Vernunft in den Tagen des Terrors
Neue Terroranschläge. Nach der Enthauptung eines Lehrers in Paris Mitte Oktober wurden vorgestern in Nizza drei Menschen in einer Kirche ermordet. Kann man etwas dagegen tun? Eine Kolumne von Heinrich Schmitz
Bild von Erich Westendarp auf Pixabay – Altar in der Kathedrale von Nizza
Ja, diese Kolumne ist noch länger als üblich. Und ja, Teile davon könnten Sie aus vorherigen Kolumnen bereits kennen. Und dennoch denke ich, dass diese Kolumne notwendig ist in einer Zeit, in der es der Vernunft droht, aus Angst vor dem Terror auf der Strecke zu bleiben.
Nizza
Solche Anschläge wie in Nizza, von denen man leider immer noch weitere erwarten muss, werden gerne im Namen des Islam begangen. Aus der Sicht gläubiger Muslime wird damit der Islam beschmutzt, aus der Sicht der Terroristen wird er auf diese Weise verwirklicht, aus der Sicht der Terroristenchefs ist er ein mächtiges Stück Käse in der Terror-Rattenfalle.
So oder so: Der Terror hat mit dem Islam zu tun – als Begründung – und der Islam mit dem Terror – als Problem. Wer das als Muslim leugnet, verschließt die Augen vor dem Problem. Und deshalb ist es sehr wohl auch Sache der Muslime, etwas gegen den Terror zu tun und zum Beispiel die Sicherheitsbehörden auf sich radikalisierende Menschen hinzuweisen oder Organisationen wie Heroes zu unterstützen, die die Indoktrinierung von jungen Menschen verhindern wollen.
#NichtMitUns
Am 17.6.2017 gingen in Köln Muslime unter dem Motto #NichtMitUns zum Ramadan-Friedensmarsch auf die Straße. Solche Aktionen sind gut und es wäre schön, wenn sich neben den Muslimen immer wieder auch viele Nichtmuslime solchen Demonstrationen anschließen würden.
Es wäre auch hilfreich, wenn von Muslimen auf extremistische Internetseiten und radikale Prediger hingewiesen würde, die den heiligen Krieg verherrlichen oder auf Moscheegemeinden, die Extremisten eine Heimat geben. Dass es diese Brutstätten des Terrors überall in Europa gibt, ist ja kein Geheimnis.
Es darf da eben auch keine klammheimliche muslimische Solidarität mit Mördern geben, und es ist in erster Linie Sache der hier lebenden Muslime, z.B. den brandgefährlichen, vom IS bevorzugten Lehren von Ibn Taymiyya eine deutliche Absage zu erteilen. Die sehr aktiven orthodoxen Muslimverbände sind dafür bisher eher ungeeignet.
Wenn Sie jetzt meinen, ich hätte eine Überdosis AfD genommen und sei ins Lager der Islamhasser gewechselt, dann irren sie gründlich. Ich treffe meine türkischen Freunde regelmäßig und besuche auch jedes Jahr zum Tag der offenen Moschee ihren Gebetsraum. Würden solche Anschläge – wie z.B. früher in Irland – mit einer anderen Religion begründet, dann sähe ich auch deren Anhänger in der Pflicht.
Islam gegen Terroristen verteidigen
Das ist übrigens auch gar keine Forderung an die große Mehrheit der Muslime, sich von diesen Terroristen zu distanzieren, denn sie standen zu diesen nie in einem Näheverhältnis, sondern verachten diese vermutlich mehr als jeder Andersgläubige. Es ist aber die Forderung, ihren eigenen Glauben gegen diejenigen, die diesen als Begründung für Verbrechen missbrauchen, zu verteidigen und denen klar und deutlich zu machen, dass Terror gerade kein Bestandteil ihrer Religion ist und niemals sein wird. Blutrünstige Suren hin oder her. Die Bibel kennt auch viel grausamen Mist.
