Das Deutschlandlied beim CSD
Wolfgang Brosche kritisiert das jüngst bestimmte Motto des Kölner CSD im Jahr 2020
Bild von Corinna Behrens auf Pixabay
Fast könnte man vermuten, der sektiererisch-rechte, fromm-vaterländische David Berger – aus dem linken Berlin heim ins Reich des schunkelnden Katholizismus, nach Köln, zurückgekehrt – habe sardonisch wie ein Gründgens-Mephisto seine schmutzigen Finger im Spiele gehabt als zum Kölner CSD-Motto des Jahres 2020 die Schlagworte des Deutschlandliedes „Einigkeit und Recht und Freiheit“ vom der KluST, dem Kölner Lesben und Schwulentag, ausgewählt oder genauer „ausERwählt“ wurde.
Nun behaupten tatsächlich nicht wenige bürgerliche Salon- und Wohnzimmerschwule, das sei doch eine schöne Idee: auf diesen Schlagworten beruhe angeblich die demokratisch-freiheitliche Grundordnung des auch angeblich so „neuen Deutschlands“ – also der bürgerliche Nachfolgestaat des III. Reiches – und sie ermöglichten erst die erwünschte Diversität.
Freiheit des Marktes
ABER: wenn in diesem Land von „Freiheit“ geredet wird, ist immer die oberste Freiheit des Marktes gemeint. Lindner-Law eins: Du sollst die Wirtschaft nicht stören.
Die Freiheit gilt nur für denn, der hat, sonst hat er Pech. Die Freiheit z.B. der Rede, ein Relikt der französischen Revolution, die von Konservativen noch heute in Gestalt der 68er bekämpft wird wie der Satan in den Hinterzimmern von Exorzisten (für die „konservative AfD ist ja alles Humanistische schon links-grün versifft), gilt nur für Unsägliches, Verunglimpfendes oder Destruktives, ohne diese Sumpfblüten konnten schon die Nazis und können heute die AfDler nicht existieren
Und das Recht ist das Recht des Stärkeren! Einigkeit ist nur möglich in der auserwählten Gruppe, die sich dadurch kenn- und auszeichnet, daß sie andere ausschließt. – Das ist der Charakter der Einigkeit…
Unter diesen Voraussetzungen macht auch ein Großteil der LGBT-Szene gerne mit; „wir wollen auch dazu gehören und unsere schwulen Schäfchen ins Trocken-Bürgerliche bringen“. Die Armen zum Beispiel stören – auch sexuelle Freiheit muß man sich leisten können. Wer sie sich nicht leisten kann, ist meistens häßlich oder alt! – Also Mitmachen im Mainstream – auch eine Art der Anerkennung: Anpassung bis zu Kenntlichkeit.
Es geht die beschwichtigende Mär, daß „bloß“ 20 Prozent der Bevölkerung stramm rechts bis faschistisch seien. Ein weitaus größerer Prozentsatz (das sind die vor allem, die sich bürgerlich nennen) aber liebt aus Dummheit und Bequemlichkeit die ganze Lumperei von Vaterland, Fahne, Hymne und Heimat, Bordüren des Nationalismus, sie lieben das auf diese aufgeschmierte Heimat-Nutella, das dafür sorgt, daß der Haufen beim ersten Biß nicht nach dem schmeckt, was es ist. „Ich liebe mein Land – und wer das nicht tut, ist ein vaterlandsloser Geselle!
Es ist erreicht
Wenn jetzt also – wie in vielen Netzforen von dümmlichen LGBT zu lesen ist – und es sind nicht zu wenige – „Ich bin stolz auf mein Land und das will ich auch zeigen! – Wir haben doch soooviel erreicht!“ Und sie meinen die „Ehe für Alle“ oder das Ehegattensplitting oder Jens Spahn, dann ist das gleiche gewichste Geistesgewusel wie der lächerliche Schnurrbart des Kaisers, der auch „Es ist erreicht“ genannt wurde.
Eiter-Eitelkeit, gespreizter Stolz und schlichte, ja schlichte, Geschichtsvergessenheit. Stolz auf das Nachäffen der Spießbürgerehe, sämtliche gesetzliche Regelungen, die angeblich „Gleichstellung“ bedeuten, wurden doch nicht großzügig geschenkt (davon abgesehen, ein Danaergeschenk), sondern sie wurden über Jahrzehnte mühselig erkämpft und nicht als „Recht“ gegeben. Mit Geschützen wie „Homolobby“ und „Genderideologie“ werden die kleinsten Zugeständnisse noch immer mit Furor bekämpft. Ähnliches gilt im Übrigen für alle Minderheiten. Dabei sind all diese Zugeständnisse, die als Erfolge gefeiert werden, eben nicht so zu nennen, es sind Leckerli fürs Männchenmachen, für die Bereitwilligkeit sich anzupassen und den Gesetzmäßigkeiten (ja, das ist z.B. die „Ehe“ vermeintliches Naturgesetz) unterzuordnen. Wie drohte Volker Kauder konservativ ehrlich als erste Stimmen zur Adoption durch Homosexuelle ertönten: „jetzt ist es aber endlich genug mit den Forderungen, wir können auch anders!“ Hieß: erstens, was Menschenrechte sind, bestimmen wir Normalen und wem wir sie gnädig geben, bestimmen wir erst Recht! Und wir können sie auch wieder einkassieren.
