How Far Jerusalem – Eine Festschrift zum 70. Geburtstag Israels

Zum 70 Geburtstag der einzigen Demokraktie in Nahost gratuliert Ulf Kubanke (ehemaliges Mitglied der Deutsch-Israelischen Juristenvereinigung) und zeigt uns seine Sicht der Dinge.


Happy Birthday Israel! Zum 70. geht es drunter und drüber. Einerseits gewinnt man den ESC und darf den Umzug der US-Botschaft nach Jerusalem verbuchen. Andererseits wird ersteres die Gestalten von BDS samt Onkel Roger auf den Plan rufen und letzteres Proteste der Palästinenser verstärken. Einerseits verkörpert man als weltoffener Staat mit Gewaltenteilung, freier Kunst, freien Frauen und freiem Sex ein großartiges zivilisatorisches Inselexperiment inmitten der Wüste. Andererseits muss man sich mit Isisi-„light“-Vögeln wie Hamas/Hisbollah herumschlagen und ist umzingelt von totalitären Regimen. Das Niveaugefälle zwischen einer Stadt wie Tel Aviv und ethisch vorsintflutlichen Systemen wie Teheran oder Riad ist ähnlich groß wie der Unterschied zwischen einem Woody Allen-Film und Isnogud. Letzteres wird ebenso einmal mehr bewiesen durch Abbas unzivilisierte „Tage des Zorns“, seinen antisemitischen Totalausfall bzgl. des Holocaust und die Hamas-gesteuerten Zaun-Proteste. Allesamt selbst ausgestellte Armutszeugnisse, die so tun als habe es Gandhi nie gegeben und hier ohne Not die Chance vergeben, den eigenen Anspruch legitim zu unterstreichen.

So mehren sich auch zum 70. Wiegenfest allüberall – besonders hierzulande – Stimmen, die trotz alles drum herum befindlichen Grauens vor allem „mehr Druck auf Israel, wa!“ einfordern. Ich kann das nicht teilen.

I. Herleitung:

Der aktuell verzwickte Status Quo kann nicht losgelöst von seiner Geschichte betrachtet und bewertet werden. Hätten die Araberstaaten sich damals auf die von den UN vorgeschlagene Zwei-Staaten-Lösung eingelassen, hätte man nunmehr auch simultan den Geburtstag Palästinas feiern können. Dies lehnte die Arabischen Liga allerdings rundheraus ab und überzog den taufrischen Judenstaat mit Krieg und dem postulierten Ziel das “Gebilde” samt Bewohnern zu beseitigen.

Das Ergebis ist bekannt: Israel besiegte die Übermacht. Der Territorialgewinn im Jordanland machte die Umsetzung des ursprünglichen UN-Teilungsplans auf Dauer unmöglich. Das lag gleichwohl nicht etwa an israelischer Expansionssucht, wie gern unsachlich behauptet wird. Die Normativität des Faktischen war vielmehr folgende: Alle arabischen Staaten hätten dem Plan ohnehin niemals zugestimmt. Statt nach dem Holocaust dem Brudervolk die Hand aus zu strecken und zu realisieren, dass auch weiterhin mehr als 90% des Nahost-Territoriums in arabisch-muslimischer Hand sind, gab man sich lieber bockig, inhuman und unwillens zum Teilen mit jenen, die gerade der Ausrottung entgangen waren. Lieber nutzte man die Kriegsfolgen und den sich abzeichnenden Konflikt zum eigenen Vorteil, dem jeweiligen Systemerhalt.

So bürgerte man die Araber, die im Staatsgebiet Israels infolge der Kämpfe ihre Heimat verloren, nicht etwa ein, sondern konstruierte künstlich und dauerhaft einen ewigen Flüchtlingsstatus. Damit konnte man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Zum einen die jeweils eigene Bevölkerung vom Nachdenken abhalten, von was für freiheitsfeindlichen Herrschercliquen sie regiert werden. Zum anderen sicherte man sich qua Taschenspielertrick den nimmer erlöschenden Anspruch auf genau jenes Land, das man im Namen dieser Flüchtlinge, die seither quasi ihre Geiseln sind, selbst verzockte. Bauernschlau? Ja! Respektabel? Ethisch? Nein! Und nebenbei ein Lehrbuchbeispiel für psychopathologisches Verhalten der Sorte “passiv-aggressiv”, an dem der beste Ehetherapeut verzweifeln würde.