Und wenn die Terrorprofiteure vom halbraunen Rand des Parteienspektrums und jenseits davon rufen: „Der Islam ist doch gar keine Religion, das ist eine menschenverachtende Ideologie“, dann ist dieser durchsichtige Angriff, der letztlich weniger darauf zielt, den Terror zu bekämpfen als viel mehr den Islam außerhalb des Schutzes der Religionsfreiheit zu stellen, ein Rohrkrepierer.
Weltreligion
Wer ernsthaft bestreitet, dass der Islam eine der drei großen monotheistischen Weltreligionen ist, der hat ein Sonnenrad ab. Das wissen die meisten auch, aber sie wiederholen es halt immer wieder gerne und helfen damit dem IS und ähnlichen islamisch verbrämten Verbrecherorganisationen dabei, einen Spalt in die Gesellschaft zu treiben. Die Dschihadisten schüren den Hass ihrer Gegner auf den Islam bewusst, weil sie denken, dass ihnen damit alle Muslime in die Arme getrieben werden. Erschreckend, dass tatsächlich auch manche meiner muslimischen Freunde meinen, die Morde in Frankreich seien durch die Veröffentlichung der alten Mohammed-Karikaturen ausgelöst worden. Nein verdammt noch mal, eine Vergewaltigung wird nicht durch einen Minirock ausgelöst und selbst wenn eine Frau nackt über die Straße liefe, wäre sie nicht schuld an ihrer Vergewaltigung. Provokation rechtfertigt keine Morde. Und wer meint, sein Allah sei so ein zimperliches Würstchen, dass er den Schutz und die Rache eines Menschleins bräuchte, der soll nicht ernsthaft dessen Größe preisen.
Dem Islam die Religionseigenschaft absprechen zu wollen, ist natürlich dümmlich und kontraproduktiv. Es ist allerdings angesichts von Morden zu wenig, stets nur mantraartig zu wiederholen, dass Islam Frieden bedeutet. Frieden fällt nicht vom Himmel, Frieden muss man aktiv machen. Und wenn dann Friedensfeinde sich das Trikot des eigenen Vereins überstreifen und die eigenen Schlachtgesänge anstimmen; ja dann muss man ihnen das vom Leibe reißen und ihnen eben immer wieder sagen: Nicht in unserem Namen, nicht im Namen des Propheten, nicht im Namen Allahs mordet ihr gottlosen Idioten. Laut und deutlich. Und jedes Kind muss von klein auf erfahren, dass es keinen einzigen religiösen Grund geben kann, andere Menschen zu töten.
Spalter
Statt des von Islamisten wie auch Antiislamisten erwünschten Spalts innerhalb europäischer Gesellschaften ist etwas ganz anderes erforderlich. Was wir brauchen, ist ein gesellschaftlicher Zusammenhalt aller hier lebenden, friedfertigen Menschen, ganz gleich ob oder was sie glauben oder nicht glauben, gegen diejenigen, die die Gesellschaft mit Angst und Schrecken auseinander treiben wollen, um daraus jeweils ihren eigenen Vorteil zu ziehen. Das sind auf der einen Seite diejenigen, die Europa in einen Krieg ziehen wollen und auf der anderen Seite diejenigen, die dies wiederum nutzen, um Wählerstimmen einzusammeln.
Sicherheit vor Terror ist derzeit neben Corona und der US-Präsidentenwahl in ganz Europa wohl das wichtigste Thema. Und es sind nicht nur rechtsextreme Parteien, die mit der Angst der Bürger vor Terroranschlägen spielen und davon profitieren wollen. Auch Innenminister aller Couleur wittern bei jedem Anschlag die Chance, ihren Machtbereich auszudehnen.
