Sturm auf Berlin – Das Demoparadoxon
Heute Kinder wird‘s was geben. Demos in Berlin und der Rechtsstaat. Eine Kolumne von Heinrich Schmitz
Coronaleugner, Coronamaßnahmengegner, Nazis, Impfgegner, Quer- und Nichtdenker, bunte Menschen,braune Menschen, Friedliebende, Gewaltbereite, Bewaffnete, wer auch immer. Glaubt man dem Rauschen in den sozialen Medien, dann steht Berlin heute vor der Mutter aller Schlachten. Trillionen, ach was, Trilliarden von Systemgegnern stürmen die Hauptstadt. Okay, angemeldet sind wohl 22.000, aber die werden nach dem Hahnemannschen Prinzip potenziert, geschüttelt, gerührt – Sean Connery ist 90 – , gebumst, geklopft, was weiß ich, bis es passt. Deutschland, Deutschland über alles. Von der Reichskriegsflagge bis zur Reichskriegsgurke sollte alles am Start sein zur größten Schwurbelshow, die Deutschland je gesehen hat. Da wird der Trump aber staunen.
Die Demos der diversen Gegner von staatlichen Maßnahmen, der Verächter des Rechtsstaats, des Systems, der „Schulmedizin“, des RKI, von Bill Gates und den Reptiloiden – ein schöner Bandname –, der Anhänger des paranoiden Gurkenführers, sie werden marschieren. Das „System“, das ihnen jede Meinungsäußerung verbietet, das sie knechtet und versklavt, das von Marionetten des „Finanzjudentums“ geführt wird, um die Menschheit zu reduzieren, alle Menschen zwangszuimpfen und komplett zu verchippen, dieses System hat ihnen den Weg frei gemacht, sich erneut in Berlin zum Affen zu machen. Mögen sie es tun und mögen sie die ihnen gemachten Auflagen einhalten und beseelt in vollen Bussen, PKWs und Zügen nach Berlin an- und von dort wieder abreisen. Und mögen die Affen mir verzeihen, war nicht so gemeint. Das Ansteckungsrisiko bei der An- und Abreise dürfte größer sein als das auf der Straße. Heil Corona.
Die Berliner Versammlungsbehörde wollte den Aufmarsch der Unwilligen und Denkunwilligen verbieten; der Rechtsstaat in Form des Verwaltungsgerichts lässt sie nun demonstrieren.
Die 1. Kammer verneinte das von der Versammlungsbehörde angenommene Vorliegen einer nach dem Versammlungsgesetz für ein Versammlungsverbot zu fordernden unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit bei der geplanten Versammlung. Die von der Versammlungsbehörde angestellte Gefahrenprognose genüge nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben.
Das Gericht hat dem Veranstalter allerdings ein paar Auflagen zur Einhaltung des Mindestabstandes gemacht: So muss dieser im Bühnenbereich Gitter zur Vermeidung einer Personenballung aufstellen, und er muss mittels beständig wiederholter Durchsagen und unter Einsatz seiner Ordner sicherstellen, dass auch die übrigen Teilnehmer die Mindestabstände einhalten. Das Gericht hat abschließend ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es der Versammlungsbehörde frei stehe, ggf. weitere Auflagen zur Einhaltung des Mindestabstandes zu erlassen. Außerdem wurde die geplante sternförmige Kundgebung in eine gerade Strecke geändert, was dem Veranstalter stinkt, weil seine Kabel nicht so lang sind.
Dabei hätte die Versammlungsbehörde doch wissen können, dass es nicht so einfach ist, eine Demo zu verbieten. Es hätte schon gereicht, meine Kolumne zum „Dummonstrationsrecht“ zu lesen und zu verstehen. Ja, okay, ich weiß dass das nur besonders kluge Menschen tun. Aber Scherz beiseite. Vielleicht sind es nicht zwingend die besten Juristen, die bei der Polizei arbeiten, ich weiß es nicht.
Abwägungsfehler
Klar, es gibt die Möglichkeit eines Demonstrationsverbots. Aber dann muss man mit seiner Begründung schon sehr gründlich sein. Und im Berliner Fall ist es so, dass die Versammlungsbehörde zwar eine Abwägung zwischen dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und dem auf Gesundheitsschutz vorgenommen, dabei aber offenbar die Regelungen des eigenen Berliner Infektionsschutzgesetzes übersehen hat. Kann ja passieren. Nobody is perfect, aber Nobody arbeitet da nicht.
Denn dort sind zwar diverse Auflagen für Großveranstaltungen vorgesehen, aber eben auch folgende Regelung:
§ 6 Personenobergrenzen bei Veranstaltungen
….
