Un dat dat dat darf!

Marie-Agnes Strack-Zimmermann zog in einer Büttenrede über Friedrich Merz her. Empörung in Teilen der Union waren die Folge. Darf die das? Eine Kolumne von Heinrich Schmitz.


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Es ist kein Geheimnis, dass ich den rheinischen Karneval mag. Das macht mich in Teilen der Bevölkerung zwar zu einem grenzdebilen Idioten, aber, wissen Sie was: Das ist mir komplett egal.

Nun ist meine karnevalistische Sozialisation eher im Bereich des Kölner Karnevals, also des Fastelovends angesiedelt. Die eher steifen Sitzungen – vor allem in den früheren Jahren – des Aachener Karneval-Vereins (AKV) in denen Männer im Anzug und Frauen in Abendkleidern sich gepflegt langweilten, weil sie halt als Politiker da auftauchen mussten, waren nie mein Ding. Ja nun, das ist halt Geschmackssache. Mir war der weniger politische, aber dafür bunte und laute Blödsinn des Kölner Karnevals immer näher. Deshalb hatte ich mir die Verleihung des Ordens wider den tierischen Ernst in der Vergangenheit auch eher selten – und schon gar nicht ganz – angesehen. Und auch bei der diesjährigen Verleihung hatte ich nicht die Absicht, mir das anzutun. Aber beim Zappen sah ich dann Frau Strack-Zimmermann in einem krassen Outfit als Vampirin. Und die zog ordentlich vom Leder.

 Spieglein, Spieglein in der Hand:
Wer ist die Schönste im ganzen Land?
Frau Vorsitzende, Ihr seid die Schönste hier.
Doch Flinten-Tine
– ach nee, Pistolen-Boris auf der Hardthöhe –
ist noch tausendmal schöner als Ihr.

Ach Spieglein, mich interessiert es einen Driss,
wer unter mir Minister ist!
Als Mensch, als Frau, als Silberrücken,
konnt‘ ich schon Düsseldorf entzücken!

Die Böse

Nun ja. Frau muss ja irgendwie anfangen und die Nummer mit dem Spieglein ist ja jahrzehntelang im Kölner Karneval vom Rumpelstilzchen erprobt. Der Silberrücken zeigte gleich die erwünschte Selbstironie – oder vielleicht auch nicht. Egal, würde der Wendler sagen. Allerdings weiß ich nicht, ob sie bedacht hat, dass die böse Königin am Ende des Märchens auf Schneewitchens Hochzeit solange auf glühenden Kohlen tanzen muss, bis sie tot umfällt.

Von Kopf bis Fuß ganz formidabel,
ohne Zweifel ministrabel.
In jeder Talkshow ein Gewinn,
weil ich die Allergeilste bin.

Wer stört mich da so laut und wild
im Zwiegespräch mit meinem Bild?
Und dann auch noch mit Laylas Noten?
Wurden die nicht längst verboten?

Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit? Ich weiß nicht, ob sie die Allergeilste ist, aber sie lässt sich jedenfalls von Männern nichts sagen. Und nein, Layla wurde natürlich nicht verboten, obwohl sie angeblich geiler ist.

Ach, jetzt verstehe ich den Krawall:
In Aachen tobt der Karneval!
Ich komme heut als Königin,
weil ich derzeit die Böse bin.

Ja, böse ist diese Königin. Wunderbar böse.

Böse auf der Zwergen-Schar,
die toxisch‘ Männlichkeit gebar.
Ihr kennt die Zwerge, die ich meine,
mit ihrem Ego nah’ der Beine.

50 shades of Nockherberg

Jetzt wurde ich aufmerksam. Wer mag da wohl alles „derbleckt“ werden? Ja, is denn scho Nockherberg?

Manche dieser Zwergen-Fritzen,
sehe ich in diesem Saale sitzen.

Da gibt es den Berg-Zwerg, der in Bayern wacht:
Das Zerrbild tumber Manneskraft
sucht täglich für sich neue Themen,
oszilliert stets in Extremen.

Erst wurden Rentner unverzagt
von der Parkbank weggejagt.
Dabei akribisch kontrolliert,
wer sich zu Hause amüsiert
und wer am Tag nicht weggezerrt
wurde des Nachts gleich eingesperrt.

Er trug die Maske auch allein,
heuchelt für den schönen Schein.
und die mit ihm so schlimm regierten,
bei Masken-Deals fest abkassierten.

Peng. Das hat gesessen. Das schluckt der Söder, Starkbieranstich-erfahren und nimmt’s mit der notwendigen Fassung. Es ging aber noch weiter für ihn:

Jetzt dreht er 180 Grad
und findet alle Masken fad.
Ein Schelm, der denkt,
dass Masken nur man braucht,
wenn ein Amigo sie verkauft.

Jetzt muss er zittern vor der Wahl,
dass nicht auch so ein Kabal‘
erwidert jene Niedertracht,
die er einst Armin hat erbracht.

