Das „Ende der Neuzeit“? Zum 100. Jahrestag der Schrift von Nikolaj Berdjajew „Das Neue Mittelalter“
Nikolaj Berdjajew, dessen 150. Geburtstag vor kurzem gefeiert wurde, gehörte zu den wenigen russischen Exildenkern, die im Westen zu beträchtlichem Ruhm gelangten. Gefestigt wurde dieser Ruhm in erster Linie durch seine Schrift „Das Neue Mittelalter“, die er kurz nach seiner Ausweisung aus Sowjetrussland veröffentlichte, und deren Erscheinen sich im Jahre 2024 zum 100. Mal jährte. Historische Kolumne von Leonid Luks.

Nikolaj Berdjajew und die deutsche „Konservative Revolution“
Mit dem Buch „Das Neue Mittelalter“, vor allem aber mit seinem Titel, traf Nikolaj Berdjajew den Nerv der Epoche. Mit seinen Überlegungen ging er weit über das spezifisch Russische hinaus. Allerdings wäre diese Schrift ohne die Erfahrung der russischen Katastrophe von 1917-1921 undenkbar gewesen. Im Osten hatte sich nämlich vieles angebahnt, was den Westen noch erwartete. Aufgrund der Erfahrung, die ihnen zuteilwurde, fühlten sich deshalb die entwurzelten und in der Regel mittellosen russischen Emigranten den Westeuropäern in mancher Hinsicht überlegen. Sie trugen ein Geheimwissen in sich, das sie den Menschen in ihrer neuen Umgebung unbedingt weitergeben wollten. Ihre Botschaft wurde aber selten gehört. Zu den wenigen Ausnahmen gehörte insoweit Nikolaj Berdjajew. Sein 1924 geschriebenes Buch wurde schnell in westliche Sprachen übersetzt und begann nicht nur den russischen, sondern auch den gesamteuropäischen Diskurs zu prägen.
Berdjajews Botschaft war unmissverständlich: Der Erste Weltkrieg und die russische Revolution hätten der Neuzeit, die mit solchen Begriffen wie Humanismus, Aufklärung, Fortschrittsglaube, Individualismus usw. assoziiert wurde, ein Ende gesetzt. Europa befinde sich nun in einer Umbruchphase, die an die Zeit des Zusammenbruchs des altrömischen Reiches erinnere. Es würden nun auch die Konturen einer neuen Epoche sichtbar, die die Neuzeit ablöse, und die von Berdjajew als „Das Neue Mittelalter“ bezeichnet wurde. Wie wird dieses neue Zeitalter von Berdjajew charakterisiert?
Im Gegensatz zur Neuzeit, die im grellen Licht der Vernunft die mystischen und sakralen Elemente des Daseins aus dem Bewusstsein verdrängte, wende sich das Neue Mittelalter von den rationalen Welterklärungsmodellen ab. Beim Neuen Mittelalter handele es sich um eine dunkle, nächtliche Epoche, die die Abgründe des menschlichen Daseins, die die Neuzeit zu verdecken suchte, enthülle. Die Neuzeit sei auf das Diesseits, auf die irdische Existenz des Menschen fixiert gewesen, der Himmel und die Hölle seien ihr verschlossen geblieben. Das Neue Mittelalter hingegen habe die Sicht nach beiden Richtungen geöffnet. Man sei nun sowohl gegenüber der göttlichen Offenbarung als auch gegenüber der teuflischen Besessenheit empfänglicher geworden.
