Graf Krolock und sein Kukul Oder Bürgerlich-Konservative Krokodilstränen über schlecht dressierte Kettenhunde

Die AfD stellt für die Bürgerlich-Konservativen (und das ist ja schon ein Pleonasmus) vor allem eine Stilfrage dar. Das wurde im Kommentar von Philipp Mauch zur Dresdener Rede Björn Höckes ganz deutlich. Eine Erwiderung von Wolfgang Brosche


Filme sind der Spiegel der bürgerlich-konservativen Gesellschaft – sage ich in leichter Abwandlung eines Zitats von Siegfried Kracauer. Wer hätte gedacht, daß der Mythos vom Vampirismus und seine Darstellung im Kino so genau unsere postmodernen politischen Verhältnisse beschrei(b)en?
Eine Konserve enthält Totes, von dem man sich nähren will. Der Konservative will Abgestorbenes erhalten, weil er sich vor dem Nach-Vorne-Leben fürchtet. Die Toten, heißt es bei Gottfried August Bürger, reiten zwar schnell – aber es ändert sich auch nichts mehr wenn man tot ist: der Idealzustand des Konservativen.

Sarg und Konserve

 Der Sarg des Vampirs ist so eine Konserve. Auch der „Bourgeois“, der etwas anderes ist als der „Citoyen“, hat sich für die Konserve entschieden. Das ist durchaus vampirisch. Das Konservative, von dem sich der Bürger nährt, ist verstorbenes Leben, das sich nur noch vampirmäßig belebt und fortpflanzt, wobei das Fortpflanzen die Weitergabe des Todes ist durch das Aussaugen anderen Lebens.
Der italienische Schriftsteller Elio Vittorini, sowohl Wegbereiter des Neorealismus wie ein Meister der Phantastik, erklärt den Vampirismus so: „Vampir bedeutet, daß ein Wesen einem anderen das Leben aussaugt. Ein sich verbeißen um nicht zu sterben, ein sich dem Tod und der Natur verweigern.“
Die Gestalt des gut gekleideten, stilvollen und in Umgangsformen eleganten Vampirs ist eine ästhetische Maske des Konservativen. Die bekanntesten Darsteller Draculas, Bela Lugosi und Christopher Lee, konnten sich noch so bemühen, elegant zu wirken – sie behielten doch immer etwas Schmieriges. Mal abgesehen von Frank Langella in John Badhams „Dracula“-Verfilmung von 1979 – ist wohl der eleganteste und soignierteste Vampir der Filmgeschichte der Graf Krolock wie ihm Ferdy Mayne in Roman Polanskis epochalem „Tanz der Vampire“ Gestalt gibt: perfekte Umgangsformen, hoch gebildet, voller Raffinement, sogar Takt – und dennoch lauert hinter dem Paravant der gediegenen Vornehmheit der unstillbare Blutdurst auf anderes Leben.
Aber Graf Krolock macht sich nicht selbst die Hände schmutzig wenn es gilt, seiner Schar der Untoten ein neues Opfer einzuverleiben. Für die niederen Dienste hat er einen Trum, einen mißgestalteten Sklaven, einen grunzenden Brutalo, der mit den Wölfen heult, sie sogar zuweilen beißt und der ihm die Särge tischlert für die neuen Adepten: Kukul, der einmal im Film fast mit einem Wildschwein verwechselt wird, ein Kettenhund, ein Marodeur, ein williger Vollstrecker. Er gehorcht dem Grafen bei Fuß, die Häßlichkeit in Person, so häßlich und stumpfsinnig, daß er fast wieder Mitleid erregt. Es ist klar, daß sein Herr ihn nur mit Knochen abfindet und ihm das verweigert, was er selbst genießt. Man wendet sich angewidert von Kukul ab und schielt mit unverhohlenem Neid hinüber, ja hinauf zu dessen Herrn, der im Glanz, in Samt und Seide, in Behaglich- und Überheblichkeit anscheinend so kultiviert über ihm schwebt. Daß er der eigentliche Drahtzieher dieser schäbigen Marionette ist, mag man gar nicht glauben. Und doch ist es so, denn er genießt ja den Nutzen der Untaten und Verbrechen seines Schoß-und Kettenhundes.

