Der Mann mit dem Hut
Ein zunächst banaler Vorgang in Sachsen, ausgelöst durch einen Mann mit Bundesfarbentopfhut, wirft zahlreiche Rechtsfragen auf.
Maik G, ein Mitarbeiter des Landeskriminalamtes Sachsen, ist in dieser Woche durch einen Bericht des ZDF-Magazins frontal 21 bekannt geworden wie ein schwarz-rot-goldener Hund.
Den Unterhaltungswert seiner Aktion am Rande der Anti-Merkel-Demonstration ist von professionellen Satiremagazinen kaum zu toppen. Vielleicht stürmt er mit seinem Hit „Das dürfen sie nicht“ bald die Charts. Jura-Examenskandidaten müssen sich angesichts der bunten Vielfalt der enthaltenen Rechtsprobleme in den nächsten Wochen auf spannende mündliche Prüfungen vorbereiten. Hier ein paar Anregungen, mit welchen Themen man sich intensiver befassen sollte.
Urheberrecht
„Das dürfen Sie nicht.“ ruft Maik G mit empörter, hitverdächtiger Stimme und meint damit ein ZDF-Fernsehteam, das ihn im Anmarsch auf die Demo zunächst von weitem gefilmt hatte. „Sie haben eine Straftat begangen“- Stimmt das?
Man muss hier zwei Dinge auseinanderhalten. Zum einen das Filmen als solches und zum anderen eine spätere Veröffentlichung.
Gemäß § 201a StGB ist in bestimmten Fällen bereits das Filmen (Herstellen einer Bildaufnahme) einer Person unter Strafe gestellt.
§ 201a Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1.
von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt,
2.
eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt,
3.
eine durch eine Tat nach den Nummern 1 oder 2 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht oder
4.
eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in den Nummern 1 oder 2 bezeichneten Art wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich macht und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt.
(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, einer dritten Person zugänglich macht.
(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Bildaufnahme, die die Nacktheit einer anderen Person unter achtzehn Jahren zum Gegenstand hat,
1.
herstellt oder anbietet, um sie einer dritten Person gegen Entgelt zu verschaffen, oder
2.
sich oder einer dritten Person gegen Entgelt verschafft.
Niemand soll in seinem persönlichen Lebensbereich oder in einer entwürdigenden Situation in seinem höchstpersönlichen Lebensbereich ertragen müssen, auch nur gefilmt zu werden. Im öffentlichen Raum wie hier spielt diese Vorschrift keine Rolle, sofern der Gefilmte nicht hilflos ist. Das freiwillige Aufsetzen eines hässlichen Hutes macht eine Person zwar zum optischen Vollidioten, entwürdigt diese aber nicht und macht sie auch nicht hilflos. Maik G irrte also, wenn er meinte, das ZDF-Team dürfe ihn bei dem Anmarsch auf die Demo nicht filmen.
Das bedeutet nun aber nicht zwingend, dass solche legal gemachten Aufnahmen dann auch später in jedem Fall veröffentlicht werden dürfen.
Hier hilft ein Blick in das Kunsturheberrechtsgesetz.
Der Grundsatz des § 22 KUG lautet:
Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.
Aber, von diesem Grundsatz gibt es verschiedene Ausnahmen.
In § 23 Abs. 1 KUG heißt es:
§ 23
(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:
1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;
2. Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen;
3. Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben;
4. Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.
Danach wäre also eine Veröffentlichung völlig okay, da es hier um die Berichterstattung über eine Pegida-Demo gehen sollte, bevor Maik G die Aufnahmen zu einer Aufsehen erregenden Onemanshow umfunktionierte. . Aber wenn es so einfach wäre, wäre es ja nicht Jura, denn die Ausnahme von der Ausnahme, die von der Presse gerne mal „vergessen“ wird, steht in Abs. 2.
(2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.
Gar nicht so einfach. Nachdem nun bekannt wurde, dass Maik G nicht einfach nur ein Mann mit einem lustigen Hut, sondern ein angestellter Mitarbeiter des Landeskriminalamtes Sachsen mit Zugang zu allen in der EDV enthaltenen Ermittlungsverfahren ist, kann man schon sein Interesse daran verstehen, dass seine Vorgesetzten ihn nicht neben René Seyfried stehen sehen sollen oder aber dass seine Pegida-Freunde nicht erfahren sollen, dass er beim LKA arbeitet und ihn für einen Spitzel halten. Allerdings wäre das vermutlich alles gar nicht passiert, wenn Maik G nicht von sich aus auf das Kamerateam zugegangen wäre und diesem erzählt hätte, es begehe eine Straftat. Unterm Strich dürfte das Interesses der Öffentlichkeit an diesem Vorgang die persönlichen Interessen von Maik G überwiegen. Aber je nachdem bei welchem Gericht man landet, könnte das auch ganz anders gesehen werden.
Polizeirecht
Nachdem Maik G die Beamten kontaktiert hat, überprüften diese die Presseausweise der beteiligten Journalisten in slow motion und nahmen deren Personalien. Kann bzw. muss man machen, wenn der Verdacht einer Straftat im Raum steht. Allerdings hätten die Beamten auch wissen können, dass das bloße Filmen im öffetnlichen Raum gar nicht strafbar sein kann und das dem Anzeigeerstatter erklären können. Anderseits sind das keine Rechtskundelehrer. Glaubt man der Presse, wurden die Personalien des Anzeigeerstatters selbst allerdings gar nicht aufgenommen, was natürlich angesichts der Akribie, mit der die Beamten sich den Papieren der Reporter gewidmet haben, ungewöhnlich bis seltsam erscheint. Kann natürlich sein, dass sich Maik G als Quasikollege geoutet und seinen Dienstausweis vorgelegt hat – aber das ist reine Spekulation. Kann auch sein, dass die Beamten annahmen, der Anzeigeerstatter wolle später gar nicht mehr in Erscheinung treten oder was auch immer sie gedacht haben mögen.
