Zurück zur Folter?

Im Zusammenhang mit den Anschlägen von Brüssel kommt es zu einer neuen Diskussion über die Wiedereinführung mittelalterlicher Methoden. Gibt es einen Weg zurück zur Folter?


Er will nicht reden. Der im Fall der Pariser Anschläge „Hauptverdächtige“ Salah Abdeslam will sich nicht zu den Brüsseler Anschlägen äußern. Sein Verteidiger hatte vorab erklärt, sein Mandant habe nichts von den Vorbereitungen für diese Anschläge  gewusst.

Es ist nichts Ungewöhnliches, dass ein Beschuldigter von seinem Recht zu Schweigen Gebrauch machen möchte. Das ist in jedem Rechtsstaat sein gutes Recht und es ist seine eigene Entscheidung. Man mag das bedauern, aber man hat es zu akzeptieren.

Aber muss man das wirklich? Im Zusammenhang mit der Nachricht vom Schweigen Abdeslams kochte in den sozialen Netzwerken eine immer mal wieder auftauchende Debatte auf. Darf „so einer“ wirklich schweigen? Muss man ihn – bei dem vermutet wird, dass er auch zu den Brüsseler Anschlägen, deren Hintermännern und möglicherweise weiteren geplanten Anschlägen  etwas sagen könnte – nicht einfach zum Reden bringen? Muss man da nicht nachhelfen? Mit Wahrheitsdrogen? Mit Waterboarding ? Mit Elektroschocks ? Mit Schlägen, Daumenschrauben, oder vielleicht, indem man seine Familie, seine Mutter einsperrt und die vor seinen Augen ein wenig foltert? Oder wenigstens damit droht? Nun, all diese Ideen stammen nicht von mir, sondern von unterschiedlichen Befürwortern der Aussageerzwingung mittels Folter.

Folterverbote

Ungeachtet diverser nationaler und internationaler Folterverbote, wie z.B. dem

Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention

Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

oder Art. 5 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen

Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.

oder der UN-Antifolterkonvention,

oder Art. 104 Abs. 1 GG

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

treibt der Gedanke an die Folter infolge der jüngsten Terroranschläge und den Überlegungen, wie weitere Anschläge verhindert werden könnten, offenbar sehr viele Menschen um. Zumindest in den sozialen Netzwerken scheint die Zahl der Befürworter einer Folter mittlerweile keine  Minderheit mehr zu sein.

Unter denen, die sich z.B. bei Facebook für die Folter aussprechen, sind erwartungsgemäß die üblichen Sadisten, die ohnehin der Meinung sind, dass Körperstrafen eine schöne Sache wären, die vor allem bei Sexualdelikten gerne „Schwanz ab“ rufen und vermutlich alle Muslime am liebsten foltern würden. Die sich über Enthauptungen und Kreuzigungen des IS erregen, aber für die Terroristen genau dieselben Strafe fordern. Diese Vögel, denen unsere Verfassung eh am Arsch vorbei geht, lasse ich jetzt einmal Außen vor. Die haben außer ihren ekligen Hassphantasien nichts wesentliches zur Debatte beizutragen und verdienen keine weitere Beachtung.

Wesentlich interessanter sind hingegen die Beiträge von eher nachdenklichen Diskutanten, die zwar grundsätzlich die Notwendigkeit eines Folterverbots sehen und anerkennen, es aber in bestimmten Ausnahmefällen aufweichen möchten, um potentiellen weiteren Opfern das Leben zu retten.

Diese Leute haben durchaus ehrenwerte Motive und Begründungen für ihre Meinung. Und sie sind keineswegs vordergründig absichtlich rechtsfeindlich eingestellt.