Verharmlosungsschalmeien

Wie das bei solchen Hunden oft ist, lassen ihre Herren gern verlauten, die täten nichts, die wollten nur spielen, was natürlich eine faustdicke Lüge ist –und obwohl die Leute, die sich vor ihm fürchten, das auch längst wissen müßten, lassen sie sich immer wieder untertänigst damit beruhigen… Die Junge Union und Jens Spahn von der CDU flöteten dieser Tage wieder solche Verharmlosungsschalmeien. Wenn die Hunde aber doch mal beißen, dann versichern diese Herrchen genant, das hätten die Hündchen ja noch nie gemacht und es käme bestimmt nicht mehr vor, der kleine Beißer sei wohl von allen guten Geistern verlassen gewesen… Genau das sagte und meinte hier vor ein paar Tagen Philipp Mauch wie andere konservative Publizisten zitierend über die Höcke-Rede von Dresden und die schwiemeligen Verharmlosungen, die unglaubwürdige Empörung der AfD-Führer über ihren Parteigenossen – sie haben ihm ja auch schon wieder verziehen: der will ja nur spielen! Nur nicht beachten, dann gibt er auch gleich Ruh! Mauch sprach davon, Höcke sei für einen Moment von allen Guten Geistern verlassen gewesen – als ob dieser miserable Goebbels-Imitator, wie er noch nicht mal im Kabarett-Programm einer Unterprima, die er vielleicht einmal selbst unterrichtet hatte, zum Lachen gewesen wäre. Aber Mauch ging noch weiter – denn nicht eigentlich fokussiert sich der konservative Autor wirklich auf den Geschichtslehrer außer Dienst…tatsächlich mäkelte er an der Empörung herum, die Höcke entgegenschlug und nannte sie herablassend linkspopulistisch, als wäre sie eine lästige Pflichtübung. Dann setzt der Autor noch einen Schelm auf anderthalbe und behauptet, die öffentliche Wahrnehmung habe „durch die Migrationskrise eine konservative Korrektur erfahren“ und scheint darüber zumindest nicht unerfreut.
Ich muß das Geraune von der „Korrektur“ korrigieren – die von Mauch sogenannte Migrationskrise ist eine von der AfD und ihrem Straßenkämpferarm PEGIDA hysterisch herbeigeredete Krise, in der sich die Konservativen wohlig einrichten, sich in Apologien von der „bürgerlichen Besorgnis“ ergehen und darauf warten, daß ihnen die ohne Zweifel neofaschistische autoritäre Bewegung politische Beute wie ein Jagdhündchen in den Schoß legt. Es handelt sich um Konservative aus allen Parteien, allen voran die CSU, die sich eher als Schwesterpartei der AfD geriert. Das amerikanische Geschwätz von Grandiosität und Größe, ergänzt durchs deutsch-völkische Vaterland hat ja dann auch rasch der fortunelose weil wenig intelligente Innenminister a.D. Friedrich um eine ähnliche Posaune dieser Tage ergänzt. Aber was CDU, SPD, Grüne und außerparlamentarisch mümmelnd und von Möllemann träumend die FDP sich in dieser Hinsicht an Drift erlauben (Augeeeen rrrrechts! Halb zog sie ihn, halb sank er hin) besteht im rückwärtigen Parademarsch nach rechts. DAS ist die konservative Korrektur, auf die diese Konservativen viele Jahre gewartet haben – als ob die Reaktion seit 30 Jahren nicht fröhlichste Urständ gefeiert hätte. Aber das fiel nicht so auf in der bräsig-bleiernen Kohlzeit und noch nicht einmal als sich die SPD unter Schröder (ein Kukul in Nadelstreifen) das eigene Grab schaufelte.
Aber Gräber haben ja auch mit Särgen zu tun, über deren konservative Funktion ich bereits etwas sagte. Eine Bevölkerung und Beerdigungsgemeinde, die ihre Kanzlerin Mutti nennt, sieht in Merkel letztendlich die Sehnsucht nach Sofa, Tischsets, Schrebergarten, Lebensversicherung und Schützenverein zu Fleisch geworden. Aber leider verwest jegliches Fleisch… – “cave carnem“ – oder „cavete autem carnes“ Eine solche Bevölkerung läßt denken – denn es wäre auch arg viel verlangt, selbst denken zu müssen, angesichts der Komplexität der Probleme, die nicht aus ein paar Hundertausend Flüchtlingen bestehen, sondern aus den Millionen, die aus Armut, Angst und Hunger noch kommen werden. Und sie werden kommen. Über die sogenannte „Migrationskrise“, die nur wieder Freud und Feind-Denken etablieren sollte, ohne das der Konservative Charakter nicht auskommt, wurden andere Probleme vergessen: Klimakatastrophe, Energiefragen, Ausbeutung von Menschen und ganzen Kontinenten durch Ölkonzerne und Nestlé, die autokratischen Führer von immer mehr Ländern und so weiter und so fort. So lange der Zustrom der Fremden gestoppt ist, können wir wieder frohgemut unserem Tagewerk unter dem Lindenbaume am Brunnen vor dem Tore nachgehen…mit einem Volkslied auf den Lippen in der Heimat des Ännchen von Tharau…

