Der Trinkwasser-Trick der Ökolobby

Kolumnist Hasso Mansfeld zeigt auf, wie man mit dem Trinkwasser-Trick einen vermeintlichen Öko-Skandal produzieren kann.


Sind beim Thema Glyphosat Hopfen und Malz verloren? Das Pflanzenschutzmittel sachlich zu betrachten scheint in der öffentlichen Debatte zumindest noch immer keine Option. Dieser Tage wird, mit hysterischer Sorge um das deutsche Bier, wieder die gleiche Sau durch die Presselandschaft getrieben wie im vergangenen Jahr zum Thema Muttermilch. Die Strategie hat sich damals für die Ökolobby als effektiv erwiesen, warum also davon abweichen?

Welche Strategie? Nun: Das Dreigestirn aus dem Heranziehen willkürlicher Grenzwerte, der Überinterpretation der Einstufung von Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“, sowie die Fokussierung auf ein emotional besetztes und damit zum Schüren von Ängsten besonders geeignetes Nahrungsmittel. Appellierte man 2015 mit giftiger Muttermilch an Beschützerinstinkte, soll diesmal pestizidbelastetes Bier den genussfreudigen Deutschen ins Mark treffen. Just an dem Tage, an dem im Bundestag namentlich über die Neuzulassung von Glyphosat abgestimmt werden soll. Honi soit…

Forscher oder Lobbyisten?

Aber halt: Hat nicht ein renommiertes Forschungsinstitut die Gefährlichkeit von Glyphosat in 14 führenden Biermarken gerade eindeutig nachgewiesen? Und wurde das nicht von unabhängigen Experten bestätigt? Wenn ich mir nur die panischen Reaktionen unter Facebook-Freunden anschaue, sollte man das meinen.

Doch nichts an dieser verbreiteten Vorstellung ist richtig. Erstens ist das Umweltinstitut München, das den Glyphosat-Bierskandal losgetreten hat, ein privater Verein mit Schwerpunktsetzungen unter anderem gegen den sogenannten (und in seiner Wirkung mehr als umstrittenen) Elektrosmog, gegen TTIP und einer insgesamt eindeutigen politischen Agenda. So spricht man unter anderem auf der Website von Glyphosat als „Ackergift“ und polemisiert gegen „Raubbau ohne Grenzen“. Auch die „Experten“, die nun in diversen Medien zu Wort kommen, gehören entweder zu diesem Institut oder reihen sich unter die üblichen Verdächtigen der Ökolobby ein. Es mag technisch nicht falsch sein ähnlich wie Augsburger AllgemeineStern und Hamburger Abendblatt zu titeln „Forscher finden Pestizid in Bier“. Denn klar, am Umweltinstitut wird auch geforscht. Ein bisschen. Vielleicht. Aber der respektvolle Begriff des Forschers unterschlägt doch, wie interessengeleitet die Untersuchungen sind: „Öko-Lobbyisten finden Glyphosatspuren in Bier“ wäre eine mindestens ebenso berechtigte Schlagzeile. Hinzuzufügen wäre: Sie finden, weil sie genau danach suchen.

Der Trinkwasser-Trick

Denn wenn man sich die Ergebnisse genauer anschaut wurde ja, wie bereits im Falle der Muttermilch, nichts Spektakuläres entdeckt. Die vorgefundene Glyphosatmenge liegt zwar bis zu „300-fach über dem Trinkwasser-Grenzwert “, das aber hat vor allem damit zu tun, dass in Deutschland Grenzwerte für potentiell schädliche Stoffe in Trinkwasser sehr großzügig auf dem niedrigsten möglichen technisch realisierbaren Level angesetzt werden. Der Trinkwasser-Grenzwert für Glyphosat in den USA liegt etwa bei 700 ng/ml, und damit deutlich über dem für die „meistbelastete“ deutsche Biersorte festgestelten Wert von 29,74 Mikrogramm pro Liter (also 29,74 ng/ml). In Deutschland gibt es sogar genau genommen überhaupt keinen Glyphosatgrenzwert für Trinkwasser: Stattdessen hält man sich in der Trinkwasserverordnung an die lange als Nachweisgrenze geltende Schwelle von 0,1 ng/ml für verschiedenste chemische Verbindungen.

Einmal mehr gilt: Dank moderner Technologien kann ich heutzutage in einem Lebensmittel Rückstände von fast allem nachweisen. Dank des Trinkwassertricks kann man diese Rückstände dann zum entsprechenden Skandal aufbauschen. Prinzipiell kann man das mit allen Stoffen machen, für die es in der Trinkwasserverordnung einen Grenzwert gibt. Von Lobbyverbänden, und nichts anderes sind die Ökoverbände in diesem Fall, kann man da wohl kaum Redlichkeit erwarten. Immerhin würden die Glyphosat gerne ganz verbieten lassen, und freuen sich sicher damit auch dem Über-Feindbild der Ökolobby, Monsanto, eines auszuwischen. Doch es wäre Aufgabe der Presse, gegenzusteuern, bzw. einzuordnen.

Hoffnung bei der Berichterstattung

Und hier immerhin zeichnet sich ein wenig Grund zur Hoffnung ab. Ja, die meisten Presseorgane können auf skandalisierende Überschriften nicht verzichten. Man weiß das Aufregung Klicks verspricht, dass die sich selbst bestätigenden „Expertenrunden“ über Tage und Wochen ertragreiche Angstlustdebatten versprechen. Man kennt das Spiel und spielt es gerne mit. Auf der anderen Seite: Der Ton in den Artikeln selbst wird sachlicher, wenn nicht gar kritisch. So stellte das Bundesamt für Risikoforschung auf Anfrage des Stern klar „Um gesundheitlich bedenkliche Mengen von Glyphosat aufzunehmen, müsste ein Erwachsener an einem Tag rund 1000 Liter Bier trinken.“ Weitere Medien griffen diese Relativierung in ihrer Berichterstattung prominent auf. Die Zeit titelte sogar in ihrer ersten Meldung: „Glyphosat in Bier – BfR: unbedenklich für Konsumenten.“ Eigentlich eine Null-Meldung.

Da hat man, wie es scheint, durchaus den ein oder anderen Schluss aus der Muttermilchpanik gezogen, scheut sich aber, diese Schlüsse auch selbstkritisch öffentlich mitzuteilen. Doch zumindest bei der Presse ist Hopfen und Malz noch nicht verloren: Der nächste Glyphosatskandal könnte den Panikmachern auch um die Ohren fliegen. Hoffentlich.

 

Der Beitrag erschien zuerst auf Meedia.

Hasso Mansfeld

Mit seinen Kampagnen Ostpakete für den Westen und Bio goes Lifestyle setzte Hasso Mansfeld gesellschaftliche Akzente. Er ist Diplom-Agraringenieur und fand durch seine Karriere in der Markenartikel-Industrie zur Publizistik. Viermal wurde er mit dem deutschen PR-Preis ausgezeichnet. Gemeinsam mit Christoph Giesa organisierte er die Facebookkampagne „Joachim Gauck als Bundespräsident“ und hat die liberale Ideenschmiede FDP Liberté im Netz initiiert. Mansfeld trat als Kandidat der FDP für die Europawahl an. Hasso Mansfeld arbeitet als selbstständiger Unternehmensberater und Kommunikationsexperte in Bingen am Rhein.

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