Das Dilemma

Es ist das altbekannte Dilemma: Der Polizei oder meinetwegen auch dem Verfassungsschutz ist ein Verdächtiger in die Hände gefallen, von dem man zu wissen glaubt, dass er konkrete Informationen über einen akut bevorstehenden Terroranschlag oder eine andere schlimme Straftat hat, der aber klar sagt, dass er sich dazu nicht äußern möchte. Möglicherweise geht es um ein Stadion, eine belebte Innenstadt, ein Volksfest, eine große Kirche, ein Flugzeug, eine Eisenbahn, eine Schule. Nichts Genaues weiß man, aber es gibt Anzeichen und Verdachtsmomente dafür, dass es sehr viele Opfer geben könnte. Und man denkt, dass der Verdächtige etwas davon weiß und dass man mit diesem Wissen den Anschlag verhindern könnte.

Vielleicht ist es auch „nur“ ein Entführer, der ein kleines Kind an einem unbekannten Ort versteckt hält und obwohl er selbst bei der Geldübergabe geschnappt wurde, nichts zu dessen Aufenthaltsort sagen will. Man könnte das Kind vielleicht noch retten, wenn er sagt, wo er es versteckt hält.

Dem soll man kein Haar krümmen dürfen? Darf man den nicht ganz ausnahmsweise mal foltern? Nicht mal ein kleines bisschen? Muss man ihn nicht sogar foltern, um all diese „unschuldigen“ Menschen zu retten? Hat der Staat nicht sogar die verfassungsmäßige Pflicht, die möglichen Opfer zu beschützen? Muss er nicht deren Sicherheit garantieren?

Ja, der Staat hat die Pflicht, die Menschen in seinem Land zu beschützen. Daran kann es gar keinen Zweifel geben. Das Bundesverfassungsgericht hat das wie folgt umschrieben:

Diese Schutzpflicht gebietet es dem Staat und seinen Organen, sich schützend und fördernd vor das Leben jedes Einzelnen zu stellen; das heißt vor allem, es auch vor rechtswidrigen An- und Eingriffen von Seiten Dritter zu bewahren. 

Aber die Frage ist, ob der Staat sich dazu auch aller denkbaren Mittel bedienen oder ob er das nur in einem bestimmten Rahmen darf.

Würden Sie nicht auch den Entführer ihres Kindes mit dem Lötkolben oder der Kettensäge bearbeiten, um herauszufinden, wo er es gefangen hält? Ich gebe zu, die letzte Frage war ein fieser Trick. Wer nämlich hier „Nein, niemals“ antwortet, der hat entweder keine Kinder oder er wäre froh, wenn die weg wären.

Aber bei der dahinter stehenden Frage, ob „man“ in einer solchen Lage foltern würde, geht es ja gar nicht darum, ob der Einzelne aus nachvollziehbaren Gründen die Grenzen des Rechts im Einzelfall überschreitet, sondern darum, ob der Staat die Folter irgendwie in sein rechtsstaatliches Repertoire einführen kann. Und da sieht die Sache ganz anders aus.

Würden Sie selbst foltern?

Wenn Sie selber als betroffener Bürger bereit wären zu foltern, dann könnte das doch auch gleich der Staat übernehmen, nicht wahr? Er pocht ja sonst auch immer auf sein Gewaltmonopol. Da ließe sich sogar gesetzlich ganz genau regeln, wann und wie zu foltern ist. Man könnte die einzelnen Foltermethoden regeln, eine Berufsordnung für Berufsfolterer und deren Helfer schaffen, vielleicht einen interdisziplinären Studiengang zum „Master of torture and interrogation”. Der mittelalterliche Folterknecht würde zur geachteten “Fachkraft für kreative Aussageförderung”. Um Missbrauch zu verhindern. Damit die Folter „anständig“ abläuft und nicht dem Sadismus des Folterers dient, sondern nur der guten Sache. Gab’s ja auch schon mal mit „Des allerdurchleuchtigsten großmechtigsten vnüberwindtlichsten Keyser Karls des fünfften: vnnd des heyligen Römischen Reichs peinlich gerichtsordnung“. Peinlich kam von Pein. Okay, das ist jetzt schon eine ganze Weile her, aber der ein oder andere meint ja, dem mit mittelalterlichen anmutenden Methoden daherkommenden IS müsse man zwingend mit entsprechenden Mitteln antworten. Auge um Auge und so.