Wohlfeile Empörung

 Aber noch einmal konkret zurück zu der wohlfeil künstlichen Empörung der Konservativen über „Entgleisungen“ der Neuen Rechten (die natürlich bewußt herbeigeführte Sabotage und Versicherungsbetrug an der Demokratie sind). Wer wie Phillip Mauch über die „Grenzöffnung“ für Flüchtlinge als „Fukushima der linken Leitkultur“ schwadroniert, der zeigt, wer hier und wie den Diskurs wieder an sich reißt, aus den Händen der AfD. Es ist zu spüren: die AfD hat Themen gesetzt, die die Konservativen nicht wagten in jener Inhumanität anzusprechen wie sie diese Partei der Marodeure der Demokratie an den Tag legt. Eie Stilfrage also, keine der unbedingten Humanität! Jetzt prophezeiht Mauch, mit dem nun offen zutage tretenden nationalsozialistischen Gedankenschlecht bei Höcke und in Koblenz auch bei Petry – längst schon stanken Gauland, Poggenburg, Meuthen und Gedeon danach – daß der Anfang vom Ende der AfD begönne. Soll das heißen, der AfD-Mohr hat seinen Auftrag erfüllt, seine Schuldigkeit getan, sie kann nun gehen? Das heißt, daß die AfD von den Konservativen als Hündchen-Meute nützlicher Idioten auf Jagdgründen angesehen wurde, auf denen man sich selbst nicht die Hände schmutzig machen wollte.
Nur nebenbei eine Klumpfußnote: ganz offen in diesem Sinne haben jüngst Hedwig von Beverfoerde und Erika Steinbach verhalten als sie die CDU verließen – und mein Lieblingsrechtskatholik David Berger, der bedauerte nicht in die CSU eintreten zu können, als er deshalb der CDU beitrat, stimmt ja auch in diesem Sinne Hymnen auf die AfD an. So loben Waidmänner von altem „Schrott du Korn“ ihre Meute. Doch die Konservativen der deutschen Gaue und Jagdgründe (um mal im Traditions-Bild zu bleiben) haben sich schon einmal bitter geirrt, als sie die NSDAP umschwärmten, umgirrten und glaubten, sie könnten sie nach ein paar Monaten an/in der Koalitionsregierung wieder an die Leine legen. Inzwischen war ihr Kukul, der Kettenhund, längst emanzipiert und hatte alles weggebissen, was ihn wieder in seine Hundehütte hätte drängen können. Wer wie der Kollege Mauch (und so viele Konservative) überhaupt von einer koalitionsfähigen Rechtspartei träumt, der träumt Alp.
Rechte Parteien lassen sich nicht zähmen, dazu gehörte Einsicht und Menschennähe. Das ist der große Irrtum der Konservativen, sie glauben, daß Faschismus oder Nationalsozialismus eine Stilfrage sind und daß man deren Zusammenrottungen für kurze Zeit zur „Korrektur“, wie sich Mauch ausdrückt, von political correctness, linker Menschlichkeit und Bereitschaft zur Zukunft und Miteinander, nutzen könne. Die neorechten Bewegungen in ganz Europa sind also vampirirsches Fleisch vom konservativen Fleisch – das ja in den Särgen aufgebahrt wird.
Das konservative Fleisch ist die bürgerliche Bequemlichkeit, der Unwillen, sich gemeinschaftlich der Zukunft zuzuwenden, das Träumen vom angeblich besseren Gestern, von auf ewig festgeschriebenen Familien- und Geschlechterverhältissen, die Sehnsucht nach väterlicher Autorität und mütterlicher Sentimentalität, nach Beherrschung der nächsten Generation bis sie zusammenbricht und die Revolte aufgibt und ebenso wird, wie die Elterngeneration. Wieder einmal zeigt sich mit dieser scheinheiligen Empörung über die Rechtsdrift als bloße Stilfrage: the French have great Food, the British perfect table-manners – oder Die Linken haben Ideale und Träume vom Leben, die Konservativen bewältigen es durch geschliffene Umgangsformen. Was ja nicht heißt, daß man sich auf dem Sofa fläzen möge und seine Füße auf den Tisch legt. Konservativ sein heißt vampirisch sein: die Eltern nähren sich immer von ihren Kindern, saugen ihnen ihre Träume, ihren Willen zur Zukunft, zur Individualität, ihre Neugier aufs Leben ab und infizieren sie mit Furcht, Hysterie vor dem Fremden, der Tuberkulose des Patriotismus, der Gier nach Materiellem und gleichzeitig der Gier nach Gleichdenke – das nennen sie dann Leitkultur oder Identität…die sie sich nicht als etwas Individuelles, sondern nur als Massenprodukt vorstellen können, aber natürlich gediegen, gedeckt, beige.
Mit seinem Beitrag beschreibt Philipp Mauch die Pikiertheit der Konservativen darüber, daß ihr Schoßhündchen, ihr Kukul doch nicht stubenrein ist, daß er an die Zimmerlinde, die sie so gehegt und gepflegt und vor allem beschnitten und gezogen haben – gezogen an erster Stelle – pinkelt. So ist es ein Pfeifen (nach dem Hündchen Kukul) im Walde, wenn der Autor das Ende der AfD herbeisehnt – denn die verbündet sich geradezu absurd mit den anderen europäischen Rechten in obszöner Vereinigung zur Monstermeute – der Koblenzer Kongreß war abscheulichte Politpornographie, ein Trailer auf die Gewalt- und Folterpornos, die Realität werden sollen, wenn, wie Björn Höcke schwadroniert, die AfD und ihre inzestuösen Geschwisterparteien 51 Prozent Wählerstimmern haben. Ja – der europäische Rechtsruck (es hat nie einen Linksruck gegeben) wurde vorbereitet von den Konservativen und Neoliberalen, seit Jahrzehnten – und ich habe ja auch die Grünen und die inzwischen marginale SPD konservativ genannt, indem sie Europa nur noch als Geldmaschine betrachteten, indem sie Wirtschaft als enrichisez vous begriffen, indem sie Bildung pisabeduselt als Erfüllungsgehilfe und Zuchtanstalt für angestellte Industriesklaven verwesen ließen – und vor allem indem sie immer wieder von Patriotismus, Vaterländern, Leitkulturen schwätzten, anstatt Individuen zu ermutigen, die tödlich gewiß kommenden Probleme des 21. Jahrhunderts anzugehen mit Intelligenz, Nachdenken und Miteinander, anstatt neoliberal den mörderischen Sozialdarwinismus als Motor der Gesellschaft anzupreisen.

