätsstandards und Selbstverpflichtungen zu einigen um dem Absturz entgegenzuwirken. Aber nein, stattdessen belauert man sich lieber selbst und macht weiter wie bisher.

Es hilft nichts. Es wird wohl Zeit für die Politik den ordnungspolitischen Rahmen neu auszuloten um einen funktionierenden Wettbewerb in unserer Presselandschaft zu ermöglichen. Der dazugehörige Auftrag ist doch da. Man kann ihn sogar nachlesen: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.

Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Der fünfte Artikel unseres Grundgesetzes. Dieses aktuell so vielbeschworenen deutschen Leitsystems. Indes: unsere Politiker schert das wenig. Aus den Parteien hört man nichts. Funkstille. Alles nur auf Empfang gestellt. Die Sensoren lauschen in alle möglichen Richtungen. Jede Befindlichkeit wird aufgespürt: Was fehlt, ist die Auswertung und die Reaktion. Die Handlungsmaxime.

Die Vierte Gewalt schwankt

Die medienpolitischen Sprecher der Parteien, die pressepolitischen Sprecher der Fraktionen, die Bundesregierung – alle ducken sich weg und spielen Verstecken. Warum eigentlich? Bei wirtschaftlichen Problemen anderer Branchen hierzulande ist das Geschrei der Politik doch gleich groß. Gilt das nur für das produzierende Gewerbe? Denn scheitert hierzulande ein Einzelhändler, ein Baukonzern oder darbt ein Automobilunternehmen an der eigenen Misswirtschaft, ist das politische Krakeele nach Rettungspaketen und Subventionen für gewöhnlich sehr laut. Aber wenn die „vierten Gewalt“ ins Schwanken gerät, hört man eine Stecknadel fallen.

Politiker diffamieren gerne Journalisten die ihre Job ernst nehmen. Wie gelegen kommt am Ende den politischen Akteuren der drohende, der schleichende Niedergang der deutschen Presse? Passt es den Parteien sogar in den Kram, wenn die eigenen Pressemeldungen in den Redaktionen nur noch nachgeplappert oder direkt Wort für Wort über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verkündet würden? Schauen wir doch mal, wie Politiker mit Journalisten umgehen, die ihren Beruf ernst nehmen und recherchieren.

Von „Schweinejournalismus“, sprach einst Oskar Lafontaine, als Kuno Haberbusch dessen Nähe zum Saarbrücker Rotlichtmilieu offen legte. Die heutige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles bezeichnete die Enthüllungen rund um Kurt Beck und die „Nürburgring Affäre“ bei der mehr als eine halbe Milliarde Steuermittel in den Sand gesetzt wurden  als „beispiellose Medienkampagne“. Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder behauptete  über die Springer-Presse: „Die wollen uns kaputt machen.“ Der Berliner Verlag betreibe „Kampagnen-Journalismus gegen die SPD“. Sein Vorgänger Helmut Kohl ließ seine Einstellung zur freien Presse erkennen, indem er einem Spiegel-Journalisten sagte: „Von allen ihren deutschen Kollegen stellen Sie in Deutschland die dümmsten Fragen“  Aber auch im Kleinen wird die Einstellung von Politikern zu Medien offenbar: so sann die SPD-Bundestagsabgeordnete Birgit Kömpel auf Wege – eine fehlgeleitete E-Mail legte das offen –  der „Fuldaer Zeitung“ „einen Strich durch die Rechnung“ zu machen. Der Grund: die Redaktion lehnte es zurecht ab, einen reinen Selbst-Reklametext von ihr zu veröffentlichen.

Klar gibt es Beispiele, in denen Medien über jedes vernünftige Maß hinaus schießen. Man denke nur an die Bobby-Car Affäre im Vorfeld des Rücktritts von Bundespräsident Wulff. Aber sogar solche Auswüchse haben ihren Ursprung in Sparmaßnahmen: Wo eine Meldung abgeschrieben gehört, weil selbst keine Meldungen mehr recherchiert werden können, stürzen sich die von echten Informationen abgeschnittenen Medienmacher darauf.

