Der Schuldkultbeender

Jens Maier ist Richter, AfD-Bundestagskandidat und Schuldkultbeender. Kann man so einen Richter aus seinem Amt entfernen?


Er kandidiert für den Deutschen Bundestag auf Platz 2 der Landesliste der AfD. Und er hat Meinungen, die er auch gerne zum Besten gibt.

Für Maier ist die „Herstellung von Mischvölkern“ in Europa „einfach nicht zu ertragen“. Im Hinblick auf die NS-Zeit spricht er von einem Schuldkult, den er für beendet erklärt. Er hält Höcke für einen aufrechten Patrioten und meint, die NPD-Wähler hätten die Partei gewählt, weil sie „die einzige Partei war, die immer geschlossen zu Deutschland gestanden hat“. Am Mittwoch soll Maier, einem Bericht des Vorwärts zufolge, Verständnis für den Massenmörder Anders Breivik geäußert haben. Das bestreitet er.

Der um sich greifende Multikulturalismus, die Vermischung der Kulturen innerhalb westlicher Gesellschaften durch die Einwanderung von „Kulturfremden“, „ist das nicht alles zum wahnsinnig werden?“, fragte Maier weiter. Wenige Minuten zuvor hatte er das Buch „Europa verteidigen“ des Bloggers „Fjordman“ als Anstoß seiner politischen Betätigung bezeichnet. Beiträge Fjordmans hatte auch Breivik in seinem 1500-seitigen „Manifest“ zitiert.  Zitat aus dem Bericht des Vorwärts

Wahnsinnig

Ob der Herr Maier ob des seiner Meinung nach um sich greifenden Multikulturalismus wahnsinnig geworden ist, kann ich natürlich nicht beurteilen. Dass er sich mit seinen Äußerungen aber auch im „Compact“ -Milieu nach ganz weit rechts sortiert hat, schon. Selbst der Identitäre Herr Martin Semlitsch, besser bekannt unter dem Namen Lichtmesz, fühlte sich zu einer Richtigstellung berufen. Abgrenzungen zu Organisationen, die der Verfassungsschutz aus dem Schirm hat? Ach was. Nichts für einen strammen Mann wie Maier.

Es darf keine Berührungsprobleme geben. Die Abgrenzeritis von Ein Prozent, Pegida, Schnellroda und so weiter ist völliger Blödsinn.“

Da stellt sich die Frage, ob jemand, der solche Meinungen vertritt, Richter sein darf. Kann man den nicht einfach rauswerfen?

So einfach ist das aus gutem Grund nicht. Richter genießen einen besonderen Schutz. In Deutschland kann nicht einfach ein Sultan mal so eben ein paar Tausend Richter vor die Tür setzen. Eine Justiz, die so etwas erleben muss, kann nicht unabhängig sein. In Deutschland garantiert Art. 97 des Grundgesetzes:

Art 97

(1) Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.

(2) Die hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richter können wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus Gründen und unter den Formen, welche die Gesetze bestimmen, vor Ablauf ihrer Amtszeit entlassen oder dauernd oder zeitweise ihres Amtes enthoben oder an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden. Die Gesetzgebung kann Altersgrenzen festsetzen, bei deren Erreichung auf Lebenszeit angestellte Richter in den Ruhestand treten. Bei Veränderung der Einrichtung der Gerichte oder ihrer Bezirke können Richter an ein anderes Gericht versetzt oder aus dem Amte entfernt werden, jedoch nur unter Belassung des vollen Gehaltes.