Ritter Friedrich

Das war schon mal eine Breitseite an Söder, die gesessen hat. Aber der war ja nicht der einzige Zwerg im Saal. Denn nun kam der Ordensritter Friedrich an die Reihe, ein Ritter von der traurigen Gestalt Für was der den Orden 2006 bekommen hat, weiß ich nicht. Durch einen irgendwie erkennbaren Humor ist der Mann mir noch nie aufgefallen. Der Präsident des AKV hatte das damals so begründet:

Sein Vorschlag, die Steuer auf einem Bierdeckel zu erklären, ist ein Beweis für seine Fähigkeit, in Bildern zu sprechen und kniffelige Situationen mit Witz und Humor zu entkräften

Aha. Ich meine mich allerdings zu erinnern, dass das mit dem Bierdeckel durchaus sein tierischer  Ernst war. Merz eigene Rede damals war wohl in Teilen ein Plagiat, aber geschenkt, ist ja nur Karneval und keine Dissertation. Da darf man klauen, was das Zeug hält. Nur blöde, wenn man dabei erwischt wird.

Flak-Zimmermann

Die böse Königin, Spitzname Flak-Zimmermann, wurde diesem gerecht und schoss den Flug-Zwerg Merz treffsicher ab:

Von Bayern schnell ins Sauerland
zum Flug-Zwerg aus dem Mittelstand.
Den wollte zweimal keiner haben,
weil er nur schwerlich zu ertragen.

Noch so ein alter weißer Mann,
der glaubt, dass er es besser kann.
Die Sitten, supponiert er voller Trauer,
sind nicht mehr wie bei Adenauer.

Nach außen bürgerlicher Schein,
im Herzen aber voll gemein.
Wer vor Krieg geflohen ist,
verhöhnt er als Sozialtourist.

Heißt ein Junge Ali und nicht Sascha
beschimpft den als Grundschul-Pascha.
Und alle Klimaaktivisten
sind für ihn nur noch Terroristen.

Doch treibt’s ein Nazi-Prinz zu wild,
dann wird der Flug-Zwerg plötzlich mild.
Beherzt er auf die Schwachen drischt,
weil er so gern im Trüben fischt.

Gerade die, die christlich selbst sich wähnen,
sollten sich für ihn was schämen.

Allein das Gesicht von Merz in diesem Moment, unbezahlbar. Da war der Sauerländer aber richtig sauer, während der bei ihm sitzende Ministerpräsident Wüst ganz wüst grinste. Dem gefiel das offenbar. Merz lieferte eine böse Miene zum guten Spiel und ich lachte mich auf dem Sofa schlapp.

Danach gab es noch heftige Seitenhiebe auf Putin, den Vodkazwerg und Kriegsverbrecher, Berlusconi, die Mullahs, Xi und die rumänische Regierung. Von denen war selbstverständlich niemand im Saal. Und beschwert haben die sich bisher auch alle nicht.

Die Koalitionszwerge Lauterbach, Scholz und Habeck wurde eher milde verarscht:

Es gäb‘ wohl weniger Barbarei,
Wären die Throne zwergenfrei.
Bei allem Schimpf-Getöse –
es sind nicht alle Zwerge böse.

Der Klabauter-Zwerg ist stets maskiert,
wenn Harvard-Studien er zitiert.
Der Kanzler-Zwerg führt die Regie,
das geht trotz schwerer Amnesie.

Und der Zwerg, der Bücher schrieb fürs Kind,
lernt grad, was Insolvenzen sind.
Das sind jetzt die neuen Freier
in meinem ersten flotten Dreier.

Lindner

Christian Lindner wurde zum Porsche-Zwerg

Jetzt wird alles rausgeblasen:
Der Porsche-Zwerg darf weiter rasen.
Und ein frivoler Doppel-Wumms
gehört in jeden guten Bums.

So treiben wir es im Haushaltsloch,
die Ekstase kommt wohl noch.
Doch, wenn man auf das Trio blickt,
ist noch nicht klar, wer wen hier – am meisten leiden kann.

Nun ist das zwar keine höhere Dichtkunst, aber für eine Laien-Büttenrede doch recht ordentlich. Es gab den verdienten Applaus und das hätte es dann auch gewesen sein können.

Rächer Czaja

Aber das wollte man in der CDU nicht so stehen lassen. CDU-Generalsekretär Mario Czaja, als Rächer des enterbten Merz, sagte gegenüber der „Rheinischen Post“:

Das war ein neuerliches Unterschreiten von anständigem Umgang und anständiger Sprache.

Er meinte damit nicht etwa seinen Vorsitzenden und dessen Worte von „kleinen Paschas“, nö, der meinte ernsthaft diese Büttenrede. Czaja erwarte, dass sich Strack-Zimmermann bei Merz entschuldige. Aha. Wofür genau? Und mit welchem Recht? Ist der Czaja nun der Betreuer von Merz oder fühlt er sich als Sancho Panza ?