Der Umbau der freiheitlichen westlichen Gesellschaften in perfektionierte Überwachungsstaaten ist überall im Gange. Sei es mehr Videoüberwachung, seien es Staatstrojaner, mehr Kontrolle der Kommunikation oder Fußfesseln für sogenannte Gefährder. Und es ist erstaunlich, wie willfährig die nach jedem Anschlag irgendwo in Europa eingeführten Einschränkungen der Freiheit von einem Großteil der Bevölkerung mittlerweile hingenommen oder gar befürwortet werden. Dient ja nur der Sicherheit. Gerade das Beispiel Großbritannien zeigt, dass all dieser Überwachungskram grässliche Anschläge auch nicht verhindert. Es gibt vermutlich keinen Ort der Welt mit mehr Überwachungskameras als London. Und die britischen Geheimdienste sind seit ewigen Zeiten führend in der Welt. Und dennoch kann natürlich auch da jederzeit jemand ein Messer zücken und ein paar Menschen schlachten. Der moderne Terroranschlag benötigt weder eine aufwändige Logistik, noch ein Netzwerk. Es reicht schon, ein Auto oder ein Messer in die Hände zu bekommen.
Medien
Es ist nicht auszuschließen, dass das Interesse und die gleichzeitige Angst vor dem Terror erst durch die stets ausufernde Berichterstattung erzeugt und am Leben gehalten werden. Zum gegenseitigen Nutzen von Terroristen, Parteien und Medien. Zur makabren Unterhaltung mit Sondersendungen und elenden Talkrunden mit seltsamen selbsternannten Experten und zur Disziplinierung der Massen. Scharen wir uns hinter die jeweiligen Helden, die uns Schutz und Sicherheit versprechen oder so. Bauen wir eine Wagenburg um unseren Verunsicherungsminister.
Dass es einen absoluten Schutz vor Terroranschlägen nicht geben kann, müsste auch der Dümmste irgendwann einmal begreifen. Wenn jemand bereit ist, sein eigenes Leben einzusetzen, dann wird ihn niemand daran hindern, sofern er sich nicht allzu blöde anstellt und seinen Sprengstoffgürtel schon im eigenen Keller zündet. Die Mittel dazu sind überall verfügbar, seien es ein LKW, ein PKW, eine Gasflasche, eine Kettensäge oder auch nur eine Axt oder ein Messer. Schon ein Feuerzeug und eine Flasche Spiritus reichen aus. Terror kann heute jeder Depp, der noch geradeaus laufen oder wenigstens Auto fahren kann. Terrorcamps zu Ausbildungszwecken sind eher schädlich, weil man durch deren Besuch droht vorzeitig aufzufliegen. Den Spontanterroristen, der einfach macht, stoppt niemand.
Das bedeutet nun aber nicht, dass die Regierungen entspannt die Hände in den Schoß legen dürfen und dem fröhlichen Fatalismus frönen können. Selbstverständlich hat der Staat die Pflicht, seine Bürger zu beschützen. Sicherheit ist Bestandteil des Deals, in dem der Bürger dem Staat das Gewaltmonopol überlässt.
Überwachungsstaat
Das kann und darf aber nicht so weit gehen, dass jeder sich jederzeit auf Schritt und Tritt beobachtet fühlt. Gefahrenabwehr ja, aber Gefahrenabwehr im Rahmen der verfassungsmäßigen Grundordnung. Was soll es denn für einen Sinn haben, wenn wir aus Angst vor Terroristen unsere freien Gesellschaften in Europa freiwillig in Überwachungssysteme umbauen, von denen die Stasi geträumt hätte? Und glauben Sie bitte nicht, das sei eine unrealistische Perspektive. Die freiwillige Aufgabe der Menschenrechte wäre vollkommen verrückt.