Narrenfreiheit

Dieser extreme Schutz des Richters hängt zusammen mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung. Die soll Machtmissbrauch verhindern, was nur möglich ist, wenn die rechtsprechende Gewalt in ihren Entscheidungen grundsätzlich unabhängig ist. Ein Richter, der fürchten muss, bei missliebigem Verhalten entlassen zu werden, kann nicht unabhängig und nur seinem Gewissen und dem Gesetz unterworfen urteilen. Allerdings ist diese Unabhängigkeit keine Lizenz zur Narrenfreiheit und auch kein Standesprivileg der Richter, sondern lediglich dazu gedacht, die Bindung des Richters an Recht und Gesetz gegen sachfremde Einflussnahmen abzusichern. Gerade dann, wenn es um Rechtsstreitigkeiten gegen den Staat bzw. dessen Organe geht, kann nur der Richter wirklich unabhängig urteilen, dem keine negativen Folgen drohen. Natürlich ist das jetzt alles nur die reine Lehre und natürlich gibt es Richter, die sehr stromlinienförmig darauf achten, ihre Karriere nicht durch allzu freche Entscheidungen zu gefährden. Im Ergebnis ist es dennoch richtig, die Hürden für die Entfernung eines Richters aus dem Dienst recht hoch zu legen.

Aber selbstverständlich geht auch eine Amtsenthebung unter den Voraussetzungen des Deutschen Richtergesetzes.

§ 30 Versetzung und Amtsenthebung

(1) Ein Richter auf Lebenszeit oder ein Richter auf Zeit kann ohne seine schriftliche Zustimmung nur

1. im Verfahren über die Richteranklage (Artikel 98 Abs. 2 und 5 des Grundgesetzes),
2. im gerichtlichen Disziplinarverfahren,
3. im Interesse der Rechtspflege (§ 31),
4. bei Veränderung der Gerichtsorganisation (§ 32)

in ein anderes Amt versetzt oder seines Amtes enthoben werden.

(2) Die Versetzung oder Amtsenthebung kann – außer im Fall des Absatzes 1 Nr. 4 – nur auf Grund rechtskräftiger richterlicher Entscheidung ausgesprochen werden.

(3) Der Versetzung steht es gleich, wenn ein Richter, der mehrere Richterämter innehat, eines Amtes enthoben wird.

Die unter Absatz 1 Nr. 1 genannte Richteranklage scheint es nur auf dem Papier zu geben. Es handelt sich um eine auf Antrag des Bundestages – bei Bundesrichtern – oder eines Landtages – bei Landesrichtern – erhobene Anklage gegen einen Richter, mit dem Vorwurf, innerhalb oder außerhalb seines Amtes gegen Grundsätze des GG oder die verfassungsmäßige Ordnung eines Landes verstoßen zu haben (Art. 98 Absatz 2 GG). Entschieden würde über die Richteranklage vom Bundesverfassungsgericht. Ich kann mich aber an kein solches Verfahren erinnern.

Pflichtverstöße von Richtern können aber auch durch Disziplinarmaßnahmen geahndet werden. Wenn das Dienstvergehen so schlimm ist, dass es nicht einfach durch einen bloßen Verweis geahndet werden kann, kann gegen einen Richter in einem förmlichen Disziplinarverfahren durch Entscheidung des Dienstgerichtes auf Geldbuße, Gehaltskürzung, Versetzung in ein anderes Richteramt mit geringerem Endgrundgehalt oder letztlich auch auf die Entfernung aus dem Dienst erkannt werden.

Verhaltenskodex

Ob Jens Maier gegen § 39 DRiG verstoßen hat, bliebt abzuwarten. Dort heißt es:

§ 39
Wahrung der Unabhängigkeit

Der Richter hat sich innerhalb und außerhalb seines Amtes, auch bei politischer Betätigung, so zu verhalten, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird.

Auf die Idee könnte man bei Maiers Sprüchen ja durchaus kommen. Würden Sie gerne mit jemandem als Richter zu tun haben, der die NPD bejubelt? Das Landgericht Dresden prüft noch Sanktionsmaßnahmen gegen Maier. Das dauert unter Umständen bis zu Bundestagswahl. Sofern Maier dann mit seinem aussichtsreichen Listenplatz in den Bundestag gewählt wird, endet sein Richteramt ohnehin. Es ist also für die Justiz verlockend, das Verfahren nicht allzu schnell zu betreiben.

Schneller wird man einen Richter nur los, wenn der eine Straftat – das könnte auch z.B. eine Volksverhetzung oder eine Rechtsbeugung sein – begeht und dafür rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird.

§ 24
Beendigung des Dienstverhältnisses durch richterliche Entscheidung

Wird gegen einen Richter durch Urteil eines deutschen Gerichts im Geltungsbereich dieses Gesetzes erkannt auf

1. Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer vorsätzlichen Tat,
2. Freiheitsstrafe wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vorschriften über Friedensverrat, Hochverrat, Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates oder Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit strafbar ist,
3. Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter oder
4. Verwirkung eines Grundrechts gemäß Artikel 18 des Grundgesetzes,

so endet das Richterverhältnis mit der Rechtskraft dieses Urteils, ohne daß es einer weiteren gerichtlichen Entscheidung bedarf.

Im Fall Jens Maier gab es einmal Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung, die aber wohl zu Recht eingestellt wurden.

Auch wenn es ärgerlich erscheinen mag und vermutlich nur Parteifreunde von Jens Maier sich über dessen Richter-Beruf so richtig freuen, ist es gut, dass ein Richter nicht so leicht vor die Tür gesetzt werden kann.

Richter dürfen sich ebenso politischen Parteien anschließen wie andere Menschen.„Ein Richter darf sich im Rahmen des § 39 DRiG politisch betätigen, Ämter übernehmen, in der Öffentlichkeit als Funktionär auftreten und sich in diesem Zusammenhang auch für von ihm vertretene Verbandsinteressen einsetzen. Ein partei- oder berufspolitisches Engagement gefährdet demgemäß, wenn nicht weitere Umstände hinzutreten, nach dem Gesetz grundsätzlich nicht das Vertrauen in die Unabhängigkeit des Richters (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 1987 – 2 C 72.86 – juris Rn. 14 f.; Schmidt-Jortzig, NJW 1984, 2057, 2061; Vollkommer in Zöllner, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 42 Rn. 31 f.).

Sie genießen Meinungsfreiheit wie jeder andere auch. Sie dürfen auch dämliche Reden halten und launige Kolumnen schreiben. Allerdings wird von ihnen eine gewisse Mäßigung verlangt und der § 39 DRiG schränkt die Meinungsfreiheit des Richters durchaus ein. Theoretisch zumindest.

Politische Ideen und Auffassungen darf ein Richter allerdings nicht in aufhetzender oder verletzender Weise kundtun, meint der führende Kommentar zum DRiG. Aber auch da hat sich im Laufe der Zeit ja einiges geändert. Dass z.B. deftige Kolumnen eines noch aktiven Bundesrichters unbeanstandet bleiben, wenn der im Recht fischt,  obwohl der zum Vergnügen seiner Leserschaft – mich eingeschlossen – ordentlich auf die Kacke haut,  und teilweise auch gegen Personen ablästert, wäre noch vor 20 Jahren reichlich unvorstellbar gewesen.

Einen gewissen Witz hätte es nun, wenn der Herr Maier wegen seiner umstrittenen Äußerungen sowohl aus dem Amt, als auch aus der AfD entfernt würde. Carsten Hütter, Mitglied des AfD-Landesvorstands soll laut SPIEGEL-Online folgendes gesagt haben:

Das Video der Veranstaltung muss unbedingt ausgewertet werden. Sollten diese Zitate stimmen, müssen wir Konsequenzen ziehen. Dann wäre der Parteiausschluss die einzig richtige Reaktion.“

Kennt man schon von Höcke. Wer’s glaubt wird selig.

Maier macht schon mal die übliche AfD-Rolle – nicht so gesagt, anders gemeint, mausgerutscht etc. – und droht sicherheitshalber

Wenn Äußerungen, ohne zu überprüfen, was wirklich gesagt und gemeint wurde, gegen mich verwendet werden, wird dieser Schuss nach hinten losgehen.“

Da wäre es doch hilfreich, wenn „Compact“ das flugs gelöschte Video wieder freigeben würde. Da könnte sich jeder davon überzeugen, was gesagt wurde, und seine Konsequenzen daraus ziehen. Aber es wird schon Gründe haben, warum „Compact“ das gelöscht hat. Vermutlich rechtliche.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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