Glaube nur ja niemand, mit der „Ehe für alle“ seien nicht-heterosexuelle Partnerschaften geschützt – fragt Euch doch mal, weshalb die AfD es erbittert immer wieder versucht, Frau Hoechst oder Herrn Bystrom und andere vaterländischen U-Boote in die Hirschfeld-Gesellschaft einzuschleusen: um auf diesem Wege LGBT-Vertretungen und Rechte kaputtzumachen. Mikroben der Zersetzung der Demokratie und Menschenrechte!
Vaterland ist ein Begriff aus dem Vokabular des patriarchalen Hausvaters, der auch den Hintern versohlen kann wenn die Kinder mal nicht gehorsam sind oder Maßnahmen zur Festigung seiner Gewalt wie der Herr Fritzl ergreifen wird. Deshalb stemmen sich die Rechten übrigens so verbissen gegen die Implementierung von Kinderrechten in die Verfassung.
Ein Bonbon
Die „Ehe für Alle“ war ein Bonbon, das man einem aufbegehrenden Kind verabreicht, damit es still bleibt… Nicht wir anderen, die sich von Natur aus nicht einfügen in die nationalen Normen, haben gesiegt. Recht eigentlich haben mit dem Erlaß der „Ehe für Alle“ die Diktatoren der Normalität, der Dressur, der Unterordnung, des Willenbrechens gesiegt. Die zurechtgestutzten Ergebnisse solcher Anpassung sehen dann so aus wie der angepaßte Herrn Spahn sie verkörpert, der bei Beratungen zum Verbot der Konversationstherapien erst mal die Kirchenvertreter um Rat fragt. Alles bleibt beim Alten.
Ein paar dieser Figuren sind zwar auffälliger, aber im Grunde noch destruktiver: wie der anfangs erwähnte David Berger, dem es besonders gut gefällt, sich röhmiger aufzuführen als der schwule Normalbürger und von einem vormodernen Kreuzugsfuror geschüttelt wird, von dantesken Vernichtungs- und Untergangsphantasien wie sie Höcke und Co. ungeniert inzwischen in die verlumpende Welt posaunen.
Die Begeisterung nicht weniger LGBT über „Einigkeit und Recht und Freiheit“ ist eine Morgengabe an die Henker: „guckt mal, wir sind genauso vaterländisch und politisch brachial-dumm wie ihr – und damit doch wohl als Menschen genauso viel wert!“
Ein Illtum
Da schleudere ich ihnen mit Ernst Jandl entgegen: „Welch ein Illtum“ – „ill“tum ist gut…in seinem Gedicht, das davon handelt, man könne „lechts und rinks nicht velwechseln“.
Die „Deutschlandhymne“ heißt es jetzt, solle beim CSD gesungen werden (der immer eine internationale, nie eine vaterländische Veranstaltung war) – also jener Musikalflitter, den nur eine winzige Tatsache entschuldigt, daß die Melodie, eigentlich ein paar zierliche Rokoko-Takte bloß, von Papa Haydn stammt – und auch schon in kaiserlichen Österreich, der späteren Dependance des Nazitums, zur Aufjubelung der Donaumonarchie diente – die „Deutschlandhymne“ stammt von Hoffmann von Fallersleben. Er schrieb sie, wie symbolisch, auf der „einzigen deutschen Hochseeinsel“ (drunter tun es die Deutschen nicht), einem öden Lummeneiland (nicht das freie Lummerland) in der Nordsee, einem Randmeer des Atlantiks – und sie ist durchwabert von Kneipenkommers, Knaster und nachtröpfelnden Altherrenurin. Kleinbürgerlich befriedet ließ Fallersleben das Pathetische als pergamentener Bibliothekar in Corvey an der Weser hinter sich und begnügte sich mit dem Abdichten putziger Kinderlieder wie dem vom „Männlein im Walde“. Das Gesamtgermanentum, das ihn in seiner Studentenzeit umtrieb, war damals – in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus einem deutschen Minderwertigkeitskomplex und Niggelneid erwachsen. Die anderen europäischen Staaten legten mit dem Kapital-Kolonialismus richtig los und hatten dazu als Markt-Voraussetzung ihre Nationen schon viele hundert Jahre früher verfestigt. Die großen Konkurrenten und Erbfeinde England und Frankreich schickten sich an den Globus auszubeuten, Indien zu plündern oder wie der belgische König Leopold einen ordentlichen Genozid im Kongo hinzulegen. Die Deutschen mußten sich anstrengen, um auch so weit zu kommen – es gelang ihnen dann hundert Jahre nach dem Abdichten der Hymne in satanischer Perfektion mit der Ab- und Aussicht: „Und morgen die ganze Welt!“.