Nichts hören, sehen, sprechen

Nein, die Diffamierung engagierter Journalisten bei gleichzeitigem Schweigen über die Probleme unserer Presse ist da kein konstruktiver Lösungsansatz. Die Medien gelten nicht umsonst als vierte Gewalt im Staate. Ihre Bedeutung wird in allen politischen Theorien seit der französischen Revolution vehement und zu Recht betont. Leidet die freie Presse, leidet die Demokratie. So einfach und doch so schwierig ist das: Die Zeitungskrise ist heute ein politisches Problem. Wenn es eine Branche gibt, die es tatsächlich verdient „gerettet“ zu werden, dann ist es die Medienbranche.

Wo der Markt sich nicht selbst regulieren kann, sind politische Lösung gefordert. Aber besser, mit minimalinvasiven Maßnahmen zu starten, als die drei Affen zu machen. Die vierte Gewalt darf nicht länger als unliebsamer Gegner begriffen werden, sondern muss als notwendiger Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft anerkannt und vor allem: politisch endlich thematisiert werden. Politische Akteure sind dem Grundgesetz verpflichtet. Und es ist kein so großer Umweg, daraus die verdammte Pflicht abzuleiten, ein positives, kein ablehnendes Verhältnis der Öffentlichkeit zur Presse zu kultivieren.

Sind wir mutig. Setzen wir ein Zeichen. Wie wäre es mit  der Mehrwertsteuerbefreiung für Presseerzeugnisse? Presseorgane sind Bildungsorgane, und warum sollte Bildung, der Motor einer freien Gesellschaft, besteuert werden? Vor allem aber müssten bestehende Wettbewerbsverzerrungen abgebaut werden. Die öffentlich-rechtlichen Sender sollten sich vom Quotendruck befreien und sich auf die Grund(!)versorgung der Bevölkerung mit Informationen  besinnen. Sie könnten sich auf ihren im Staatsvertrag festgeschriebenen Bildungsauftrag konzentrieren, statt mit seichten Unterhaltungssendungen den Privaten Konkurrenz machen zu wollen. Und weg mit der Werbung aus ARD und ZDF.

Marktradikaler Libertarismus

Überlegen wir doch mal, was wir zu verlieren haben: noch existiert doch in Deutschland eine hochdiverse Presselandschaft mit funktionierenden Redaktionen. Doch diese Presse zehrt von ihrer Substanz. In der schwierigen Übergangszeit von Print zu Digital, in der wir uns schon seit längerem befinden, muss die freie Presse nicht nur vor staatlichen Eingriffen, sondern womöglich auch vor einem instabilen Märkten geschuldeten Selbstauflösungsprozess geschützt werden.

Marktradikaler Libertarismus, der darauf wartet, dass sich die Sache irgendwann von selbst wieder regelt, hat keine Antworten auf wichtige Fragen: Wie lange wird das dauern? Auf welchem Niveau stellt sich ein neues Gleichgewicht ein?

Es sollte in einer Demokratie ein vitales Interesse bestehen, die Meinungspluralität im Land zu erhalten. Das sollten wir uns dann auch etwas kostenlassen. „Cash for work“, wie die Kanzlerin in ihrer letzten Regierungserklärung mehrfach in anderer Sache anglizierte.

Vergessen? Ein wesentliches Merkmal der Demokratie ist übrigens der Diskurs. Ihre Attitüde ist der öffentlich ausgetragene Streit. Und die Demokratie braucht Transparenz. Das ist nur durch eine freie und unabhängige Medienlandschaft zu gewährleisten. Daher verbieten sich Dogmen bei der Beantwortung der Frage, wie auf Monopolstellungen und weitere für die Demokratie nicht wünschenswerte Entwicklungen reagiert werden soll.

 

Hasso Mansfeld

Mit seinen Kampagnen Ostpakete für den Westen und Bio goes Lifestyle setzte Hasso Mansfeld gesellschaftliche Akzente. Er ist Diplom-Agraringenieur und fand durch seine Karriere in der Markenartikel-Industrie zur Publizistik. Viermal wurde er mit dem deutschen PR-Preis ausgezeichnet. Gemeinsam mit Christoph Giesa organisierte er die Facebookkampagne „Joachim Gauck als Bundespräsident“ und hat die liberale Ideenschmiede FDP Liberté im Netz initiiert. Mansfeld trat als Kandidat der FDP für die Europawahl an. Hasso Mansfeld arbeitet als selbstständiger Unternehmensberater und Kommunikationsexperte in Bingen am Rhein.

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