Die Geisterjägerin?
Liane Bednarz neues Buch „Die Angstprediger“ liegt ab 3.4.2018 in den Buchhandlungen aus. Unser Kolumnist hatte Gelegenheit, es vorab zu lesen. Eine Buchbesprechung.
Die ersten Kritiker scharren schon mit den Hufen, bevor sie auch nur eine Zeile des neuen Buches von Liane Bednarz gelesen haben können. Klaus Kelle, der zu recht erwartet, dass auch er in dem Buch vorkommen wird, bemüht erneut die Vokabel von der Geisterjägerin, die sich in Anti-Bednarz-Kreisen seit einiger Zeit großer Beliebtheit erfreut. Damit soll wohl ausgedrückt werden, dass die Autorin einem Phantom hinterher jagt. Wäre ja schön, wenn das so wäre, aber leider ist die Realität eine andere.
Reihenschluss
„Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern“ ist der wohl vom Verlag gewählte Untertitel des Buches, der dessen Inhalt nicht ganz gerecht wird. Es geht in dem rund 250 Seiten starken Werk weniger um eine Unterwanderung von Gesellschaft und Kirche, als um das langsam aber stetig voranschreitende Ineinanderfließen von bestimmten traditionalistisch-christlichen Gruppen und nationalistischen Bewegungen wie AfD und Pegida. Die Autorin beschreibt anhand unzähliger Beispiele, wie diese Gruppierungen, die vom Denkansatz eigentlich nichts miteinander zu tun haben dürften, weil sie diametral unterschiedliche Voraussetzungen und Werte haben, dennoch beginnen, die Reihen fest zu schließen und damit eine zunehmende Gefahr für eine freiheitliche Demokratie zu werden drohen.
Der Autorin ist dabei eine bemerkenswert breite Sammlung von Belegen und Zitaten gelungen, die schon für sich genommen beeindruckend ist. Angesichts der Fülle der Zitate und Textnachweise werden Kritiker sich schwer tun, die Annäherung dieser beiden Kreise länger zu leugnen.
Futter für Verbalscharmützel
Nun ist es nicht einfach, das Buch einer befreundeten Autorin halbwegs objektiv zu würdigen, insbesondere, wenn dieses Buch dem Rezensenten seitenweise Futter für künftige Verbaltscharmützel mit Facebookern wie z.B. Maximilian Krah liefert. Der Dresdner Anwalt Dr. Krah ist sozusagen die Inkarnation des Zusammenwachsens von rechten Christen und Islamhassenden AfD-Leuten. Der stellvertretende Landesvorsitzende der sächsischen AfD geriert sich als bekennender Christ. Er liebt die Piusbrüder – für die er auch schon anwaltlich tätig war -, hat für den amtierenden Papst nurmehr Verachtung übrig und wurde von einer Dresdner Zeitung als Hetzer bezeichnet. Dagegen klagte er und verlor.
Doch nicht nur Dr. Krah, auch andere gute Bekannte aus den blaubraunen Hetzbereichen der sozialen Medien kommen in dem Buch vor. Der katholische Abenteurer Matthias Matussek, vormals gefeierter SPIEGEL-Autor und Kulturchef, der heute auf zwei ungleich hohen Bierkisten in Hamburg das aus rund 180 Menschen bestehende „Volk“ zu Widerstand aufruft und über die „Lügenpresse“ herzieht, Michael Hesemann, ein Düsseldorfer Autor und Benedikt-Fan, der früher einmal Bücher über Ufos fabrizierte und heute gegen den Islam wettert und Assad als Schutzheiligen der Christen ebenso wie Putin bewundert, CDU-Mitglied Klaus Kelle, der ein Online-Portal namens The GermanZ in den Sand setzte, dessen Ehefrau „Genderwahn“ Birgit und viele andere kommen vor. Und zwar nicht im Rahmen eines bloßen namedroppings, nein, fein säuberlich mit Zitaten und eigenen Texten, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen. Da wird auch sehr diffenziert und nicht gleich alles in einen Topf geworfen.