Nikolaj Berdjajew kritisiert vehement die durch das „Neue Mittelalter“ abgelöste bürgerliche Epoche, die er zugleich als das „Reich der Mitte“ bezeichnet. Mit seiner Anprangerung der „bürgerlichen Mittelmäßigkeit“ wiederholt Berdjaew manche seine Anklagen, die er bereits Anfang 1918 in seinem Buch „Die Philosophie der Ungleichheit“ geäußert hatte. Schon damals argumentierte er wie ein „Konservativer Revolutionär“, obwohl dieser Begriff erst später entstehen sollte. Mit ähnlicher Vehemenz wie 1918 lehnt Berdjajew die mit dem bürgerlichen Zeitalter eng verknüpften politischen und wirtschaftlichen Erscheinungen wie die Demokratie, den Liberalismus und den Kapitalismus ab. All diese Ideologien und Gesellschaftsordnungen seien hoffnungslos antiquiert und träten von der politischen Bühne allmählich ab, so Berdjajew. Sie verkörperten den Konflikt, den persönlichen Egoismus, eine Absage an höhere Ziele und an das große Allgemeine. Die Parlamente stellten einen institutionalisierten Zwist dar, die Verdrängung des Wissens durch Meinung, der Wahrheit durch Beliebigkeit. Das Sakrale, das die Grundlage jeder Kultur darstelle, sterbe ab. Nicht die Kirche, sondern die Börse normiere jetzt das Leben der Gesellschaft.
Die Kritik Berdjajews am bürgerlichen Zeitalter war derjenigen der Konservativen Revolutionäre in der Weimarer Republik zum Verwechseln ähnlich. Berdjajews Buch „Das Neue Mittelalter“ war übrigens bei den Autoren der „Konservativen Revolution“ sehr populär. Nun aber zurück zu Berdjajews Thesen über das „Ende der Neuzeit“.
In der sich auflösenden Welt der Neuzeit würden die Strukturen einer neuen Welt sichtbar, setzt Berdjajew seine Ausführungen fort. Die Geburt dieser neuen Welt sei mit vielen Schmerzen verbunden. Der Epochenwechsel vollziehe sich niemals friedlich. Davon zeugten sowohl die bolschewistische als auch die faschistische Revolution in Italien, die von Berdjajew als sichtbare Boten des neuen Zeitalters betrachtet werden.
Die Fehleinschätzung des italienischen Faschismus
Was in diesem Zusammenhang erstaunt, ist die Tatsache, dass Nikolaj Berdjajew den italienischen Faschismus recht positiv bewertet, positiver nicht nur als den Bolschewismus, sondern auch als die parlamentarische Demokratie, die er als Relikt der bereits antiquierten Neuzeit sieht. Nicht anders wurde der liberale Staat auch von den Verfechtern der „Konservativen Revolution“, aber auch von faschistischen Ideologen dargestellt. Wie konnte es zu dieser, wenn auch nicht beabsichtigten, Übereinstimmung kommen?
Als erstes muss man hier die Fixierung der russischen Emigranten auf die katastrophalen Ereignisse, die sie soeben in ihrem Heimatland erlebt hatten, erwähnen. Die Schrecken des „roten Terrors“, des Bürgerkrieges und der Hungersnot von 1921/22 mit ihren Millionen von Toten prägten ihre Bewertung der westlichen Krise. Sie ließ sich aus ihrer Sicht mit der russischen Apokalypse nicht gleichsetzen. Auschwitz war damals noch nicht in Sicht. Die Tatsache, dass der faschistische, genauer gesagt, nationalsozialistische, Terror demnächst ebenso apokalyptische Ausmaße annehmen würde, ja in manchen Bereichen die kommunistische Schreckensherrschaft sogar übertreffen würde, konnten damals nur wenige ahnen. Zu diesen Wenigen gehörten die italienischen Sozialdemokraten, die zu den ersten Opfern des faschistischen Terrorregimes zählten. Einer von ihnen, Filippo Turati, sagte 1928, der Faschismus, der aus dem Krieg geboren sei, müsse auch selbst unbedingt den Krieg erzeugen. Wenn er sich konsolidieren und ausdehnen würde, würde er imstande sein, in Europa und sogar auf der ganzen Welt den Zustand eines ständigen Krieges zu schaffen und in jedem Staat eine Trennung nicht mehr nach Klassen, sondern nach Rassen hervorzurufen. Er würde auf unabsehbare Zeit eine winzige Herrenrasse und eine riesige Sklavenmasse schaffen.