3) Absatz 1 und 2 gilt nicht für
1. Religiös-kultische Veranstaltungen im Sinne des Artikel 4 des Grundgesetzes und Artikel 29 Absatz 1 der Verfassung von Berlin,
2. Versammlungen im Sinne des Artikel 8 des Grundgesetzes und Artikel 26 der Verfassung von Berlin, …
Ein Maskengebot im Freien sieht die Berliner SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung schon grundsätzlich gar nicht vor. Blöd aber auch.
Berliner Recht
Und so war es kein großes Wunder, dass sich das Verwaltungsgericht ganz einfach auf das geschriebene Berliner Recht bezog und das Verbot unter entsprechenden Abstandsauflagen aufhob.
Das mag nun die politischen Gegner der Systemgegner ärgern, unterm Strich ist es aber nicht nur eine richtige Entscheidung, sondern gleichzeitig das beste Mittel, den Diktaturgläubigen den Zahn zu ziehen, Deutschland sei kein Rechtsstaat.
Es ist zwar an Schizophrenie kaum zu überbieten, wenn ausgerechnet diejenigen, die behaupten, in der Merkeldiktatur keine Rechte zu haben und zum Umsturz aufrufen, die Gerichte dieses Staates und dessen Gesetze anrufen, wenn die Exekutive ihnen den „Sturm auf Berlin“ verbieten will, aber es ist doch sehr schön, dass die Gerichte unabhängig vom Inhalt der geplanten Demos und deren unappetitlichen Protagonisten das tun, für das sie da sind. Recht zu sprechen. Ohne Ansehen der Person. Auf den Inhalt einer Demonstration kommt es eben gerade nicht an. Sie muss nur friedlich und ohne Waffen unter Einhaltung rechtmäßiger behördlicher Auflagen vonstatten gehen.
Es ist ein altes Paradoxon, dass der Rechtsstaat nur dann ein Rechtsstaat ist, wenn er auch seinen Feinden dieselben Rechte einräumt wie seinen Freunden. Das birgt Gefahren für die freiheitlich demokratische Grundordnung, aber es wäre eine wesentlich größere Gefahr für diese, wenn man Demonstrationen aufgrund ihres zu erwartenden Inhalts verbieten würde.
Keine Bühne
Natürlich kann ich verstehen, wenn der Innensenator Corona-Leugnern keine Bühne geben will. Diese Haltung ist ja auch sehr schön, alleine, sie deckt sich nicht mit den gesetzlichen Vorgaben. Und gerade als Innensenator sollte man doch Hüter der Verfassung und deren Grundwerten sein. Da hätte man eben eine andere Infektionsschutzverordnung machen müssen, die z.B. eine Maskenpflicht auch bei Demonstrationen im Freien vorsieht. Hat man aber nicht. Und wenn so eine Maskenpflicht für andere Demonstrationen nicht gilt, dann gilt sie auch für Gegner der Maskenpflicht nicht. Gleiches Recht für Alle.
Nun bin ich gespannt, wie das heute so laufen wird. Die Polizei wird so oder so eine Menge zu tun haben, insbesondere wenn die Demonstranten sich nicht an das Abstandsgebot halten sollten und der Veranstalter das nicht in den Griff bekommt. Dann kann die Demo in Windeseile und gegebenenfalls mit Wasserkraft sehr schnell zu Ende sein. Ob die Polizei dann mit geplanten 3000 Polizisten klarkommt, ist angesichts der Trillionen von erwarteten Demonstranten, die zum Teil mit Reichsflugscheiben anreisen werden, nicht abzusehen. Vielleicht macht man es da besser wie beim Metzger, wo es auch ein bisschen mehr sein darf.
Resthirn?
Sollten die Demonstranten allerdings noch über Spuren von Resthirn verfügen, werden sie sich peinlich genau an die Vorgaben halten. Dann bin ich allerdings gespannt, wie die Demoredner der Menge erklären wollen, dass sie wahlweise in einem Polizeistaat, einer Diktatur oder in einer BRD-GmbH leben, die ihnen jegliche Rechte genommen und ihnen einen Maulkorb verpasst hat.
Selbst der Dümmste unter den Dummen müsste doch begreifen, dass er in einem totalitären System längst in einem Umerziehungslager gelandet wäre oder ihm jemand was in den Tee gekippt hätte.
Wenn Sie gehofft hatten, die Versammlungsbehörde hätte ein Demonstrationsverbot gerichtsfest hinbekommen, grämen Sie sich nicht, diese Hoffnung hatte ich durchaus auch. Heute ist nicht alle Tage, das kommt wieder, keine Frage. Spätestens dann, wenn die Dummonstranten auf Krawall gebürstet oder bewaffnet sind und den Anweisungen der Polizei nicht Folge leisten oder innerhalb der Demo irgendwelche Straftaten begehen, ist Schluss mit lustig. Und dann hat das nächste Verbot mit einer entsprechenden Begründung auch eine realistische Chance, vor den Gerichten zu bestehen.