Dass die gerade von denen gefordert wird, die Europa angeblich vor der Scharia retten wollen, hat was. Machen wir uns halt unsere eigene Scharia, da werden die Islamisten aber blöd gucken. Nun, Scherz beiseite, wir laufen Gefahr, uns selbst um unsere große Errungenschaft der Menschenrechte zu bringen, statt diese tatsächlich gegenüber jedermann zu verteidigen. Und zu diesen Menschenrechten gehören eben auch die Presse-, Kunst- und Meinungsfreiheit. Ich kann verstehen, wenn jemand manche Karikaturen von Charlie Hebdo geschmacklos findet. Ich kann auch verstehen, wenn jemand sich da in seinem Glauben verletzt fühlt. Und ich kann verstehen, wenn er diese Meinung im Rahmen der Meinungsfreiheit auch äußert. Der Spaß hört aber da auf, wo jemand aufgrund der selbst empfunden oder auch nur vorgegebene Ehrverletzung meint, er sei berechtigt, die Zeichner und Autoren zu ermorden. Es kommt auch nicht in die Tüte, bestimmte Religionen oder Personen vom Spott auszunehmen. Zensur und harte Strafen für Journalisten gibt es eben nur in totalitären Systemen, Gottesstaaten und ähnlichen Gebilden, die mit den europäischen Menschenrechten nichts am Hut haben. Wer hier lebt, hat die hiesigen Verfassungen zu respektieren und vor allem zu respektieren, dass die Religions- und Meinungsfreiheit es jedermann gestattet, zu glauben was er will und sich nicht einzubilden, dass ausgerechnet seine Religion oder gar seine Person oder ein ausländischer Potentat einen Ehrschutz verdient hätte, der über den der anderen hinausgeht. Pustekuchen.
Flüchtende
Es gibt Menschen, die glauben, der Terror sei erst mit den Flüchtenden gekommen und ja, es gibt unter den rund 1,8 Million Flüchtlingen, die seit 2015 nach Deutschland gelangt sind, auch sogenannte Gefährder. Das sind Menschen, denen die Behörden einen Anschlag zutrauen. Und es wird auch ganz sicher so sein, dass Terroristen vom IS gezielt nach Deutschland eingeschleust wurden. Und auch der Tatverdächtige von Nizza kam als Flüchtender. Es ist aber völlig hirnrissig, deshalb jedem Geflüchteten mit hasserfüllten Angstgefühlen zu begegnen. Zum einen tut man denen, die ja gerade selbst vor dem Terror des IS geflohen sind, bitter Unrecht, zum anderen hilft man dem IS damit dabei, aus diesen jungen Menschen neue Terroristen zu formen.
Wie leicht es ist, aus normalen Menschen mit einem attraktiven ideologischen Überbau Massenmörder zu formen, hat der Nationalsozialismus bewiesen. Das geht ganz leicht. Gib den Leuten etwas, das sie in ihrer Persönlichkeit gegenüber anderen aufwertet und sie fressen dir aus der Hand. Was das ist, ist letztlich egal. Verführung zum Bösen ist leicht, wenn man das Böse als das Gute verkaufen kann. Die mafiösen Clans des IS, deren Führer keineswegs strenggläubige Moslems sind, haben sich für den Islam als Terrornarrativ – basierend auf einer mittelalterlichen islamischen Orthodoxie – entschieden – es hätte auch jedes andere sein können –, das die einen auf- und die anderen Menschen abwertet. Spiegelverkehrt agieren die, die Muslime und Fremde abwerten und die Nation zum Narrativ erkoren haben. Die Entmenschlichung und Entwürdigung des Gegenübers gehört immer zu diesem grausamen Spiel dazu.
Doppelchance
Es ist auch völlig verrückt, wenn man Flüchtlinge, die sich hier seit ein paar Jahren aufhalten, Deutsch gelernt haben und eine Ausbildung absolvieren, aus formalistischen Gründen abschiebt. Gerade diesen, bereits gut integrierten Menschen, die keiner Fliege etwas zu leide getan haben, sollte man ein Bleiberecht und eine spätere Einbürgerung ermöglichen. Denn die sind eine doppelte Chance für uns. Zum einen werden sie die Werte der freien demokratischen Gesellschaft zu schätzen wissen und weitergeben, weil ihnen hier geholfen wurde, zum anderen helfen sie dem notleidenden Arbeitsmarkt. Stattdessen schiebt man gerade sie in gefährliche Länder ab und zeigt ihnen damit, dass uns ihr Leben nichts wert ist, dass sie uns nichts wert sind. Afghanistan ist sicher? Ach was. Ob der deutsche Botschafter in Kabul das bestätigen will? Wir werden noch erleben, dass der ein oder andere mutwillig abgeschobene als Terrorist zurückkehrt.
