Gegner nicht Partner

Nach wie vor gilt Saudi Arabien als Partner, sowohl in der Wirtschaft als auch im Kampf gegen den islamistischen Terror. Ein Irrtum mit fatalen Folgen!


Die Lürssen Werft in Bremen macht das große Geschäft. 15 Patrouillen-Boote werden für Saudi Arabien produziert. Kosten: 1,5 Milliarden Euro. Das Wirtschaftsministerium, das über die Ausfuhrgenehmigungen zu entscheiden hat, macht bislang keine Einwände gegen diesen Waffendeal geltend, obwohl ausgerechnet Sigmar Gabriel nach der saudischen Massenhinrichtung Anfang des Jahres strengere Regeln für deutsche Rüstungsexporte nach Saudi Arabien forderte.

Das große Geschäft

In anderen westlichen Ländern sieht es kaum anders aus. Kanada hat kürzlich einen Waffendeal über 15 Milliarden Dollar mit dem Königreich abgeschlossen und auch Großbritannien ist groß im Geschäft. Um dieses auch in Zukunft nicht zu gefährden, wurde Saudi Arabien nicht auf die britische Liste jener Länder aufgenommen, in denen nach wie vor die Todesstrafe vollzogen wird. Man will das Regime am Golf nicht an den Pranger stellen und damit womöglich verärgern.

Nur kurz währte der Schock über die Hinrichtung von 47 Menschen am 2. Januar dieses Jahres, darunter der bekannte schiitische Geistliche Nimr al-Nimr. Nach einem kleinen diplomatischen Geplänkel ging man in westlichen Regierungen wieder zur Tagesordnung über: Saudi Arabien braucht Waffen und Know-how und ist bereit dafür gut zu bezahlen. Das wollen wir uns doch nicht wegen ein paar Toten vermiesen lassen. Al-Nimrs Neffe Ali Mohammed al-Nimr wartet nach wie vor auf seine Hinrichtung. Er soll geköpft und anschließend sein Leichnam am Kreuz zur Schau gestellt werden. Auch der palästinensische Dichter Aschraf Fajadh wartet auf die Vollstreckung des Todesurteils, weil er in seinen Büchern den Atheismus propagiert habe.

Menschenrechte?

Raif Badawi sitzt ebenfalls, wie auch sein Anwalt Waleed Abu al-Khair, noch immer im Gefängnis. Die Liste der in Haft befindlichen Dissidenten ist lang und wird ständig länger, so dass es kaum möglich ist, sie alle hier zu nennen. Einige wenige sollen stellvertretend für all die anderen stehen: Sheikh Suliaman al-Rashudi, ein 76jähriger ehemaliger Richter, verurteilt zu 15 Jahren Haft wegen des Aufbaus einer Menschenrechtsorganisation. Abdullah al-Hamid, Menschenrechtsaktivist, zu 5 Jahren Haft verurteilt. Fadhel al-Manasif, Menschenrechtsaktivist und Schiit, zu 14 Jahren Haft verurteilt wegen Protesten gegen die Unterdrückung der schiitischen Minderheit. Keiner von ihnen hat auch nur annähernd das bekommen, was man gemeinhin als faires Verfahren bezeichnet. Ein Anwalt vor Gericht ist Luxus, nicht Normalität und hat man einen, erfährt dieser oft genug erst im Nachhinein von Anhörungen seiner Klienten vor Gericht. Kurz gesagt: Die minimalsten Rechte eines Angeklagten werden in Saudi Arabien missachtet, das Wort Menschenrechte ist im offiziellen saudischen Wortschatz unbekannt.

Das alles scheint aber nicht auszureichen, die europäischen und amerikanischen Regierungen davon zu überzeugen, ihre „Partnerschaft“ mit Saudi Arabien zu überdenken.