Die darauf folgenden Waffengänge gegen und Angriffe auf Israel machten die Lage nicht einfacher., .
Ohne Israels derzeitige Regierung vor Kritik in Schutz zu nehmen: Das Märchen, wonach es besonders bzw. allein Israels Verschulden sei, dass wir es hier mit einer neverending Story zu tun haben, wird auch durch stetige Wiederholung nicht wahrer.

II. Die Gegenwart:

Im Gegenteil: Israelis haben genau so lust auf normale Nachbarn, Frieden, Privatleben, Alltag und Handel, wie alle anderen Gesellschaften auch. Das Makabre: Die feudalistschen Ölmultis könnten Westbank und Gaza aus der Portokasse zum Erblühen bringen.

Wollen sie aber nicht. Warum?

Sie fürchten im Fall des Wegfalls des Konflikts

a) die Konkurrenz der palästinensischen Brüder,
b) den Aufstand der eigenen Völker Richtung Wahlrecht und Demokratie
c) den Wegfall des Sündenbockes Israel, Ablenkungsfaktor für sämtliche selbst gebastelten Missstände.

III. Die Jerusalem-Frage:

Natürlich ist man zunächst versucht, angesichts des Gesamteindrucks, den etliche Trump-Entscheidungen verbreiten, sofort reflexartig eine Gegenhaltung ein zu nehmen. Das wäre jedoch falsch. Denn die Auswirkungen sind schon deutlich komplexer.

1. Ausgangssituation:

UN-Teilungsplan anno 1947. die Schaffung zweier Staaten; dann endgültige Klärung der Hauptstadtfrage mit womöglich Jerusalem West als israelischem und -Ost als palästinensischem Zentrum. Auf dem Papier sieht das nun natürlich einfach wie ein klarer Verstoß aus. Streng genommen ist es das auch. Denn die Resolution ist ja formal noch immer in Kraft.

Doch nun kommt das große „ABER“:

2. In Wahrheit jedoch ist es ein Paket aus Chancen und Risiken.

a) Zunächst einmal gilt es fest zu halten, dass die Entscheidung keine originäre Trump-Entscheidung ist, sondern auf ein Gesetz aus der Clinton-Ära von 1995 abhebt, welches den Umzug bereits vorsah. Das Gesetz wurde von den nachfolgenden Präsidenten stets fristgerecht ausgesetzt. Insofern hat Trump nur diese Blockade gelöst.

b) Risiko oder Chance zum Restart des Friedensprozesses?

Sind wir ehrlich: Momentan ist dort eh alles auf Null. Insofern ist das ne fifty-fifty-Chance. Gab schon schlechtere in Nahost.

Die Chance: Vor allem die Palis könnten hieraus ein diplomatisches Pfund machen. Infrage kommt dort nur die Fatah. Hamas ist kein Verhandlungspartner, da diese (entgegen des Völkerrechts) Israel grundsätzlich nicht anerkennt.

Abbas könnte mithin diesen formalen Völkerrechtsverstoß nutzen, sich ausnahmsweise mal in ein weniger trübes Licht zu hüllen und – statt dem üblichen hysterischen Blutrausch mit Messerintifada etc – beweisen, dass ein Volk, dass nen eigenen Staat will auch ne entsprechend friedliche, politische, zivilgesellschaftliche, erwachsene Antwort hat. Es wäre ganz leicht, hier eine Situation vor den UN zu stricken, die hieraus echte Verhandlungen einfordert. Problem: Der eigene korrupte Laden ist keine Hilfe und die Konkurrenz à la Hamas und einigen weiteren gestehen der Fatah keinen Alleinvertretungsanspruch zu. Damit werden die rivalisierenden Paligruppen einmal mehr an sich selbst scheitern, vermute ich.

c) UN-Verstoß „Ja oder Nein“?

