Baerbock – Ehrlich dumm
Die Kanzlerkandidatin der Grünen spricht von einer Benzinpreiserhöhung um 16 Cent und die Wahlkampfheuchler der anderen Parteien freuen sich. Eine Kolumne von Heinrich Schmitz
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Wenn Bürger gefragt werden, was sie von einem Politiker verlangen, dann ist eine der häufigsten Antworten „Ehrlichkeit“. In der Realität ist Ehrlichkeit für einen Politiker allerdings der sicherste Weg, Wähler zu verprellen. Das Beispiel Baerbock zeigt es ganz deutlich.
Da geht also eine Kandidatin hin und verkündet in wunderbarer Offenheit, dass sie im Falle einer Regierungsverantwortung den Benzinpreis im Jahr 2023 um 16 Cent erhöhen möchte. Kann man machen. Ist aber im Land der Autobauer und -fahrer so ziemlich das Dümmste, was man machen kann. Denn bei aller Zustimmung zu Umweltschutz, Klimazielen und dem Wunsch nach besserer Luft möchte der Deutsche Michel natürlich nicht mehr für das Autofahren bezahlen. Und nun können die anderen Parteien mit dem Finger auf Frau Baerbock zeigen und sagen:
Schaut, die Grünen wollen Euch das Autofahren vermiesen.
Koalitionsbeschluss
Dass die in diesem Jahr bereits eingetretene Benzinpreiserhöhung von 6 Cent, die in den Baerbockschen 16 Cent schon enthalten ist, durch die Große Koalition beschlossen wurde, darüber wird der Mantel des Schweigens geworfen. Genau genommen sind auch die von Baerbock genannten 16 Cent bereits von der Mehrheit von CDU und SPD abgenickt worden. Das ging nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgericht auch ganz fix und ohne größere Debatte innerhalb der Koalition. Der einzige Unterschied zur Forderung Baerbocks ist, dass die Grünen die Sache etwas beschleunigen wollen. Das große Geplärre von Scholz und Scheuer zum Beispiel ist an Unredlichkeit kaum zu toppen.
Wer jetzt einfach immer weiter an der Spritpreisschraube dreht, der zeigt, wie egal ihm die Nöte der Bürgerinnen und Bürger sind,
sagte der aktuelle Kanzlerkandidat der SPD und amtierende Finanzminister gegenüber der BILD-Zeitung. Ein immer höherer CO2-Preis sorge
nicht für mehr Klimaschutz, sondern nur für mehr Frust.
Ja nun. Diese Schraube haben Sie eben erst selbst gedrechselt, Herr Scholz. Sind Sie dazu gezwungen worden und falls ja , warum haben Sie Ihre Abscheu gegen höhere Preise nicht laut und deutlich verkündet? Und dass die Regierung, ganz gleich welche das sein wird, verpflichtet ist, die Klimaziele einzuhalten, hat das Bundesverfassungsgericht sehr klar gesagt.
Gesabbel
Und wenn Andreas Scheuer, der sich als Bundesverkehrsminister zwar mit allem Möglichen, aber eben nicht mit Ruhm bekleckert hat, sagt:
Es geht nicht, dass die Preise immer weiter nach oben gehen
dann ist das wohlfeiles Wahlkampfgesabbel, jedoch nichts von Substanz. Aber wer erwartet von Scheuer schon irgendeinen vernünftigen Satz?
Wenn Sie nun einmal diesen Satz:
Benzinpreisbremse, damit gerade diejenigen, die nicht auf Rosen gebettet sind, sich nicht in ihrem Lebensstandard einschränken müssen, nur um mobil zu bleiben“
lesen, kämen Sie dann auf die Idee, dass der von einem sogenannten Liberalen, also einem Mitglied der FDP stammt? Ein Liberaler fordert eine Preisbremse? Das ist ja mal was ganz Neues. Und ja, der Satz stammt von FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae. Der wird doch nicht etwa ein heimlicher Kapitalismusgegner sein? Bei Plänen zur Mietpreisbremse hatte der sich noch ganz anders geäußert. Aber was soll‘s? Ist halt Wahlkampf.
Die Erhöhung der Benzinpreise um 16 Cent ist lediglich eine Folge der neu eingeführten Bepreisung von CO2 im Rahmen des Klimaschutzpakets. Das haben sich weder die Grünen, noch Frau Baerbock ausgedacht. Das ist Regierungspolitik.
Verlogen
Und das wird von der SPD doch in den höchsten Tönen als eigene Leistung beworben.
Lange haben wir für ein Klimaschutzgesetz gekämpft. Dafür, dass Klimaschutz rechtlich verbindlich wird. Dafür, dass jeder Bereich genaue CO2-Einsparziele erfüllen muss – egal, ob Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft oder Abfallwirtschaft. Und dafür, dass es ein Sicherheitsnetz gibt, wenn Ziele verfehlt werden. All das haben wir jetzt schwarz auf weiß! Transparent, verbindlich, planbar.
So schaffen wir unsere Ziele – und nehmen alle mit. Klimaschutz ist wirksam, wenn wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass alle mitmachen können. Mit klaren Regeln und der notwendigen Unterstützung.
