Das Super-Sommer-Gejammere

Der Sommer 2018 hat es in sich. Sonne auf Rekord-Niveau. Während die Landwirte zu Recht über die davon unabhängige Dürre klagen, kann das vielerorts einsetzende Gejammere über hohe Temperaturen auch stressen. Hitze im Juli und im August ist ja kein Weltwunder. Früher, unter anderem während des Sommermärchens 2006, war mehr Freude an schönem Wetter.


1975 stellte Rudi Carrell die musikalische Frage, wann es endlich wieder richtig Sommer wird. Spätestens 1983 konnte der Entertainer sie beantworten. Erstmals seit es meteorologische Aufzeichnungen gibt, überschritt im Sommer 1983 die Temperatur in Deutschland die 40-Grad-Grenze. 40,3 Grad registrierte die Wetterstation im oberpfälzischen Gärmersdorf am 27. Juli. Udo Jürgens ließ sich von diesem Super-Sommer zu seinem Lied „Die Sonne und Du“ inspirieren und eine Band aus dem nicht gerade tropischen Dänemark stürmte mit dem „Sunshine Reggae“ europaweit die Hitparaden.

Jeder, der sich an den „Summer of 83“ erinnern kann, sollte sich eigentlich über das Gewese wundern, das jetzt wegen ein paar Wochen Hitze gemacht wird. Bloß weil es etwas heißer ist, als dies normalerweise in Mitteleuropa der Fall ist. (Die Landwirte nehme ich von jedweder Kritik aus, auch wenn deren wahres Problem nicht die Hitze, sondern die anhaltende Dürre ist, wie der Schweizer Wettermoderator Jörg Kachelmann momentan nicht müde wird, zu betonen. Und zu Diskussionen über den Klimawandel verweise ich als naturwissenschaftlich Minderbegabter an kompetentere Personen und Institutionen).

1983 gab es Rekordtemperaturen

Es ist auch nicht so, dass es seit 1983 nur noch frostige Sommermonate gab. 1994 und 1995 beispielsweise verzeichneten die Meteorologen sogar zwei recht ansprechende Sommer in Folge, teilweise wurde an den norddeutschen Stränden das Eis knapp. Ich kann mich erinnern, dass ich 1995 in den Semesterferien bei einer Bank als Kassierer jobbte, in einer Zweigestelle in einem Glaspavillon. Mit Anzug und Krawatte hatte man darin das Gefühl, den Saunabesuch zur Arbeit dazu gebucht zu haben. Überlebt habe ich es trotzdem.

Übertroffen wurde das alles von der Hitzewelle 2003 in Europa, die ich nur am Rande mitbekommen habe, weil ich damals im südamerikanischen Winter war. 2006 kam es dann zum „deutschen Sommermärchen“ – das begann, als Anfang Juni, pünktlich zum Beginn der Fußballweltmeisterschaft, die Hitze einsetzte und sie uns bis weit in den August hinein erhalten blieb.

2006 war die Stimmung besser

Vielleicht lag es am Fußball, vielleicht an der grundsätzlich besseren Stimmung im Land oder einfach nur daran, dass sich noch nicht jeder via Facebook oder twitter ausk…, Verzeihung: echauffieren, konnte, aber: so häufig und so heftig wie momentan wurde 2006 nicht über die Hitze gejammert. Und das tun auch die Leute, die sich ansonsten über zu kaltes, zu feuchtes oder zu unbeständiges Wetter beschweren.

Warum, in Gottes Namen, können sich die Nörgler nicht einfach darüber freuen, dass es dieses Jahr etwas wärmer ist und wir ein Feeling haben wie sonst am Mittelmeer. Keine Sorge, es werden bald wieder kühlere und verregnete Sommer kommen und dann legen wieder alle die alte Rudi Carrell-Platte auf. Im Moment finde ich es gut so wie es ist: Man kann Eis essen, man kann ins Schwimmbad gehen oder grillen. Und wer es mag, kann Fenster und Türen auf Durchzug stellen. Ansonsten gilt der Satz, den man mir als notorischer Frostbeule jedes Mal entgegen hält, wenn der Winter naht und ich Outdoor-Aktivitäten wie Joggen einstelle: „Es gibt kein falsches Wetter, es gibt nur falsche Kleidung.“

Bei Facebook und twitter wird genörgelt

Aber irgendwie scheint uns Deutschen das Jammern in den Genen zu liegen, wie meine chilenische Ehefrau immer feststellt. Zumindest in heißeren Sommern bin ich die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Momentan jammert eher meine Frau. Aber selbst die sagt, dass es gut ist, dass niemand am Wetter drehen kann. Dabei käme nichts Gutes dabei heraus. Den einen wäre es zu kalt, den anderen zu warm, wiederum anderen zu feucht und bestimmten Leuten zu trocken. Dann würde nicht nur auf twitter oder in Talkshows wie „Hart aber fair“ noch hemmungsloser über das Wetter gestritten, bestimmt würden in manchen Weltregionen auch Kriege darüber geführt.

Aber, wie gesagt: Gott sei Dank können wir das Wetter nicht ändern und sollten deshalb entspannen und den Sommer genießen, so lange er noch so warm und sonnig ist. Der nächste Winter kommt von selbst – und das früher als einem lieb ist. Und dann jammere ich wieder mit. Versprochen!

 

Andreas Kern

Der Diplom-Volkswirt und Journalist arbeitet seit mehreren Jahren in verschiedenen Funktionen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Kern war unter anderem persönlicher Referent eines Ministers, Büroleiter des Präsidenten des Landtages von Sachsen-Anhalt sowie stellvertretender Pressesprecher des Landtages. Er hat nach einer journalistischen Ausbildung bei einer Tageszeitung im Rhein-Main-Gebiet als Wirtschaftsredakteur gearbeitet . Aufgrund familiärer Beziehungen hat er Politik und Gesellschaft Lateinamerikas besonders im Blick. Kern reist gerne auf eigene Faust durch Südamerika, Großbritannien und Südosteuropa.

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