Chapeau, Herr Präsident

„Ich bin nicht dafür, den Wortlaut zu ändern.“ Mit wenigen Worten hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die aufgeblasene Diskussion um eine Umformulierung der Nationalhymne in einem Interview quasi en passant abgeräumt. Würden alle so souverän reagieren, würde manche Phantomdebatte gar nicht erst entstehen und manches populistische Süppchen nicht so heiß gekocht.


Kurz und trocken nennt man das wohl. „Nein. Ich bin nicht dafür, den Wortlaut zu ändern“, war alles, was Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einem Interview mit einer Regionalzeitung zur Forderung nach einer Neuformulierung der Nationalhymne zu sagen hatte. Und das war genug.

Im Vergleich zu den Hymnen der USA, Italiens und Frankreichs, wo es darum geht, „bereit zum Tod zu sein“ und kämpfen zu wollen, „bis unreines Blut unserer Äcker Furchen tränkt“, ist die dritte Strophe von Hoffmann von Fallerslebens „Lied der Deutschen“ – und nur um diese Strophe geht es-, zarteste Lyrik. So hat es Golo Mann einmal ausgedrückt. Und am Wörtchen Vaterland würde ich mich ebenso wenig stören, wie ich mich an der Muttersprache oder an Mutter Natur störe.

Aber: Egal, ob es um die Hymne geht, das Dauerthema Integration oder Heilkräuter in Schulgärten. Irgendwer fordert etwas, und je absurder es ist, desto höher schlagen die Wellen – bei Facebook, bei twitter oder wie die Empörungsbeschleuniger sonst alle heißen. Und wem nutzt das? Vor allem den Empörungsprofis, die das Skandalisieren zu ihrem politischen oder geschäftlichen Modell gemacht haben. Und die sind damit bekanntlich so erfolgreich, dass es einen wundert, warum es in den Rhetorikschulen noch keine Kurse „Empörung für Einsteiger“ gibt. Natürlich lässt es sich prima über die Empörer empören, aber dann darf man nicht jammern, dass die Empörer ihren Echoraum finden und sich danach noch mehr empören.

Kein neues Feuer für die Empörten

Besser ist es, so souverän zu reagieren wie der Bundespräsident und nicht über jedes Stöckchen zu springen, das einem von den üblichen Verdächtigen oder von Playern aus der zweiten Reihe, die sich auch einmal im Glanz der öffentlichen Sonne sonnen wollen, hingehalten wird.

Mit jedem weiteren Wort hätte Steinmeier einer Nirwarna-Diskussion nur weiteres Feuer gegeben, an dem sich dann auch der eine oder andere Populist hätte wärmen können. Es wäre daher nicht schlecht, würde sich manch einer ein Beispiel an Steinmeier nehmen. Oder an Karl Valentin, von dem der Ratschlag stammt: „Am besten nicht mal ignorieren.“

Andreas Kern

Der Diplom-Volkswirt und Journalist arbeitet seit mehreren Jahren in verschiedenen Funktionen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Kern war unter anderem persönlicher Referent eines Ministers, Büroleiter des Präsidenten des Landtages von Sachsen-Anhalt sowie stellvertretender Pressesprecher des Landtages. Er hat nach einer journalistischen Ausbildung bei einer Tageszeitung im Rhein-Main-Gebiet als Wirtschaftsredakteur gearbeitet . Aufgrund familiärer Beziehungen hat er Politik und Gesellschaft Lateinamerikas besonders im Blick. Kern reist gerne auf eigene Faust durch Südamerika, Großbritannien und Südosteuropa.

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