Unantastbarkeit der Menschenwürde

Man müsste nur ein paar lästige Vorschriften ändern, meinen Sie? Nun ja. Zunächst müsste man den bisherigen auf dem Grundgesetz basierenden Rechtsstaat aufgeben. Eine Bundesrepublik Deutschland als Rechtsstaat ist mit Folter nicht denkbar.  Glauben Sie nicht? Ist aber so. Schon nach Art. 1 GG, der die Unantastbarkeit der Menschenwürde feststellt, ist Folter rechtlich einfach nicht machbar. Und Art. 1 GG kann man nicht abschaffen ohne die ganze Verfassung zu kippen.

Art. 79 Abs. 3 GG erklärt:

(3) Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.

Art.1 GG ist unabänderlich. Auf ihm basieren alle folgenden Grundrechte. Mit diesen Grundrechten steht die Menschenwürde nicht etwa in Konkurrenz, so wie die Grundrechte das sonst untereinander tun. Die Menschenwürde ist absolut. Sie – ncht etwa die Sicherheit der Bürger – ist das Superrecht. Das Bundesverfassungsgericht nennt die Menschenwürde den obersten Grundwert und Wurzel aller Grundrechte.

Die Folter hat das Ziel, den Willen des gefolterten Menschen zu brechen. Damit wird ihm  seine Subjektqualität unmittelbar abgesprochen. Er dient nur noch als Objekt der Informationsgewinnung, auf gut deutsch, er soll im wahrsten Sinne des Wortes „ausgequetscht“ werden; was er selbst will, ist bei der Folter scheißegal. Klingt Ihnen zu theoretisch, neumodische Gefühlsduselei, da fehlt Ihnen die Ethik gegenüber den zu rettenden Opfern?

Kategorischer Imperativ

Okay. Nehmen wir mal nicht das aktuelle Grundgesetz, das ja eh kaum noch einer kennt oder versteht, sondern etwas grundlegend Philosophisches, den Aufklärer Immanuel Kant.

Nach dessen Universalisierungsformel des kategorischen Imperativs

Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde. – Immanuel Kant: AA IV, 421

könnte man mit viel Mühe noch versuchen, die Folter moralisch zu rechtfertigen. Aber spätestens bei der Selbstzweckformel

Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“ – Immanuel Kant: AA IV, 429

ist damit aber endgültig Feierabend.

Bei der Folter ist es aus mit dem Zweck des Gefolterten, er wird zu bloßen Mittel degradiert und damit seines Menschseins, seiner Menschenwürde beraubt. Na und, mögen Sie einwenden, macht doch nichts, wer solche monströsen Taten begeht und andere ihres Lebens und damit ebenfalls ihrer Menschenwürde beraubt, der hat seine eigene Menschenwürde halt verwirkt. Okay, man darf als Bürger so denken und man darf das auch sagen. Allein ein Rechtsstaat darf weder so denken, geschweige denn so handeln. Das Verfassungsgericht formulierte es so:

Schlechthin verboten ist damit jede Behandlung des Menschen durch die öffentliche Gewalt, die dessen Subjektqualität, seinen Status als Rechtssubjekt, grundsätzlich in Frage stellt (vgl. BVerfGE 30, 1 [26]; 87, 209 [228]; 96, 375 [399]), indem sie die Achtung des Wertes vermissen lässt, der jedem Menschen um seiner selbst willen, kraft seines Personseins, zukommt (vgl. BVerfGE 30, 1 [26];“

Ein Fisch Namens Schnitzel

Es hilft auch nicht weiter, wenn man – wie das der Osnabrücker Philosoph Rainer Trapp in einem durchaus lesenswerten Buch vor rund 10 Jahren gemacht hat – die Folter in eine „selbstverschuldete Rettungsbefragung“ umtauft, die der „Befragte“ ja jederzeit beenden könne, indem er antworte oder die er auch komplett vermeiden könne, wenn er gleich sage, was man hören will. Ein Fisch, den man auf den Namen Schnitzel tauft, bleibt halt trotzdem ein Fisch.