Solche Warnungen blieben aber im damaligen Europa weitgehend ohne Resonanz. Im Gegenteil: das Prestige Mussolinis nahm in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre beträchtlich zu. Er wurde als Staatsmann angesehen, der Italien aus der Anarchie herausgeführt hätte und das Land stabilisierte. Dass diese Stabilität Komponenten enthielt, die unvermeidlich zur Destabilisierung Italiens und Europas führen sollten, wurde damals von vielen Beobachtern nicht erkannt. Der bekannte deutsche Soziologe Robert Michels schrieb 1925 z.B. Folgendes:
Die Geschichte des Faschismus hat gelehrt, dass es … verfehlt wäre … von den nunmehr regierenden Parteimitgliedern eine Politik der Handstreiche erwarten zu wollen. Die Regierung eines großen Staates übt einen seltsam assimilierenden Einfluss aus auf die Gesinnung und mehr noch auf die Handlungen der zur Macht Gekommenen.
So war Berdjajew mit seiner Verharmlosung des Faschismus im damaligen Europa keineswegs allein. Der sogenannte korporative faschistische Staat schien ihm eine adäquate Antwort auf die Krise der europäischen Demokratie darzustellen.
Nikolaj Berdjajew und einige andere Interpreten des Faschismus von damals erlagen bekanntlich einer Illusion. Zwar handelte es sich beim Faschismus in der Tat um eine Reaktion auf eine der tiefsten Identitätskrisen der europäischen Demokratie. Statt aber diese Krise zu lösen, sollte er sie um das vielfache vertiefen. Dazu schrieb 1931 der deutsche Rechtswissenschaftler Hermann Heller: Nur mit Gewalt und Aktivität könne man den europäischen Staat nicht erneuern. Der Faschismus könne einer willenlosen Norm lediglich einen normlosen Willen entgegensetzen.
Dieser von Heller genannte normlose Wille der Faschisten, d.h. der von ihnen errichtete Willkürstaat, sollte letztlich die europäische Zivilisation in einen noch tieferen Abgrund stürzen, als dies der Bolschewismus getan hatte.
Die Bolschewiki und die „Logik der Revolution“
Neben dem faschistischen Staatsstreich in Italien hielt Nikolaj Berdjajew, wie bereits angedeutet, auch die russische Revolution für ein Phänomen, welches das Ende der bürgerlich geprägten Neuzeit einläutete. Die russische Gesellschaft habe sich ohnehin unbehaglich im neuzeitlichen Reich der Mitte gefühlt, so Berdjajew, Russland habe im Grunde niemals das sakral geprägte Mittelalter verlassen. Nun vollziehe sich hier beinahe über Nacht ein Übergang von der mittelalterlichen Theokratie in die „Satanokratie“ des „Neuen Mittealters“. Das russische Denken sei schon immer eschatologisch geprägt gewesen, es habe sich vor allem für die Endzeit interessiert. All diese Wesensmerkmale des russischen Nationalcharakters hätten auch den Charakter der russischen Revolution geprägt, hebt Nikolaj Berdjajew hervor.
Da die russische Revolution, so Berdjajew weiter, die Folge einer tiefen Gemütskrankheit der Nation darstelle, die mit ihrem Abfall vom Glauben an Gott verbunden sei, habe sie auch nur eine Macht akzeptieren können, die diesem Gemütszustand der Nation entsprach. Und diese Macht sei der Bolschewismus gewesen. Die Bolschewiki hätten sich an den moralischen Degradierungsprozess, der die Nation erfasste, angepasst, sie seien mit dem Strom geschwommen. Deshalb handele es sich beim Bolschewismus um eine volkstümliche Macht im wahrsten Sinne dieses Wortes. Die gemäßigten Strömungen hingegen, z.B. die Konstitutionellen Demokraten, die in Russland ein demokratisches System westlicher Prägung errichten wollten, seien Utopisten gewesen. Sie hätten die Logik der Revolution nicht verstanden. Die Bolschewiki hingegen hätten sich hier in ihrem eigenen Element gefühlt.