Eine Handreichung
Wer „mit Rechten reden“ will, bekommt durch dieses Buch eine perfekte Handreichung. Wie Argumente aus der Bibel verbogen werden, um deren Universalität in den Mumpitz von „Eigenen“ im Gegensatz zum „Fremden“ zu verbiegen, ist präzise analysiert und beschrieben. Es ist übrigens – wie ich aus eigenem Erleben feststellen musste – nicht so einfach mit „Rechten“ zu reden, weil diese die Angewohnheit haben, mich gleich zu löschen und zu blockieren , wenn sie merken, dass ich ihnen die Preise verderbe. Aber das nur am Rande.
Leider und das ist ein echter Wermutstropfen bei diesem Buch, stammen fast alle starken Formulierungen, die sich in dem Text finden, aus den genannten Zitaten. Die Autorin selbst schreibt eher zurückhaltend, dafür aber präzise und sehr differenziert. Das ist ihre Art und das ist auch gar nichts Schlimmes und macht sie auch weniger angreifbar. Trotzdem hätte ich ab und an auch mal gerne gelacht oder wenigstens gegrinst, wie ich das selbst beim übelsten Matussek-Text immer noch tue. Ich hab mir dann einfach an den entsprechenden Stellen, wo ich mir wenigstens eine Prise Sarkasmus oder Zynismus gewünscht hätte, dieselbe hinzugedacht. Ab und an auch mal aus der verbalen Deckung zu gehen, hätte nichts geschadet. Okay an zwei Stellen habe ich geschmunzelt, aber das war da, wo die Autorin mich zitierte.
Das Themenfeld des Buches ist weit gestreut. Die Fixierung von Figuren der Lebenschützerszene wie von Beverfoerde oder von Storch auf die Sexualität, die Ablehnung von Genderforschung, die Verfallsrhetorik, die EURO-Ablehnung, die Zeitgeistverachtung, die Rolle von rechten und christlichen Medien, die gemeinsame Ablehnung der Kunstfreiheit inklusive des Rufes nach einer Zensur, das christliche Abendland und seine höchst unchristlichen Verteidiger von Pegida, der Antiklerikalismus und der Hass auf den barmherzigen Papst Franziskus, die allgemeine Schelte auf die „Mainstreammedien“, die GEZ-Medien, das Beschreien des ungesunden „Menschenverstandes“ und alle die Themen, bei denen konservative Christen schnell Gefahr laufen, mit rechtsradikalen oder rechtsextremistischen Abendlandrettern ins selbe Bett zu steigen und womöglich ein ganz hässliches Kind zu zeugen. Keine Sorge. Solche Formulierungen werden Sie in dem Buch nicht finden, die sind jetzt einfach so von mir. Mag aber sein, dass Ihnen nach der Lektüre des Buches ganz ähnliche Formulierungen einfallen werden.
Keine Geisterjagd
Dass Liane Bednarz eine Geisterjägerin sein soll, kann ich nach diesem Buch nicht bestätigen. Da liegt Klaus Kelle richtig falsch. Gerade für einen Christen wie ihn, der noch nicht im Höllenschlund der ganz extremen Demokratieverächter angekommen ist, wäre „Die Angstprediger“ aber eine lohnende Lektüre. Vielleicht öffnet ihm das dann doch noch rechtzeitig die Augen, was für Figuren er da mittlerweile schon routinemäßig in Schutz nimmt und wem er damit ganz normale Konservative in die Arme treibt.
Aber schauen Sie einfach mal selbst, wie klein der Grat zwischen Konservativismus und rassistischem Nationalismus mittlerweile geworden ist. Alleine dafür ist das Buch ein Gewinn.
Klappenbroschur, Droemer HC
03.04.2018, 256 S.
ISBN: 978-3-426-27762-1
Diese Ausgabe ist lieferbar
€ 16,99 E-Book (€14,99)
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