Formal ist es einer, keine Frage. Aber so einfach ist das nicht. Denn ebenso ist es Praxis des Völkerrechts, ältere Resolutionen und Hauptstadtfragen generell anhand der tatsächlichen Gegenwart aus zu legen. Und hier ist einfach viel passiert in 70 Jahren. Die UN wusste damals nicht, dass Israel von Beginn an mit Kriegen überzogen werden würde.

Wenn jetzt also die steinzeitlich-feudalen Ölsysteme das Klageweib geben und damit genau jene Staaten einen auf „Opfer“ machen, die selbst Israel in 70 Jahren nicht anerkannten, den Friedensprozess stets hintertrieben und die Welt per Öl an den Eiern haben (no Underdog-Getue, Baby!), ohne dass es hieraus zu Rügen seitens der UNO etc gekommen ist, ist das erstaunlich heuchlerisch. Dass Israel von jenen in die Asterix-Situation gepresst wird, hat noch keinen Aufschrei in der Staatengemeinschaft ausgelöst. Dabei haben all diese Länder – minus jener, mit denen ein Friedensvertrag existiert, wie Jordanien oder Ägypten – den Konflikt stets zum eigenen Vorteil genutzt und damit jedes ethische und politische Recht zur Einmischung verwirkt.

d) Israel hingegen hat sich zu einem modernen Staat mit echter Demokratie und Gewaltenteilung entwickelt. Natürlich muss sich diese globale Bedeutung auch in der Wahl der Hauptstadt spiegeln. Und hier zeigt die Entwicklung: Alles politisch Wichtige passiert in Jerusalem. Die Knesset ist dort, die Staatsgäste werden dort empfangen. Tel Aviv ist im Vergleich ja eher ne Partymeile…und was für eine!

Nehmen wir – dies im Kopf habend – also das Gebot einer gegenwartsorientierten Auslegung der uralten Resolution und sehen: Ok, die demografische Entwicklung, die politische Gewichtung und die kulturelle Bedeutung zeigen mithin:

Es zeugt von großem Realitätssinn, im resolutionsgemäß westlichen Teil die Botschaft zu eröffnen. Der östliche Teil bleibt davon ja weiterhin unberührt. Also viel Lärm um nichts.

e) Gefahr eines Flächenbrands?

Fast mantrisch und so händeringend wie Helen Lovejoy oder wenigstens Kassandra hört man dies. Ich frage mich dann immer, wo diese besorgten Bürger in den letzten Jahren waren. Nahost steht längst in arabischen bzw. iranischen Flammen. Verglichen mit den Opferzahlen und Auseinandersetzungen untereinander ist der angebliche so zentrale „Nahostkonflikt“ zwischen Isras und Palis sicherlich nicht das größte Holz im Kamin. Tribalistisches Chaos in Libyen? Hauen und Stechen zwischen Sunniten, Schiiten und Alaviten? Bürgerkrieg in Syrien? Chaos und Massaker in Irak oder Jemen? Der tödliche Konflikt zwischen Riads Prinzenrolle und den stalking Imams in Teheran? Mit Ausnahme von zivilgesellschaftlich reiferen Ländern wie Tunesien oder Marokko (die Israel nicht als Sündenbock für die eigene Unfähigkeit zu Frieden und Demokratie hernehmen), ist das doch alles gruselig.

Umso wichtiger für den kleinen, öllosen Staat, hier eine Hauptstadt zu bieten, die strukturell inmitten dieser Hasardeure ein stabiles Gegensignal setzt.

IV. Deutsche Reaktionen und die Ramallah-Anekdote

Wenn die teutonischen Oberlehrer unterwegs sind, wird es immer eng. Dabei gibt es kaum ein Volk, dass noch weniger Ahnung von der Mentalität Nahosts hat.