Das goldene Kalb

 So wurden immer mehr Menschen ausgelaugt und ausgesaugt – deshalb sind unsere westlichen Gesellschaften satt und übermüdet, reich und bitterarm zugleich. Ja, Marx hatte tatsächlich Recht, den Kapitalismus als Vampir zu bezeichnen, ein goldenes Kalb der bürgerlich konservativen Gesellschaft. Graf Krolock aber konnte den Hals nicht vollkriegen und brauchte einen Kukul, der ihm rücksichtslos grausam neue Opfer zuführt….Kukul – das ist bei uns die AfD, in Holland die schmierige Wilders-Partei, in Frankreich der mafiöse Front National- und in den USA nun einer, der auch noch aussieht und sich benimmt wie jeder Trum im Kino. Lächerlich, bemitleidenswerte Zwischengeschöpfe….sie alle. Aber reißerisch, bösartig und gewissenlos. Angesichts der Orgien an Menschenverachtung, die sie jetzt schon feiern, ist es eine große Illusion, wenn Philipp Mauch und seine „konservativen Publizisten“ meinen, deren Ende sei gekommen, nur weil so ein Kukul so langsam vom Zähnefletschen zum Zubeißen übergeht.
Das Beiß-Gelage kommt erst noch…und dann wirklich wie einst ohne Tischsitten, dann wird auf Stilfragen gespuckt – und selbst ich wage nicht zu sagen, was die sich kaum konservativ tarnenden Neorechten dann mit der Demokratie, den guten Sitten und Gebräuchen in rektalem Furor machen werden. Um mit einem anderen Film zu schließen: „Das große Fressen“ der Rechten, die alles plündern, die Demokratie, das menschliche Miteinander und schlicht auch den Staat, endet im Film mit dem Tod aller Beteiligten. Tabula Rasa…und es kommt keiner, der die letzten Vampire auch noch pfählt. Kukul wird den Mond anheulend übrig bleiben…

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