Warum der ganze Zirkus 45 Minuten dauern musste, ist allerdings nicht zu erklären. Ein direkter Gesetzesverstoß wird nicht nachweisbar sein. Bloße Sympathie für einen Pegidaanhänger ist ebensowenig strafbar, wie eine latente Antipathie gegen die Presse. Am Freitag entschuldigte sich der Polizeichef immerhin für das Verhalten seiner Beamten und sang das hohe Lied der Pressefreiheit. Vielleicht wäre noch eine Runde Kunsturheberrechtskunde für die Beamten angezeigt.
Arbeitsrecht
Maik Gs Teilnahme an einer Pegidademonstration ist alleine kein Kündigungsgrund. Zum einen ist er kein Beamter und daher nicht zu einer besonderen Verfassungstreue verpflichtet, zum anderen ist die Teilnahme an einer nicht verbotenen Demonstration einer noch nicht verbotenen Organisation von der persönlichen Freiheit des Bürgers abgedeckt und damit zunächst einmal seine Privatsache.
Meinungs- und Demonstrationsfreiheit gelten für jedermann und auch Meinungen die sich gegen die staatliche Ordnung richten werden von dieser staatlichen Ordnung geschützt. Klingt verrückt, ist aber so.
Dass Maik G durch sein skurriles Verhalten eine Straftat begangen haben könnte, ist nicht ersichtlich. Zwar har er die Reporter einer Straftat beschuldigt, die gar keine war, aber der Verdacht einer falschen Verdächtigung liegt ersichtlich nicht vor, da er offenbar ernsthaft davon ausging, dass das Verhalten der Journalisten strafbar sei. Im Hinblick auf eine denkbare Nötigung ist der Sachverhalt ebenfalls recht dünn.
Dass Maik G beim sächsichen LKA beschäftigt ist und in seiner Position Zugriff auf sensible Daten hat, kann einem zwar Angst machen, aus seinem Verhalten und einer Sympathie für Pegida lässt sich aber nicht zwingend der Schluss ziehen, dass er außer einer Neigung für absurde Kopfbedeckungen und rechtradikale politische Positionen noch sonstige Neigungen hat, die auf einen Missbrauch seiner beruflichen Möglichkeiten schließen lassen.
Allerdings sollte der Arbeitgeber sich seinen Hütchenmaik vielleicht einmal genauer ansehen, insbesondere darauf, ob dieser sich auch Informationen beschafft hat, die er zu Ausübung seiner Arbeit nicht benötigte und die dann irgendwie bei anderen gelandet sein könnten. Für eine solche Überprüfung bietet das sächsiche Sicherheitsüberprüfungsgesetz eine rechtliche Grundlage.
§ 5
Sicherheitsrisiken, sicherheitserhebliche Erkenntnisse
(1) Ein Sicherheitsrisiko im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte
1.
Zweifel an der Zuverlässigkeit der betroffenen Person bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit,
2.
eine besondere Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste oder
3.
Zweifel am Bekenntnis der betroffenen Person zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes oder am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung
begründen. Ein Sicherheitsrisiko im Sinne des Satzes 1 kann auch aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zu anderen Personen, insbesondere zum Ehegatten, Lebenspartner oder Lebensgefährten, vorliegen.
(2) Eine Erkenntnis ist sicherheitserheblich, wenn sich aus ihr ein Anhaltspunkt für ein Sicherheitsrisiko ergibt
Ich sage es mal so: Persönlich kann ich Zweifel am Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes oder am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung bei so einem Verhalten nicht abstreiten.
Unmittelbare arbeitsrechtliche Folgen sind für Maik G zur Zeit aber nicht zu befürchten.
Fragen über Fragen
Rechtlich ist der ganze Vorgang also recht vielfältig, allerdings nicht besonders ergiebig im Hinblick auf irgendwelche Konsequenzen gegen die Beteiligten. Politisch dürfte hier aber erheblicher Handlungsbedarf sein. Auch ganz ohne Sachsenbashing wird man feststellen dürfen, dass hier ein merkwürdiges Verständnis der sächsichen Polizeibeamten für die Pressefreiheit aufgezeigt wurde, das auch in anderen Fällen bereits von Journalisten bereits angemerkt wurde.
Dass ein Pegidaanhänger im LKA arbeitet, ist zwar nicht verboten, es lässt aber die Befürchtung wachsen, dass auch andere Polizeibeamten mit dieser Organisation und ihren Zielen übereinstimmen könnten. Es würde mich schon interessieren, ob der Freund und Helfer sich als Freund und Kamerad von Rechtradikalen entpuppt. Können dann Pressevertreter überhaupt noch darauf vertrauen, von der Polizei geschützt zu werden oder muss man befürchten, dass alle gerade mal pinkeln waren, als der Mob die Presse vermöbelt hat? Warum stellt sich der Ministerpräsident hinter das Verhalten der Polizeibeamten und ruft diese nicht – wie die Kanzlerin – dazu auf, die Pressefreiheit zu achten? Waren die politischen Einstellungen von Maik G dem LKA bekannt und wurde er trotz oder vielleicht sogar wegen dieser Einstellungen eingestellt? Mich gruselt es bei der Vorstellung, dass bei der Polizei derartiges Gedankengut weiter verbreitet sein könnte und eine Wendtlerisierung der Polizei bereits Realität sein könnte.