Auch die Idee, die Foltermethoden in der Intensität zu begrenzen, kann nicht klappen. Was macht der Folterer denn, wenn die gesetzlich erlaubten Elektroschocks der Stufe 12 nicht ausreichen, um den Gefolterten zum Reden zu bringen? Hört er dann auf? Ja wieso das denn? Ist die Gefahrenlage denn plötzlich eine andere? Wohl kaum – und deshalb wird eine begrenzte Folter zwangsläufig immer weiter ausgedehnt werden. Bis der Gefolterte irgendwann  irgendwas von sich gibt, oder bis er vor Schmerz verrückt geworden ist. Ob man mit diesen Infos überhaupt etwas anfangen kann, darf bezweifelt werden. Die USA machten jedenfalls die Erfahrung, dass die Ergebnisse ihrer CIA-Folterei eher unterirdisch waren.

Ein Staat, der die Menschenwürde für einzelne Menschen und sei es auch nur zeitweise und in bestimmten Situationen „aufhebt“, hebt sie damit insgesamt auf. Das ist das Problem. Ebensowenig wie man ein bisschen schwanger sein kann, kann man ein bisschen foltern.

Feind- und Freundstrafrecht

Auch der Versuch des Bonner Professors für Strafrecht, Günther Jakobs, neben einem Bürgerstrafrecht nebst strengem Folterverbot ein Feindstrafrecht mit Foltererlaubnis zu postulieren, ist von vorne herein zum Scheitern verurteilt, weil er die Universalität der Menschenwürde leugnet, indem er zwei Sorten von Menschen erfindet, welche mit und welche ohne Menschenwürde. Wer Freund und Feind ist, bestimmt dann der folterwillige Staat? Uih, tolle Idee. Ein solcher Staat ist eben kein Rechtsstaat mehr, sondern ein Willkürstaat.

Art. 1 GG ist wie schon oben gesagt nicht nur eine einfache  Norm unter anderen Normen, sondern vielmehr die Grundlage aller anderen moralischen und rechtlichen Normen im Rechtsstaat. Die staatliche Achtung der Menschenwürde auch des größten Arschlochs unter der Sonne ist die Basis unseres Rechtsstaats. Auch wenn man Art. 1 GG nicht nur als Basis, sondern daneben oder alleine auch als eigenes Grundrecht sehen möchte, so ist es doch das einzige, dass keiner Relativierung durch andere Grundrechte unterliegt. Die Formulierung „unantastbar“ wurde nicht ohne Grund gewählt.

Die Idee, es könne außerhalb des grundsätzlichen Folterverbots für alle Menschen irgendwelche Kriterien geben, mit denen man die Folter in Ausnahmefällen oder bei bestimmten Menschen – wie wär’s heute mit Salafisten und morgen mit Sexualstraftätern und irgendwann mit extra3-Satirikern oder linksgrünversifften Kolumnisten  – erlauben und gleichzeitig halbwegs kontrollieren könnte, ist irrig.

Es mag ja auf den ersten Blick ungerecht klingen, so als würde der oder das  „Böse“ zugunsten der oder des „Guten“ und „Unschuldigen“ geschützt, bei genauerem Hinsehen erkennt man aber, dass dieses unbefriedigende Ergebnis lediglich die logische Folge der notwendigen Beschränkung der Möglichkeiten in einem Rechtsstaat ist. Der Staat darf einfach nicht alles.

Was auch immer der Rechtsstaat tut, er darf es nicht unter Missachtung der Menschenwürde tun. Er darf eben nicht in einen Grausamkeitswettlauf mit dem Terror treten, sondern muss seinen Grundsätzen auch und gerade dann treu bleiben, wenn es richtig weh tut. Gibt er diese elementaren Werte auf und nähert sich mit einer vordergründig moralischen Begründung seinen Feinden an, dann besorgt er im Ergebnis deren Geschäft. Welche Werte sollen denn noch geschützt werden, wenn der Rechtsstaat seine eigenen Werte aufgibt?