Ruchloses Gekrächz
Diese Perfidie „nationaler Einigkeit“ ist im Grunde nur ein gegröltes „Jaaa“ und zwar mit ruchlosem Gekrächz beim ausgespienen „aaaaa“, ist nur der Aufruf zur Ertüchtigung des Gierschlundegos wie man derzeit in „America, Britannia, Bavaria oder Saxonia“ beobachten muß. Wir sind wir, die anderen sind nichts und wir werden sie fressen!
Befürworter dieses CSD-Mottos schwadronieren jetzt: wir dürfen Hymne, Heimat, Fahne, Volk und Vaterland nicht den Rechten überlassen; aber all dieses Wort- und Geistlosgeklüngel war und bleibt immer rechts. Im Grunde ist das die Kapitulation vor dem Krebs des Faschismus, den die Afd vor allem wieder in die Gesellschaft getragen hat, nichts anderes als die hilflose Parole: wir dürfen den Faschismus nicht den Faschisten überlassen !
Längst wissen wir, daß wir uns in einer Zeitenwende befinden: ökonomisch, ökologisch, sozial, psychologisch und intellektuell – das verlangt Anstrengung, die viele nicht bereit sind zu leisten, sie geben nach und auf, sie ergeben sich der Krankheit Faschismus. Sie wollen noch ein bisschen im Konsum schwelgen und verlämmern, verdeppen – nachgeben und träumen.
Bednarz-Klasse
Vor bald 50 Jahren, nur sechs Jahre nach 1968, als es einige schöne Träume für die Zukunft gab, drehte Luchino Visconti einen Film, der die satte bürgerliche Gesellschaft korrumpiert zeigte bis ins Mark, denn andere emotional-sexuelle, sozial-politische Lebensentwürfe waren schnell und schlicht eingegliedert worden ins kapitalistische System wie, z.B. die DDR eingegliedert wurde in die BRD, die sich wieder „Deutschland“ nannte – schon das ein Zeichen dafür, das alles so weitergehen würde wie zuvor; so wie sich das „Andere“ der LGBT-Individuen eingliedern ließ in die bürgerliche Vermassung (wohin sich im Grunde auch alle sehnen), in Konsum und Verbrauch und geistige Fettlebe; eine Liane-Bednarz-Klasse, die davon schwafelt, daß Links und Rechts dasselbe sind.
In jenem Film spielte Helmut Berger einen früheren 68er, der sich aushalten läßt als Beschäler einer Industriellengattin, die ihm eine Wohnung schenkt im Haus eines altmodischen Gelehrten. Der Professor, der es selbst nie zur Rebellion gebracht, findet Gefallen an den schönen und anscheinend lebhaften jungen Menschen, möchte teilhaben an ihrem Leben und erkennt nicht, daß sie in ihrer vermeintlichen Libertinage (die man sich nur mit Geld leisten kann) nur triebhaft aus sind auf den Konsum von allem und allen. Es ist ein fensterloses Haus, ohne Aussicht, in dem sie leben.
Der Film „Gewalt und Leidenschaft“ aus dem Jahre 1974 beschreibt nicht nur den Zustand der damaligen europäischen Gesellschaft, sondern ebenso den der unsrigen. Ein Film großer Trauer und von großem Pessimismus.
Die Entscheidung für das Motto „Einigkeit und Recht und Freiheit“ in Köln ist eine Entscheidung mangelnder Zuversicht auf und mangelnden Mutes zu einem anderen Leben – sie repräsentiert auch den Zustand der Selbstaufgabe unserer satten Gesellschaft – es ist eine Entscheidung der dämmernden Alten. Die Verhungernden haben wir längst beiseite gedrängt; sie brauchen wir zur herbeiphantasierten „Einigkeit“, denn sie stören.
„Ich zeige“, sagte Visconti damals, „die Welt, in der wir leben. Die Älteren sind entweder der Wirklichkeit entrückt oder faschistisch, die Jungen sind der Korruption verfallen oder sind ihr auf jeden Fall auf Schritt und Tritt ausgesetzt. Dabei sind sie schön und anziehend und ihre Verdorbenheit ist keine bewußte.“
Ich stimme dem von ganzem enttäuschten Herzen zu. Die Entscheidung für dieses CSD-Motto steht für das Verhalten einer ganzen Gesellschaft – nicht nur für ihren LGBT-Teil. Die Korruption – politisch, konsumistisch, intellektuell und emotional – das nämlich sind die Eigenschaften des Faschismus – ist so universell, daß es die meisten gar nicht mehr merken. Lasciate ogni speranza!
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