Die These Berdjajews von einer unvermeidlichen Bolschewisierung der russischen Revolution ist sicherlich viel zu deterministisch. Der Sieg der Bolschewiki, die von der gesamten politischen Klasse Russlands (bis auf wenige Ausnahmen) wie auch von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung (siehe die Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung vom November 1917, bei denen die Bolschewiki nur 24% der Stimmen erhielten) abgelehnt wurden, war keineswegs vorprogrammiert. Die vermeidbaren Fehler der Gegner der Bolschewiki trugen zu ihrem Sieg entscheidend bei.
Trotz einer gewissen Einseitigkeit, die den Text Berdjajews auszeichnet, enthält er auch eine beeindruckende Analyse der tieferen Ursachen der russischen Revolution. Berdjajew führt sie in erster Linie darauf zurück, dass sich das einfache russische Volk mit der Existenz der europäisierten russischen Oberschicht nicht abfinden wollte. Die Kluft zwischen Oben und Unten sei in Russland so tief wie in keinem anderen europäischen Land gewesen, so Nikolaj Berdjajew. Über die Ausmaße dieser Kluft sei sich die russische Intelligenzija nicht im Klaren gewesen. Sie habe auch die Tatsache unterschätzt, dass das von ihr abgelehnte zarische Regime die einzige Kraft darstellte, die die Bildungsschicht vor dem Volkszorn beschützte. Die herrschende Bürokratie habe zwar die kulturschaffenden Eliten verfolgt, zugleich hätte sie aber auch ihre Existenz ermöglicht, und zwar dadurch, dass sie hierarchische Strukturen und das Qualitätsprinzip, auf denen die Kultur basiere, verteidigte. Nach dem Sturz der Monarchie hätten diese Prinzipien ihren wichtigsten Beschützer verloren. Die differenzierte Kultur des Petersburger Russlands sei durch eine soldatisch-bäuerliche Sowjetkultur abgelöst worden. Nicht die Bolschewiki hätten diese allgemeine Vergröberung der Kultur und des Lebensstils im Lande verursacht. Sie hätten sich lediglich diesem Prozess angepasst, so an die Tatsache, dass die russischen Unterschichten die kultivierten Eliten als einen Fremdkörper empfanden, den sie aus dem gesellschaftlichen Organismus um jeden Preis entfernen wollten. Ein Regime, das sich dazu entschlossen hätte, die Kultureliten zu beschützen, hätte, angesichts des Gemütszustandes, in dem sich das russische Volk befand, keine Überlebenschance gehabt.
Berdjajews Zukunftsprognosen
Nach dieser scharfsinnigen Analyse der tieferen Ursachen der russischen Revolution folgt eine nicht weniger aufschlussreiche Schilderung ihrer wichtigsten Folgen. Zu ihnen zählt aus der Sicht Berdjajews in erster Linie die anthropologische Umwälzung, die sich nun in Russland vollzog. Die tektonischen Erschütterungen, die Russland nach Kriegs- und Revolutionsbeginn erlebte, hätten einen neuen Menschentyp an die Oberfläche gespült. Einen solchen Menschentypus habe Russland vorher noch nicht gekannt. Er fühle sich wohl auf dieser Erde und strebe danach, sein irdisches Dasein so angenehm wie möglich zu gestalten. Die in Russland so tief verankerte Sehnsucht nach Wahrheit sei ihm völlig fremd. Diese auf das Diesseits fixierten jungen Menschen, verkörperten nicht nur einen Bruch mit dem alten Russland, sondern auch mit der Generation der alten Bolschewiki, die aus revolutionären Romantikern bestehe. Dem neuen Menschentyp sei jede Romantik fremd, und diese seine ideologieferne Haltung sei der alten bolschewistischen Garde unheimlich. Sie müsse sich aber mit diesen „neuen Menschen“ arrangieren, denn ihnen verdanke sie ihre Macht. Sie spüre jedoch, dass der endgültige Triumph dieser neuen Generation Bolschewiki zum Untergang der kommunistischen Idee führen werde. Das größte Unheil drohe Russland jetzt, so Berdjajew, nicht von der alten kommunistischen Garde, die dem Tode geweiht sei, sondern von dem „neuen Menschentypus“, der die Formation der alten Bolschewiki ablösen werde.
