Freund Hein kam nicht rein

Seit Montag konnte ich mich von den Segnungen unseres oft kritisierten und gescholtenen Gesundheitssystem überzeugen. Dank des perfekten Zusammengreifens vieler Akteure lebe ich noch.


Fast wäre meine Kolumne vom letzten Samstag meine letzte Kolumne gewesen.

Am Montag, dem 1.2.2016 gegen 5 Uhr morgens, erlitt ich einen Herzinfarkt. Wobei erlitt der falsche Begriff ist, richtiger ist wohl, erlebte. Ich wurde wach und verspürte leichte Rückenschmerzen, so wie wenn man sich verlegen hat, nichts dramatisches.

Nach dem Duschen schien das schon besser zu sein. Also ab in die Kanzlei. Ein paar Telefonate, die Post, einige Schriftsätze, nicht besonderes. Nachmittags wollte ich ein paar auswärtige Termine machen. Nach dem Mittagessen immer noch leichte Rückenschmerzen. Ich hatte schon schlimmere.

Kurz vor 14 Uhr fuhr ich Richtung meines 1. Nachmittagstermins, der ca. 35 Kilometer entfernt lag. Ich schaltete mir die Sitzheizung ein, um die Rückenschmerzen mit Wärme aufzulösen. Aber schon nach 5 Kilometern beschlich mich ein merkwürdiges Gefühl. Nicht dass die Schmerzen mehr oder gar beängstigend geworden wären. Nein, keineswegs. Es machte sich auch weder Angst noch Panik breit. Gleichwohl fuhr ich wieder nach Hause und bat meine überraschte Frau, den Notarzt zu rufen.
Das hatte ich bei vergangenen Besuchen mit anderen Personen im Krankenhaus gelernt. Nie selber dorthin fahren und unter Umständen stundenlang in der Ambulanz abhängen bis man u.U. schon den Löffel abgibt, sondern den Notarzt rufen und mit Tatütata und Blaulicht von hinten in die Notaufnahme.

Keine 5 Minuten nach dem Anruf standen der Notarzt und die Rettungssanitäter schon in unserem Wohnzimmer, schrieben ein EKG, der Notarzt hörte mich ab und meinte, es wäre wohl besser mit ins Krankenhaus zu kommen. Ja, war es wohl. Das EKG sei nicht ganz sauber und eine Herzkatheteruntersuchung sicherheitshalber sinnvoll. Ja, fand ich auch.

Post ab

Und dann ging die Post so richtig ab. Aus dem Rettungswagen ging es Nonstop gleich in das Herzkatheterlabor im Keller. Vom Anruf bis auf den Tisch hat es keine 25 Minuten gedauert. Ratzfatz wurde ich rasiert, desinfiziert und die Untersuchung ging los. Für Neugierige wie mich, ein spannendes Erlebnis. Ich konnte alles bei örtlicher Betäubung der Eintrittsstelle beobachten und den fetten Gefäßverschluss selbst sehen. Ich bin nicht Spock, aber das war wirklich nicht gruselig, sondern absolut faszinierend. Auch wie das Gefäß mit einem Ballon „aufgeblasen“ und ein Stent gesetzt wurde. Die Worte, ja, das war ein Herzinfarkt, wären gar nicht nötig gewesen. Ich lebe.

Warum erzähle ich Ihnen das und was hat das mit der Kolumne „Recht klar“ zu tun?

Nun ja, wovon das Herz voll ist, davon geht der Mund über, wäre eine Erklärung. Aber ich möchte auch  noch ein paar andere Sachen los werden.

Kein Drama, keine Panik

Aus Film, Funk und Fernsehen kennt man den Herzinfarkt immer als hochdramatisches Ereignis. Die Kontrabässe und die Celli legen einen beängstigenden Klangteppich, in den dann die Geigen mit Dissonanzen hineinschneiden. Blitz, Donner, tonnenschwere Last, Engegefühl, Panik, angstvolle Blicke.
Wenn’s denn immer so wäre, wäre es leicht einen Infarkt zu erkennen. Nichts von alledem habe ich erlebt und ich wundere mich jetzt noch, was mich dann letztendlich veranlasst hat, den Notarzt rufen zu lassen. Es war ein „harmloses“ Ziehen im Rücken, mehr nicht. Es wurde auch nicht schlimmer. Und es war das erste Mal seit rund 30 Jahren, dass ich mich freiwillig in ein Krankenhaus begeben habe. Ich hatte es auch nicht wirklich für nötig gehalten. War es aber. Wäre ich zuhause geblieben, dann wäre ich jetzt mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit tot. Also, wenn Sie nicht überflüssigerweise zu früh den Löffel abgeben möchten, rufen Sie lieber mal zu viel als einmal zu wenig den Notarzt.

Choreographie des Rettens

Wenn ich mir die Perfektion und das Zusammenspiel der einzelnen Akteure, vom Fahrer des Notarztwagens über den Notarzt, die Kardiologen, das Pflegepersonal und selbst die Küche ansehe, dann bin ich begeistert von dieser Choreographie des Rettens. Obwohl das Krankenhaus rappelvoll war und die Rettungshubschrauber wie Geier über dem Gebäude kreisten, kam nie eine für den Patienten unangenehme Hektik auf. Es wurde schnell und präzise gearbeitet und ein Rädchen griff ins andere. Ich denke nicht, dass ich in einem Entwicklungsland oder in einem Bürgerkriegsgebiet überlebt hätte. Und ich kann gut verstehen, dass auch kranke Menschen nach Deutschland fliehen, um von dieser Medizin zu profitieren.

Klar habe ich auch juristische Unzulänglichkeiten mitbekommen, z.B. ein Aufklärungsgespräch bei meinem Zimmernachbarn, das aufgrund sprachlicher Probleme vermutlich wenig an Information brachte. Aber ganz ehrlich? Wenn man alle Juristen, die die juristischen Hürden für Ärzte immer höher hängen, mal für ein paar Tage auf eine Intensivstation legen würde, dann wären sie womöglich etwas gnädiger im Zusammenhang mit Aufklärungs- und Dokumentationsfehlern. Mir war jedenfalls Recht, dass die sich alle mehr um die Patienten als um die Formalien gekümmert haben und dass sie den an meiner Türe klopfenden Freund Hein, freundlich aber bestimmt erst mal abgewiesen haben. Irgendwann kommt der zwingend wieder, aber das hat jetzt Zeit.

Allen Ärzten und Mitarbeitern des Marienhospitals Euskirchen möchte ich „von Herzen“ danken. Ohne die gäb’s mich nicht mehr – und damit auch nie mehr „Recht klar“.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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