In die Irre geführt

Die Katalanen wurden von Populisten radikalisiert, denen ein brennendes Spanien lieber ist als eine florierende Region Katalonien. Es ist das jüngste zerstörerische Werk von Nationalisten in Europa.


Wieder einmal hat sich ein Land vom Populismus überrumpeln lassen. Die Katalanen sind Opfer nationalistischer Propaganda geworden, die ihre autonome Region im Königreich Spanien an den Rand des Ausnahmezustands und in einen bürgerkriegsähnlichen Zustand geführt hat. Unter Führung gewiefter Nationalisten wurde ein Unabhängigkeitsreferendum angestrengt, das von einem katalanischen Richter als un-konstitutionell erklärt wurde. Es hätte nicht stattfinden dürfen.

Ein neues Land kann sich doch nicht unter der Missachtung der Rechtsstaatlichkeit gründen, um dann, als wäre nichts gewesen, in den Reigen der rechtsstaatlichen Nationen der Europäischen Union aufgenommen zu werden. Es ist doch klar: kein Katalane war im Königreich Spanien diskriminiert, unterdrückt. In Rede standen und stehen Zahlungen, die zwischen der Zentralregierung und den Regionen hin und her gehen. Dass es dabei zu Konflikten kommt, geschenkt. Dass es Reibungen zwischen einzelnen Regionen und einer Zentralregierung gibt, auch.

Aber der Furor, mit dem eine schicksalshafte Unabhängigkeit von Spanien verlangt und mit einer Besonderheit des katalanischen Volkes begründet wurde, hat mit Maß und Mitte, hat mit gerechtfertigtem Ungehorsam nichts mehr zu tun.

Im Brennglas

An Katalonien kann man im Brennglas besichtigen, was im Großen im Brexit und in der Wahl von US-Präsident Trump bereits die Tagespolitik bestimmt. Mit spaltender und verachtender Rhetorik wurden die Katalanen gespalten, unter sich und gegenüber anderen Spaniern. Den Wert einer Unabhängigkeit erklärt man doch am besten mit der eigenen Überlegenheit. Dass es in der selben Zeit, in der die Spaltung vorangetrieben wurde, auch zu Ausfällen gegenüber Ausländern, Touristen, kam, rundet das Bild ab.

Das Selbstbestimmungsrecht der Völker wird ins Rennen geführt. Aber anders als die Kurden, die in der Türkei unterdrückt oder im Irak beäugt werden, sind die Katalanen als Europäer mit allen Rechten und Privilegien ausgestattet, die alle freien Menschen in der westlichen Welt genießen.

Spanien hat eine komplexe Geschichte, mit vielen Königreichen und Machtzentren. In Navarra fühlt man sich anders als im Baskenland. Asturien möchte anders wahrgenommen werden als seine Nachbarn in Galizien und im Baskenland. Gerade dort hat man über Jahrzehnte gesehen, was ein militanter Abspaltungswunsch mit einer Region macht. Noch heute erinnern zahllose Plaketten und Gedenkstätten an den Terror der ETA.

Kein legitimer Vorgang

Soll Katalonien brennen? Oder am besten gleich ganz Spanien? In Barcelona und der Region ist vieles aus dem Lot geraten. Die Bilder von blutenden Omas, die um die Welt gingen, weil sie am Wählen gehindert wurden, sind genau das, was die populistischen Scharfmacher wollten. Das harte Polizeidurchgreifen verdient dringend eine eigene Betrachtung. Es darf aber nicht davon ablenken, dass die eigentliche Behauptung der katalanischen Populisten, dass die Abspaltung von Spanien, so wie sie betrieben wird, ein legitimer Vorgang sei, falsch ist. Gewonnen haben die Katalanen nichts. Sie werden, hoffentlich, noch rechtzeitig aufwachen, verkatert zwar, aber einsehend, dass es eine polarisierte Region wie es das Baskenland einmal war nicht noch einmal braucht in Europa am Beginn des 21. Jahrhunderts.

Alexander Görlach

Alexander Görlach ist In Defense of Democracy Affiliate Professor der F.D. Roosevelt Stiftung am College der Harvard Universität und Fellow am Center for Research in Arts, Social Sciences and Humanities an der Universität von Cambridge, UK. Der promovierte Theologe und Linguist ist zudem Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Relations und Senior Advisor des Berggruen Instituts. Er arbeitet zu Themen von liberaler Demokratie, Politik und Religion, Säkularismus und Pluralismus sowie den Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf die Gesellschaft. Görlach ist der Gründungsherausgeber des Debatten-Magazins The European, das er von 2009-2016 auch als Chefredakteur geleitet hat. Heute gibt er das Online-Magazin www.saveliberaldemocracy.com heraus und ist unter anderem Autor für die New York Times und die Neue Zürcher Zeitung.

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