Dafür jedoch zu viele Dorfrichter von eigenen Gnaden, in jeder Diskussion zu viele  von Grund auf beleidigte Ideologieleberwürste und zu wenig Leute, die jenseits irgendwelcher Schuldfragen versuchen würden, zwei traumatisierte Völker an einen Tisch zu bringen.

Würden hierzulande tatsächlich mal alle die Schnauze halten, die das Thema zu ihrem selbstgerecht masturbativen Trollkaffeekränzchen nutzen, während sie sich an der nur eingebildeten eigenen Kompetenz (meist antisemitisch) aufgeilen, lebten wir alle schlagartig in einem totenruhigen Land.

Doch Nahost kann auch anders, kann auch witzig sein und beiderseits rührend. Ein Beispiel:

Als ich vor etlichen Jahren in einer Gruppe deutscher Juristen beim Bürgermeister von Ramallah zum Tee eingeladen war, war das eine echte Sitcom:

Als “Vorband” gab es einen Fatah-Typen, der aussah als habe man Auda Abu Tay (in der Antony Quinn-Version) mit Roberto Blanco gekreuzt.

Der Gute war auch so drauf. Simultan hochcharismatisch und unfreiwillig komisch berichtete er augenrollend im Tonfall eines Fankurveneinpeitschers von KZs der Israelis, die Vergasungen und Krematorien in der Wüste betrieben. ….so ging das eine halbe stunde lang…

Danach ab zur Residenzvilla des Bürgermeisters. Arafat saß ein paar Häuser weiter nebenan und hatte keinen Bock, rüber zu kommen. In der Küche klapperten lautstarke, komplett verschleierte Frauen.

Er verfügte über ausgezeichnete Manieren; bot Tee an. Nur wenige Minuten nach dem ersten Nippen, dösten die meisten Deutschen komplett weg. Einige richtig mit Schnarchgeräusch und co. Es lag an der stickigen Hitze ohne Klimaanlage. Ich hatte mit wenigen anderen das Glück, sowas besser ab zu können, weil ich neben der hanseatischen DNS ein paar südliche Gene in mir habe. Deshalb bemerkte ich, wie er zuerst immer wütender wurde, weil er das für nicht höflich hielt.

Dann dachte er, es stimme etwas mit dem Tee nicht und ging Wortgefechte mit den Küchenklapperinnen ein, die ihm jedoch recht deutlich zeigten, wo es nicht langgeht. Als dann schließlich jemand die einschläfernde Luft erwähnte, die Nordländer umhaut, wurde es noch komischer und sehr gelöst, sehr herzlich. Gebrochenes Eis.

Bei den Siedlern war es ähnlich amüsant.

Beiderseits (Palis wie Isras) hatte man – bis auf wenige Ausnahmen – das Gefühl, es mit coolen, angenehmen und sehr normalen Leuten zu tun zu haben, die jedoch komplett abtikken, wenn man die Gegenseite auch nur erwähnt.

Und so ist es ja auch. Beide haben dort ihre Heimat, sind dort geboren oder haben Wurzeln in der Gegend. Beide fühlen sich vertrieben und betrogen. Beide brauchen eigentlich mal gute Ideen von außen (haha!), die sich nicht in Oberlehrergetue mit selbstgerechter „Du Rassist“ bzw „Du Wilder!“-Manie ergehen.

Denn:

Rassisten und Arschlöcher gibt es beiderseits in der Politik. Das ist aber egal. Es ist dort mithin wie hier und überall. Man muss die coolen Leute beider Seiten stärken, die vernunftbegabten unterstützen.

Ulf Kubanke

Ehemaliger Anwalt; nun Publizist, Gesprächspartner und Biograph; u.a. für Deutschlands größtes Online-Musikmagazin laut.de.

More Posts

Schreibe einen Kommentar zu Ursula Schwiebert Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert