Zoff bei den Lombardis

Beim Trash-TV-Ehepaar Lombardi hängt der Haussegen schief. Kein Thema für DieKolumnisten? Aber sicher doch. Es geht um Gewaltschutz und häusliche Gewalt.


Kennen Sie die Lombardis? Wenn nicht, ist das sicher keine Bildungslücke. Die haben sich bei DSDS kennen gelernt. Kennen Sie auch nicht? Macht nichts. Alle Trash-TV-Gucker – und ich bekenne mich dazu, so etwas zur Entspannung sehr gerne zu sehen – dürfen gleich mit dem sechsten Absatz fortfahren. Die wissen Bescheid über Aufstieg und Fall der Lombardis. It’s a tragedy.

Für die anderen Kolumnisten-Leser eine kurze Einführung in die Welt des Trash-TV-Tums. Dieses züchtet sich seine Protagonisten selbst. Die gibt es ja nicht in freier Wildbahn. Pietro Lombardi, optisch ein Kandidat für „Schwiegertochter gesucht“, Swarovskisteinverleger ohne Hauptschulabschluss, eine wandelnde Basecap, und Sarah Lombardi, geborene Engels, das nette Mädchen von neben an, nahmen 2011 an der Casting- und Bashing-Show „Deutschland sucht den Superstar“ teil, einem Format, bei dem zwar noch nie ein echter Superstar gefunden wurde, das aber dank der fiesen Kommentare von Produzentenlegende Dieter Bohlen und des Exhibitionismus der Teilnehmer immer noch brauchbare Einschaltquoten „beim RTL“ erzielt.

Pietro Lombardi gewann den Wettbewerb und Sarah Engels wurde Zweite. Da hatten die zwei sich schon ineinander verliebt, was den Endplatzierungen garantiert nicht abträglich war. Der Beginn einer perfekten TV-Romanze, die beiden trällerten ein Lied zusammen, wurden ein Ehepaar und mehrten sich redlich. Erst gab es den üblichen Nr. 1 Hit, aber da die Beiden sich klugerweise nicht auf die Qualität ihrer musikalischen Fähigkeiten verlassen wollten, begannen sie, sich selbst zu vermarkten. In Reality-TV-Formaten wie Sarah & Pietro… im Wohnmobil durch Italien“ verdienten sie ihr Brot als Verkörperung des Heile-Welt-Traumpaares. Keine Sorge, Sie müssen das nicht ansehen. Das war alles süß und putzig mit der Erotik eines Doris Day Schinkens und dem Sexappeal einer Packung Desinfektionstücher. Tammy, das Mädchen vom Hausboot meets Hans im Glück.

Eine Änderung trat ein, als Sara Lombardi bei der RTL-Tanzshow „Let’s dance“ teilnahm. Da stolperte sie zunächst auch mehr oder weniger gelungen über die Tanzfläche, bis ihr begnadeter Eintänzer, Robert Beitsch, das Dornröschen erweckte und zeigte, dass sie über eine erotische Ausstrahlung verfügt, die sich sehen lassen kann

Da guckte der Pietro schon mal beeindruckt und etwas irritiert aus der Wäsche. Und die gute und liebe Sarah bekam einen gehörigen Schub an Selbst- und Körperbewusstsein. Mag sein – Achtung!1!!1! Trash-Psychologie!!!1! – dass an dieser Stelle eine leichte Verschiebung der ehelichen Balance verursacht wurde. Welcher Mann findet es schon wirklich geil, wenn seine Frau mit einem anderen mal richtig abgeht, dabei strahlt wie ein Honigkuchenpferd und hinterher mit geröteten Wangen nach Luft schnappt? Dann soll die Gattin noch was mit einem Verflossenen gehabt haben oder auch nicht. Aussagefreudige Nachbarn versorgen die BILD stolz wie Oskar mit Informationen von diversen lautstarken Streitigkeiten – wer solche Nachbarn hat, braucht keine Feinde. Egal wie oder was, letztlich entstand ein kräftiger Ehezoff mit dem Ergebnis eines Polizeieinsatzes im trauten Heim in Brühl (bei Köln). Pietro Lombardi bekam von der Polizei die rote Karte in Form eines Rückkehrverbots.

Häusliche Gewalt

Und nun sind wir beim offiziellen Bildungsteil der Kolumne angelangt. Dem Thema häusliche Gewalt und was Sie dagegen tun können.

Die Wohnungsverweisung und das Rückkehrverbot sind in den jeweiligen Polizeigesetzen der Länder geregelt. Hier z.B. das PolG von NRW:

§34a

Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot zum Schutz vor häuslicher Gewalt

(1) Die Polizei kann eine Person zur Abwehr einer von ihr ausgehenden gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer anderen Person aus einer Wohnung, in der die gefährdete Person wohnt, sowie aus deren unmittelbaren Umgebung verweisen und ihr die Rückkehr in diesen Bereich untersagen. Der räumliche Bereich, auf den sich Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot beziehen, ist nach dem Erfordernis eines wirkungsvollen Schutzes der gefährdeten Person zu bestimmen und genau zu bezeichnen. In besonders begründeten Einzelfällen können die Maßnahmen nach Satz 1 auf Wohn- und Nebenräume beschränkt werden.

(2) Der Person, die die Gefahr verursacht und gegen die sich die polizeilichen Maßnahmen nach Absatz 1 richten (betroffene Person), ist Gelegenheit zu geben, dringend benötigte Gegenstände des persönlichen Bedarfs mitzunehmen.

(3) Die Polizei hat die betroffene Person aufzufordern, eine Anschrift oder eine zustellungsbevollmächtigte Person zum Zweck von Zustellungen behördlicher oder gerichtlicher Entscheidungen, die zur Abwehr einer Gefahr im Sinne des Absatzes 1 ergehen, zu benennen.

(4) Die Polizei hat die gefährdete Person auf die Möglichkeit der Beantragung zivilrechtlichen Schutzes hinzuweisen, sie über Beratungsangebote zu informieren, ihr eine Inanspruchnahme geeigneter, für diese Aufgabe qualifizierter Beratungseinrichtungen nahe zu legen und anzubieten, durch Weitergabe ihres Namens, ihrer Anschrift und ihrer Telefonnummer einen Kontakt durch die in der polizeilichen Einsatzdokumentation näher bezeichneten Beratungseinrichtung zu ermöglichen.

(5) Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot enden außer in den Fällen des Satzes 2 mit Ablauf des zehnten Tages nach ihrer Anordnung, soweit nicht die Polizei im Einzelfall ausnahmsweise eine kürzere Geltungsdauer festlegt. Stellt die gefährdete Person während der Dauer der gemäß Satz 1 verfügten Maßnahmen einen Antrag auf zivilrechtlichen Schutz mit dem Ziel des Erlasses einer einstweiligen Anordnung, enden die Maßnahmen nach Absatz 1 mit dem Tag der gerichtlichen Entscheidung, spätestens jedoch mit Ablauf des zehnten Tages nach Ende der gemäß Satz 1 verfügten Maßnahmen. Die §§ 48, 49 des Verwaltungsverfahrensgesetzes bleiben unberührt.

(6) Das Gericht hat der Polizei die Beantragung zivilrechtlichen Schutzes sowie den Tag der gerichtlichen Entscheidung unverzüglich mitzuteilen; die §§ 18 bis 22 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz bleiben unberührt. Die Polizei hat die gefährdete und die betroffene Person unverzüglich über die Dauer der Maßnahmen nach Absatz 1 in Kenntnis zu setzen.

(7) Die Einhaltung eines Rückkehrverbotes ist mindestens einmal während seiner Geltung zu überprüfen.

In den anderen Bundesländern ist das entsprechend geregelt.

Break

Das polizeiliche Rückkehrverbot soll die Kampfhähne und -hühner wie beim Boxen erst einmal trennen, damit die Situation sich etwas entspannt und es nicht unmittelbar nach dem Abrücken der Polizei zu weiterer Gewalt kommt. Fast immer werden die Männer der Wohnung verwiesen. Das muss nicht immer richtig sein. Ich erinnere mich noch gut an einen Fall, bei dem eine Mandantin es seit Wochen darauf anlegte, das gemeinsame Haus für sich alleine zu bekommen. Eines Tages kam sie stolz mit einem blauen Auge an und sagte mir freudestrahlend, “Endlich hab ich ihn soweit gezwiebelt, dass er zugeschlagen hat.“ Nun ja, der Plan war aufgegangen und der untröstliche Ehemann hatte das Spiel verloren. Fies aber nicht ungewöhnlich. Wer schlägt, verliert. Da hätte er besser das Haus verlassen und wäre in die Kneipe gegangen.

Verbotsfrist

Wichtig zu wissen ist, dass es für die Maßnahme der Polizei keiner Ehe oder auch nur Partnerschaft der Streitenden bedarf. Und wichtig ist, dass das polizeiliche Rückkehrverbot nur befristet gilt. Sind die maximal zehn Tage abgelaufen, endet es automatisch, wenn nicht zuvor zivilrechtlicher Schutz beantragt wird. Vorher darf der verwiesene Partner nicht in die Wohnung zurück, auch nicht, wenn die Beteiligten sich wieder versöhnt haben. Es sei denn, die Polizei hebt das Betretungsverbot wieder auf. Das macht die aber normalerweise nicht. Bei einem Verstoß gegen das Rückkehrverbot wird ein Ordnungsgeld verhängt, das üblicherweise bei etwa 500€ liegt. Da lohnt es sich, für den Versöhnungssex ins Hotel zu gehen.

Gewaltschutz

Will man den Partner länger aus der Wohnung verbannen, muss man innerhalb der Frist des Rückkehrverbots zivilrechtlichen Schutz beantragen. Das kann man beim zuständigen Familiengericht (beim Amtsgericht) tun. Zuständig ist das Familiengericht, das für den Ort der Wohnung zuständig ist. Keine Angst, dafür müssen Sie nicht mal zum Anwalt. Den Antrag können Sie selbst schriftlich oder mündlich auf der Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts stellen. Es gibt sogar fertige Musteranträge z.B. bei BIG e.V. Die Rechtspfleger/innen helfen auch bei der Antragstellung.

Natürlich können Sie auch eine Anwältin oder einen Anwalt beauftragen, wenn Sie sich vielleicht im Umgang mit Gerichten unsicher fühlen oder um einfach in der Situation nicht alleine dazustehen. Wenn Sie ein geringes Einkommen haben, wird der Anwalt auch Verfahrenskostenhilfe für Sie beantragen. Das ist inhaltlich dasselbe wie Prozesskostenhilfe, heißt aber in Familiensachen einfach anders. Vermutlich weil „Verfahren“ irgendwie netter klingt als „Prozess“.

Es geht dabei nicht nur um Eheleute oder Partner, sondern um alle Menschen, die in einem Haushalt zusammen leben bzw. mal zusammen gelebt haben, also z.B. um Kinder oder ältere Menschen, die mit im Haushalt sind oder waren.

Anordnungen

Das Gericht kann dann im Wege der einstweiligen Anordnung verschiedene Anordnungen treffen. Typischerweise sind das

  • ein Verbot des Betretens der gemeinsamen Wohnung durch den Täter
  • ein Verbot der Annäherung des Täters an das Opfer
  • ein Verbot der Kontaktaufnahme per Telefon, Brief, E-Mail, Messenger, SMS oder was auch immer
  • eine Verlängerung des befristeten Rückkehrverbotes
  • eine Anordnung der befristete Überlassung der Wohnung an das Opfer – das geht übrigens auch, wenn die Wohnung dem Täter gehört.

Ich hatte einmal eine einstweilige Anordnung, bei der dem Täter zusätzlich untersagt wurde, das Opfer umzubringen und zu verletzen. Obwohl das ja vom Strafrecht her sowieso verboten ist und der Täter sich wohl kaum durch zivilrechtliche Anordnung mehr von einem Mord abhalten lassen dürfte als von einer lebenslangen Freiheitsstrafe, wurde diese Anordnung für zulässig gehalten. Nun ja.

Die einstweilige Anordnung muss vom Antragsteller dann noch durch einen Gerichtsvollzieher an den Antragsgegner zugestellt werden. Das kann manchmal etwas schwierig werden, wenn der sich verdrückt hat. Besser wäre, wenn das Gericht das von Amts wegen machen müsste. Ist aber nicht so. Wenn der Antragsgegner gegen die erlassene Eilentscheidung Widerspruch einlegt, beraumt der zuständige Richter einen Anhörungstermin an. Meist ist da der größte Pulverdampf schon verraucht und man kann sich vergleichsweise auf ein paar Regelungen verständigen. Falls es aber bei der Entscheidung bleibt, sollte der Täter diese unbedingt einhalten.

Verstöße gegen die Anordnungen werden zivilrechtlich mit Zwangsgeldern oder Zwangshaft sanktioniert. Allerdings ist auch hier das Verfahren davon abhängig, dass die Antragstellerin zunächst wieder selbst aktiv wird und deren Verhängung beantragt. Das kann dann ein paar Wochen dauern, ist also auch alles andere als befriedigend gelöst.

Strafanzeige

Man kann auch Strafanzeige erstatten, wenn der Täter gegen die Anordnungen verstößt. Das Gewaltschutzgesetz ordnet an, dass jeder Verstoß gegen diese Beschlüsse strafbar ist.

§ 4 Strafvorschriften

Wer einer bestimmten vollstreckbaren Anordnung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder 3, jeweils auch in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1, zuwiderhandelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Die Strafbarkeit nach anderen Vorschriften bleibt unberührt.

 

Sollten also die Belästigungen, Kontaktversuche oder was auch immer entgegen dem Beschluss nicht beendet werden, kann bei der Polizei oder unmittelbar bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige erstattet werden.

Den hier zugegebenermaßen etwas als Lockmittel und Beispiel zu Fortbildungszwecken missbrauchten Lombardis wünsche ich von Herzen, dass sie ihre Beziehung in den Griff bekommen. Sie sollten mal weniger an ihre Egos als an ihr gemeinsames Kind denken. Vielleicht geht das ja besser, wenn sie die eigene Ehe und Familie künftig nicht mehr zum Marketingobjekt machen. Aber, da wir in einem freien Land leben und die beiden erwachsen sind, sollen die natürlich tun und lassen was sie wollen. Vielleicht geht’s ja auch bald zum Promi Big Brother oder meinem Lieblingstrash-TV ins Dschungelcamp. Da lauern dann Micky Beisenherz und Jens Oliver Haas und sorgen so richtig für den großen Karriereschub. Vielleicht geht Pietro aber auch besser in die Politik. Von nichts eine Ahnung zu haben, schadet da mittlerweile auch nicht mehr.

 

 

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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