Durfte die Büttenrednerin etwa nicht sagen, was sie gesagt hat? Ist es nicht zutreffend, dass Merz drei Anläufe brauchte um endlich – Dank des blöden Grinsens von Laschet – doch noch sein vorläufiges Lebensziel als CDU-Boss zu erreichen? Ist es nicht zutreffend, dass er sich zu den Spähaktionen des Alten nicht äußern wollte? Ist es nicht zutreffend, dass er Kriegsflüchtlinge als Sozialtouristen bezeichnete oder von kleinen Paschas sprach? Ja nun, so ist das halt im politischen Karneval, dass einem die eigenen Verfehlungen schonungslos um die Ohren gehauen werden. Und wenn jemand die Frage stellt, „Darf dat dat?“, kann die Antwort nur lauten, „un dat dat dat darf“.

Narrenfreiheit

Rechtlich ist die Büttenrede von Frau Strack-Zimmermann jedenfalls völlig unproblematisch. Soweit sie sich auf Fakten bezieht, ist alles nachweisbar, soweit sie eine Meinung vertritt, nämlich dass sich die, die sich christlich wähnen, schämen sollten, ist dies von der Meinungs- in diesem Fall in Form der Narrenfreiheit locker gedeckt.

Zwar waren es in der Historie eher die „kleinen Leute“, die im Narrengewand gegen die Herrschenden anstinken durften, ohne dafür Strafe fürchten zu müssen; aber irgendwie ist die FDP ja auch eher klein.

Schon in der Antike wurde von den Herrschenden anerkannt, dass in der Komödie Charaktere straffrei dargestellt werden durften, die respektlos gegen Götter und Menschen sind. Hätte Herr Czaja Erasmus von Rotterdams „Lob der Torheit“ – immerhin aus dem Jahr 1509 – gelesen, dann hätte er gewusst, dass „in der heilsamen Torheit die wahre Weisheit und in der eingebildeten Weisheit die wahre Torheit“ liegt.

Ja, Herrn Czajas Forderung nach einer Entschuldigung ist wahre Torheit. Wie Herr Czaja auf die Idee kommt, man müsse sich für eine Büttenrede entschuldigen, weiß ich nicht. Mag sein, dass man das in Berlin mit dem Karneval nicht so richtig einschätzen kann. Aber selbst wenn das keine Büttenrede gewesen wäre, ist am Inhalt der Rede nichts, aber auch gar nichts, zu finden, was eine Entschuldigung erfordern würde.

Man muss weder als Parteivorsitzender, noch als Generalsekretär der CDU (bedeutet das etwa Club der Unlustigen?) über keinerlei Humor verfügen, das ist okay, aber man sollte dann doch wenigstens ein Gespür dafür entwickeln, wann man sich durch erregte Empörung selbst zum Affen macht. Da steht man dann wie ein armes Würstchen da, das zwar gern austeilt, aber nicht einstecken kann. Leberwurst und so. Ein Olaf Scholz hätte das schon wieder vergessen, bevor der Applaus verklungen war.

Ventil

Als Teil des staatlichen Machtapparates sollten Politiker doch am besten erkennen, dass ihnen die Narrenfreiheit im Grunde nützt. Denn was da alljährlich an Spott und auch Häme über die „Mächtigen“ verbreitet wird, ist ein Ventil. Gäbe es das nicht, müsste manch einer sich ernsthaft vor dem Zorn der Menschen fürchten, die den Überdruck anders nicht loswerden. So redet vorne jemand in der Bütt, alle lachen und wenn der Angesprochene auch lacht, ist alles in Butter. Ihm wird Humor attestiert, die Luft ist raus und alle sind zufrieden. Wer das nicht einstecken kann, dürfte kaum das Zeug zum Bundeskanzler haben. Hoch erregte Potentaten braucht niemand, und wer nicht über sich selbst lachen kann, der sollte solche Veranstaltungen meiden und nicht so tun, als sei er ein Ritter wider den tierischen Ernst. Vielleicht dachte Merz ja bei seiner Ernennung, es handele sich bei diesem tierischen Ernst um Klaus Ernst und deshalb nahm er den Orden an. Aber auch das weiß ich nicht.

Show must go on

Schön übrigens, dass das absurde Theater dank Czaja und anderer CDUler auch nach der Sitzung fortgeführt wurde. Die Behauptung, ihre Rede sei „unter der Gürtellinie“ gewesen, konterte Frau Strack-Zimmermann im Haupstadt-Podcast treffsicher  damit, sie wisse nicht, wo Herr Czaja seine Gürtellinie habe – wahrscheinlich unter dem Hals. Bingo. So blamiert man den Generalszwerg bis auf die morschen Knochen.

Den diesjährigen Orden bekam übrigens Annalena Baerbock. Aber da hatte ich schon weitergezappt.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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