Wenn wir Europäer dem Terrorismus innerhalb Europas etwas Wirkungsvolles entgegensetzen wollen, dann reicht es nicht, den IS militärisch zu bekämpfen. Das mag in Syrien und im Irak erforderlich sein, um die Menschen dort erst einmal aus den Klauen des IS zu befreien – um sie dann wieder dem Assad-Regime zu überlassen? –, aber es wird den Terror in Europa nicht beenden.
Krieg in der EU
Im Gegenteil – je mehr der IS in seinen Hochburgen unter militärischen Druck gerät, wird die Frequenz der Anschläge in Europa zunehmen. Es ist auch kein Wunder, dass die besonders heftigen Anschläge bisher in den Ländern stattfanden, die sich der internationalen Allianz gegen den IS angeschlossen haben und dort mehr oder weniger unkoordinierte Einsätze fliegen. Man kann nicht erwarten, dass der IS die Gegner in ihren Ländern verschont, im Gegenteil. Wer behauptet, er führe einen Krieg gegen den IS, darf sich nicht wundern, wenn der IS auch das eigene Land angreift. Der Krieg wird längst auch in der EU geführt.
Um dem internationalen radikalen politischen Islam den Garaus zu machen, bedarf es zunächst großer internationaler und interreligiöser Einigkeit, die aber weit und breit nicht zu erkennen ist, weil auch hier wieder jede Partei ihr Süppchen kocht. Das fängt damit an, dass alle beteiligten Staaten einem einheitlichen Konzept folgen; das geht damit weiter, dass man die Geldflüsse austrocknet, mit abartigen Regimen wie den Saudis weder Säbeltänze noch Waffengeschäfte macht und die Ölgeschäfte von Terrorförderern trockenlegt. Die Profitgier verhindert das. It’s economy, stupid.
Selbst, wenn der sogenannte IS vor Ort eliminiert werden sollte, ist damit nicht der Terrorismus in Europa bekämpft. Das wird, wenn überhaupt, nur mit einer Doppelstrategie gelingen. Zum einen muss der Polizei- und Geheimdienstapparat wieder die notwendigen Mittel erhalten, um ohne den einzelnen Beamten einer Dauerüberforderung auszusetzen, seine Arbeit tun zu können. Um Gefährder zu beobachten, braucht man halt genug Personal. Das erledigt auch kein scharfes Gesetz und auch weitere Technik hilft da nur bedingt, weil das was diese Technik zutage fördern kann, immer noch von Menschen ausgewertet und bewertet werden muss.
Prävention
Zum anderen bedarf es weicher, präventiver Maßnahmen, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die wechselseitige Akzeptanz unterschiedlicher Menschen zu fördern. Hass und Hetze sind ein wesentliche Bestandteile der aktuellen Kommunikation. Und diese sind der Nährboden für weitere Konflikte. Das bedeutet nun nicht, dass man nicht sagen sollte, was man meint, aber es bedeutet, dass z.B. volksverhetzende, antisemitische, antiislamische und rassistische Äußerungen wirksam verfolgt und sinnvoll sanktioniert werden, ganz gleich von wem sie kommen. Ein muslimischer Antisemitismus muss genauso benannt und bekämpft werden, wie ein nationalsozialistischer.
Gewalt beginnt häufig mit Demütigung, Mobbing und Missachtung. Ich weiß nicht, wie man den Hass aus den Köpfen bekommt, denn das wäre die wirksamste Terrorbekämpfung, aber genau das muss das gesellschaftliche Ziel sein. Wenn man schon einmal damit beginnen würde, den Hass gar nicht erst in den Köpfen entstehen zu lassen, wäre das ein Anfang. Perspektivisch wäre eine Kindergartenpflicht in säkularen Kindergärten für alle Kinder ab dem dritten Lebensjahr sinnvoll. Das schützt nicht nur vor Standes- und Klassendünkel, sondern auch vor mangelndem Respekt. Denn Respekt ist keine Einbahnstraße. Es hilft auch, dass alle Kinder die Landessprache lernen und nicht als 16-jährige Analphabeten, denen außer ihrer zweifelhaften Ehre auf was auch immer wenig bleibt, auf das sie stolz sind, ein gefundenes Fressen für die Terrorwerber werden.