Das bedeutet übrigens nicht, dass derjenige Bürger und mag es  auch ein Polizeibeamter sein, der aus persönlicher Betroffenheit diese Regeln nicht einhält, ja nicht einhalten kann, nicht im Einzelfall möglicherweise straffrei bleiben könnte, wenn er die Grenzen des Erlaubten überschreitet. Im Fall Daschner war die strafrechtliche Sanktion am Ende mit einer Verwarnung mit Strafvorbehalt am untersten Ende des Strafrahmens.

Ich hätte auch überhaupt kein Problem damit, Eltern zu verteidigen, die sich eines Entführers bemächtigen, der ihre Kinder in seiner Gewalt hält und nicht verraten will, wo die stecken und diesen mit Folter dazu nötigen wollen, den Aufenthaltsort zu verraten. Das wird zwar nie und nimmer in dem Sinne gerechtfertigt sein können, dass die Rechtswidrigkeit einer solchen Tat entfiele, aber es mag im Bereich der persönlichen Schuld im Einzelfall eine Lösung geben, die ohne oder mit einer nur geringen Bestrafung auskommt.

Westliche Werte

Was es aber nicht geben kann und auch unter keinen Umständen geben darf, ist ein vorweggenommener staatlicher Strafverzicht für solche Fälle als gesetzlicher Rechtfertigungsgrund.

Die Vorschrift, “ Wer einen anderen Menschen foltert, um damit den Tod anderer Menschen zu verhindern, handelt nicht rechtswidrig.“ wäre von vorneherein verfassungswidrig.

Denn damit würde der Staat die Folter durch die Hintertüre doch einführen. Das wäre eine augenzwinkernde Einladung zum Foltern. Wer zu solchen Mitteln greift, muss wissen, dass er sich außerhalb der Rechtsordnung bewegt und ernsthaft damit rechnen, dafür auch bestraft zu werden. Vermutlich ist einem das in einer solchen Situation aber auch herzlich egal und man nimmt die Strafe gerne in Kauf. Diese Sanktion für das rechtswidrige Handeln kann aber nur den Bürger und nicht den Staat treffen. Würde der Staat selbst foltern, so bliebe dieser Verstoß gegen die Menschenwürde zwangsläufig  unbestraft und ungesühnt. Wie sollte ein Staat sich selbst bestrafen?  Der Staat hätte sich schuldig gemacht, ohne Aussicht darauf diese Schuld durch Verbüßung einer Strafe wieder zu tilgen. Er würde damit auch jegliche moralische Rechtfertigung verlieren, andere für ihr Unrecht zu sanktionieren. Das kann nur ein Rechtsstaat, also einer, der sich an die fundamentalen Regeln hält.

Mir ist bewusst, dass es vor dem Hintergrund des internationalen Terrorismus nicht leicht ist, zu verstehen, warum man den menschenverachtenden Methoden der Terroristen nicht mit gleichen Methoden antworten sollte. Aber jeder, der mit der Folter liebäugelt, mag noch einmal überlegen, ob er wirklich den Grundsatz der Menschenwürde abschaffen will oder ob ihm diese notwenige Konsequenz bei seinen Überlegungen bisher lediglich entfallen war. Die Abschaffung der Folter ist eine der wichtigsten Konsequenzen der Aufklärung. Und die Werte der Aufklärung sind doch genau das, was diesen religiotisch aufgeladenen Terroristen der größte Dorn im Auge ist. Wenn wir also die westlichen Werte wirklich verteidigen wollen, dürfen wir von ihnen kein Jota abweichen.

P.S.: Salah Abdeslam soll jetzt mit seiner Zustimmung von Belgien nach Frankreich ausgeliefert werden. Mit den dortigen Behörden will er kooperieren. Vielleicht kann er ja wirklich nichts zu Brüssel sagen. In Frankreich wird über die Wiedereinführung der Todesstrafe spekuliert.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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