Dazu gehört auch ein Preis auf CO2 – und damit eine Lenkungswirkung beim Verbrauch. Das heißt: Wer bereit ist sich umzustellen, hat auch persönlich was davon. In der privaten Haushaltskasse oder auch in der Unternehmensbilanz: klimafreundliches Verhalten wird sich finanziell rechnen.
Äh, ja. So ist das. Und warum man nun in Person des SPD-Kanzlerkandidaten Scholz – glaubt der ernsthaft, seine Partei würde den Kanzler stellen können? – gegen genau das wettert, was man selbst gerade noch beschlossen und euphorisch gefeiert hat, hat einen einfachen Grund: Es ist Wahlkampf und da sollte man halt lügen, heucheln und so tun, als tue man etwas für den kleinen Mann und die kleine Frau. Und jeden Tag etwas anderes sagen, ist auch hilfreich. Da hat man für jeden was Passendes.
Ach übrigens. Es ist nicht so, dass nicht auch die SPD bereits jetzt ebenfalls eine Erhöhung der CO2-Steuer im Blick hat, denn sie weiß natürlich, dass Experten die derzeitigen Preise für deutlich zu niedrig halten. Deshalb heißt es auf der Seite der SPD:
Und ganz wichtig: Jährlich überprüfen wir in allen Bereichen, ob wir noch auf dem richtigen Pfad sind zu unseren Klimaschutzzielen 2030. Wenn beispielsweise also im Bereich Verkehr nicht genug passiert, muss sofort nachgesteuert werden.
Na klar. Geprüft wird möglichst außerhalb von Wahlkampfzeiten und dann erhöht man eben wegen der bösen, bösen Koalitionspartner, wer auch immer das sein mag. Zwänge halt. Wir wollten das ja gar nicht.
Bei der CDU regt sich aber auch schon eine durchaus gewichtige Stimme für eine schnellere Erhöhung der CO2-Steuer. Der CDU-Klimaexperte Andreas Jung schlägt vor, den CO2-Preis bereits zum Jahreswechsel deutlich von 25€ auf 45€ auf zu erhöhen. Der Grund dafür ist ganz simpel. Nach der Ansicht von Jung reicht der bisherige Betrag von 25€ nicht, um die beschlossenen Klimaziele der Bundesregierung erreichen zu können. Und da hat er vermutlich genauso recht, wie all die Experten, die genau das sagen. Vermutlich wäre es aber klüger gewesen, diese Wahrheit bis zur Wahl für sich zu behalten, um dann bei der Koalitionsgründung mit den Grünen „schweren Herzens“ einer Steigerung zuzustimmen. Wie bereits oben: Man erhöht eben wegen der bösen, bösen Koalitionspartner, wer auch immer das/die sein mag/mögen. Zwänge halt. Wir wollten das ja gar nicht. Wir lieben Euch doch alle.
Frau Baerbock hat also weder etwas Skandalöses, noch etwas Unvernünftiges, noch irgend etwas Besonderes gefordert. Und was die ganzen Wahlkampfheuchler noch zusätzlich alle nonchalant unterschlagen ist, dass die Grünen das Problem der Pendler und Geringverdiener aus ländlichen Gegenden, die mit dem Auto zur Arbeit müssen, weil der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs seit Jahrzehnten zugunsten des Individualverkehrs vernachlässigt wurde, durchaus sehen. Deshalb soll aus der höheren CO2-Steuer ein Energiegeld von 75€ pro Jahr und Kopf an die Bürger zurückgezahlt werden. Damit kann die Belastung von rund 100€ pro Familie ausgeglichen werden und wer weniger verbraucht, macht sogar noch einen kleinen Gewinn durch die CO2-Steuer. Allemal ein Anreiz weniger zu fahren oder die Heizung ein Grad herunterzudrehen, was schon eine Energieeinsparung von 6 Prozent bringt.
Ich bezweifle, dass Frau Baerbock von ihrer, nennen wir es einmal, naiven Ehrlichkeit profitieren wird. Aber immerhin wird ihr niemand vorwerfen können, sie habe sich mit falschen Versprechungen nach vorne gedrängt.
Poolnudel
Die CDU ist da cleverer. Die will ihr Wahlprogramm erst Ende Juni beschließen. Ich bin schon gespannt, wie Laschet den Bürgern den Klima-Pelz waschen will, ohne sie nass zu machen, bin aber sicher, dass da ein paar butterweiche Absichtserklärungen mit einem freundlichen Lächeln unter das Wahlvolk gebracht werden. Was die z.B. im Zusammenhang mit Hans Georg Maaßen angekündigte „klare Kante“ angeht, ist Laschet ungefähr so hart wie eine Poolnudel. Aber vermutlich ist das genau die Art Kandidat, die die Wahl gewinnen kann, weil niemand Angst davor hat, von einer Poolnudel hart getroffen zu werden. Wie sagte schon die Kanzlerin: „Sie kennen mich.“ Bei Herrn Laschet möchte ich antworten: „Ja, leider.“