Kindergartenpflicht
Mit auffälligen Kindern und deren Eltern muss früher gearbeitet werden. Es kommt zwar kernig rüber, wenn man das Strafrecht schon auf 12-jährige ausdehnen will, aber es wäre nicht wirklich hilfreich. Die Justiz kann nur selten reparieren, was in der Kindheit versaut wurde. Durch die Verbüßung von Jugendstrafen geraten Jugendliche und Heranwachsende an die in der Subkultur der Jugendstrafanstalten gut gedeihenden Extremisten. Die gibt es von dschihadistisch bis nationalistisch, von deutsch, russisch über türkisch bis zu arabisch. Auch Jugendknast schafft neuen Terror, wenn er weiter so bleibt, wie er ist. Da wird zu viel verwahrt und zu wenig im positiven Sinn erzogen, zu wenig echte Perspektive geboten.
Raus kommen am Ende selten geläuterte Bürger, sondern häufig äußerlich abgehärtete und innerlich schwache, gefühlskalte Menschen. Vielleicht noch keine Gefährder, aber eben gefährdet, den falschen Leuten ins Netz zu gehen. Projekte wie Heroes müssen auch in den Knästen aktiv gefördert werden.
Dummheit und Stolz
Die Menschen müssen lernen, dass man zwar stolz auf eigene Leistungen sein kann, dass aber überbordender Stolz auf die nationale Herkunft oder die eigenen Religion Bullshit ist und zwar ganz egal, ob es sich um stolze Deutsche oder stolze Türken handelt. Dass Dummheit und Stolz auf demselben Holz wachsen, wussten schon die Altvorderen.
Auch im Erwachsenenstrafvollzug müssen die knastinternen Subkulturen aufgelöst werden. Hier wird angeworben, hier werden Kontakte geknüpft und hier wird radikalisiert. Es müssen ausreichend Gefängnis-Imame ausgebildet werden, die aber gerade nicht von den üblich verdächtigen Vereinen, sondern vom Staat ausgebildet werden. Es braucht mehr gut ausgebildete Sozialarbeiter und Psychologen in den Justizvollzugsanstalten, die in der Lage sind, bedenkliche Gruppenbildungen zu erkennen. Die Hierarchien innerhalb der Gefängnisse führen dazu, dass der eigentliche Zweck der Haft ins Gegenteil verkehrt wird und früher harmlose Weicheier den Knast nach Verbüßung ihrer Strafe als Bandenmitglieder verlassen. Weil die Bande, sei es eine laizistische oder religiös kriminelle, Sicherheit und Schutz verspricht, den man vom Staat als Knacki nicht wirklich erwartet.
Menschenrechte zuerst
Die Einschränkung von Menschenrechten ist kein Mittel gegen Terror. Es gibt überhaupt keine einfache Lösung des Terrorproblems. Wer das behauptet, ist ein Spinner oder ein Wahlkämpfer. Beim Kampf gegen den Terror muss im Gegenteil immer wieder der Wert der Menschenrechte betont werden. Dabei dürfen die Menschenrechte nicht nur Material für Sonntagsreden und Kolumnen sein, sondern sie müssen tatsächlich Basis und Ziel allen staatlichen Handelns sein. Wenn es uns nicht gelingt, unsere freiheitlichen Werte als erhaltenswerte Güter zu begreifen und stattdessen so tun, als seien diese lediglich Hemmnisse auf dem Weg zu einer sicheren Gesellschaft, dann wird es uns nie gelingen, den Terror zu stoppen.