Der Feind, den wir füttern

Neben dieser unausgesetzten Verletzung der Menschenrechte ist kein anderes Land so aktiv darin, die eigene, radikal islamistische Ideologie weltweit zu verbreiten. Mit den im Westen erstandenen Waffen führt das Regime Kriege wie im Jemen, rüstet bewaffnete Organisationen aus wie im Irak und in Syrien und finanziert einen ideologischen und bewaffneten Untergrundkrieg gegen den Westen und den Rest der Welt. Eine kleine Zeitungsmeldung aus der vergangenen Woche sollte aufhorchen lassen: Im Vorjahr deckte das Wall Street Journal auf, dass auf privaten Konten des malaysischen Regierungschefs Najib Razak die beträchtliche Summe von 681 Millionen Dollar gelandet war. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, woher dieses Geld kam: Direkt von der saudischen Königsfamilie. Es wurde unterdessen zurück überwiesen und die Staatsanwaltschaft in Malaysia sieht keinen Grund für weitere Erhebungen, sei diese „Geldspende“ doch alleine Sache des Regierungschefs und der saudischen Regierung. Man liegt aber wohl nicht ganz falsch mit der Annahme, dass die großzügigen Spender von 681 Millionen Dollar nicht nur einen etwas aufwendigen Lebensstil des Premiers finanzieren wollten.

In Bosnien und Mazedonien kann man sich ansehen, wofür Saudi Arabien gerne bereit ist, Öl-Milliarden fließen zu lassen: In Mazedonien werden Ordensklöster des Bektasi-Ordens seit einigen Jahren gezielt von Salafisten übernommen, die finanziell und logistisch aus Saudi Arabien unterstützt werden. In Bosnien wiederum kaufen radikale Islamisten, ebenfalls mit saudischem Geld, großflächig Land auf. Im Kanton Bihac, nahe der kroatischen Grenze, haben sich die Wahabiten in zahlreichen Gruppen organisiert. Ganze Dörfer dürften bereits in ihrer Hand sein. Das sollte die europäischen Regierungen und Behörden eigentlich beunruhigen, denn von dort aus ist ein Grenzübertritt in den Schengen Raum nur dann ein Problem, wenn man sich von einem Schild mit der Aufschrift „Stopp“ abhalten lässt.

Erst vor wenigen Tagen hat Europol vor terroristischen Ausbildungslagern auf dem Balkan und selbst innerhalb der EU, etwa in Slowenien, gewarnt – vor Lagern, die zumindest zum Teil aus Saudi Arabien finanziert werden. Bekannt ist das alles schon lange. Bereits 2010 hat die bosnische Regisseurin Jasmila Zbanic die Propaganda der Wahabiten und das Entstehen salafistischer Dörfer in ihrem eindringlichen Film Na putu (deutsch: Zwischen uns das Paradies) verarbeitet.

Unser Partner hat uns den Krieg erklärt

Kurz gesagt: Jenes Land, das von westlichen Regierungen nach wie vor als Partner im Kampf gegen den Terrorismus betrachtet wird, finanziert islamistische Propaganda und letztlich auch den Terrorkrieg gegen Europa. Saudi Arabien ist nur in den Wunschträumen westlicher Politiker ein Partner, in der Realität hat das Land uns schon lange den Krieg erklärt. Im Kampf gegen den IS und andere Terroristen ist Saudi Arabien Teil des Problems und nicht der Lösung. Es wird Zeit, dass diese Erkenntnis in europäischen Regierungszentralen ankommt und sich in den wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zum Regime in Riad niederschlägt.

Heiko Heinisch

Nach Abschluss des Geschichtsstudiums arbeitete Heiko Heinisch u.a. am Ludwig-Boltzmann-Institut für historische Sozialwissenschaft. Nach längerer freiberuflicher Tätigkeit arbeitet er seit Mai 2016 als Projektleiter am Institut für Islamische Studien der Universität Wien. Nach längerer Beschäftigung mit den Themen Antisemitismus und nationalsozialistische Judenverfolgung wuchs sein Interesse an der Ideengeschichte, mit Schwerpunkt auf der Geschichte der Ideen von individueller Freiheit, Menschenrechten und Demokratie. Er hält Vorträge und veröffentlichte Bücher zu christlicher Judenfeindschaft, nationalsozialistischer Außenpolitik und Judenvernichtung und widmet sich seit einigen Jahren den Problemen, vor die Europa durch die Einwanderung konservativer Bevölkerungsschichten aus mehrheitlich islamischen Ländern gestellt wird. Daraus entstand das gemeinsam mit Nina Scholz verfasste Buch „Europa, Menschenrechte und Islam – ein Kulturkampf?“ im Wiener Passagen Verlag (2012). Er ist Mitglied des Expert_Forum Deradikalisierung, Prävention & Demokratiekultur der Stadt Wien. Im März 2019 ist das gemeinsam mit Nina Scholz verfasste Buch „Alles für Allah. Wie der politische Islam unsere Gesellschaft verändert“ im Molden Verlag erschienen.

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