Diese 1924 geschriebenen Worte stellten eine außerordentlich scharfsinnige Prognose dar. Denn einige Jahre später begann der von Stalin inspirierte Aufstand der neuen Schicht der bolschewistischen Funktionäre gegen die Generation der Lenin-Gefährten. Die alten Bolschewiki setzten im Wesentlichen die Tradition der revolutionären russischen Intelligenzija fort und stellten dadurch das letzte Überbleibsel des Petersburger Russland im Sowjetreich dar. Sie waren kritisch und „kosmopolitisch“ orientiert. All diese Eigenschaften galten in den Augen der Volksschichten, auch der jungen Generation der Bolschewiki, die in der Regel proletarischer oder bäuerlicher Herkunft waren, als ausgesprochen elitär. Es kam hier zu einem Zusammenprall zweier Kulturepochen, die wenig Berührungspunkte miteinander hatten und sich immer stärker voneinander entfremdeten. Darin liegt sicherlich eine der wichtigsten Erklärungen für den relativ leichten Sieg Stalins über die überwältigende Mehrheit der Parteigefährten Lenins. Als der neue Diktator im Dezember 1927 verkündete: „Wir wollen keine Adeligen in der Partei dulden“, fand dieser Appell ein beachtliches Echo bei den Parteimassen. Der Entmachtung der alten Bolschewiki folgte einige Jahre später – während des Großen Terrors von 1936-38 – ihre beinahe gänzliche Vernichtung. So hat sich die Prognose Nikolaj Berdjajews von der todgeweihten Generation der „revolutionären Romantiker“ innerhalb von 12 Jahren bestätigt.
Nikolaj Berdjajew hielt die von ihm beschriebene anthropologische Umwälzung für ein universales Phänomen. Nicht nur in Russland, sondern auch in ganz Europa finde nun eine allgemeine Vergröberung und Barbarisierung der Kultur statt, so Berdjajew.
Diese Diagnose spiegelte zwar nicht den damaligen Zustand der europäischen Kultur wider, die in den „goldenen zwanziger Jahren“ eine neue kulturelle Blüte erlebte. Dessen ungeachtet war sich Berdjajew, ähnlich wie andere russische Exildenker, über die Brüchigkeit des Fundaments, auf dem die europäische Kultur damals stand, im Klaren. 9 Jahre nach der von Berdjajew getroffenen Aussage über die Barbarisierung der europäischen Kultur kam Hitler an die Macht. 16 Jahre nach dieser Aussage wurde das Konzentrationslager Auschwitz errichtet.
So enthielt Nikolaj Berdjajews Analyse der Krise der Neuzeit, trotz mancher Einseitigkeiten und Fehleinschätzungen, auch erstaunlich zutreffende Prognosen.
Von seiner vorübergehenden Verharmlosung des Faschismus hatte sich Nikolaj Berdjajew übrigens nach dem Aufstieg des Nationalsozialismus gänzlich distanziert. Er meinte nun, dass der Nationalsozialismus die Grundlagen, auf denen die europäische Kultur basiere, viel stärker gefährde als der Kommunismus. Der biologistische Determinismus der nationalsozialistischen Rassenideologie stellte für Berdjajew eine beispiellose Herausforderung für das christliche Ideal der geistigen Freiheit dar. In einem Aufsatz, den er 1934 veröffentlichte, schrieb er: Die marxistische Klassenlehre gebe den Menschen mit einer „falschen“ (bürgerlichen) Herkunft eine Chance, mit Hilfe einer „richtigen“ (proletarischen) Gesinnung ins proletarische Lager zu wechseln. Die deterministisch geprägte „Ideologie des Blutes“ des Nationalsozialismus lasse einen solchen Wechsel nicht zu.
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