Ein Ego sagt servus
Neue Stadien und neue Restaurants will Pep Guardiola kennenlernen – mutmaßlich in Manchester. Dort lockt ein Ölscheich-Klub mit hohem Salär und der Aussicht auf teure Stars. Die Trennung von Bayern München läuft geschäftsmäßig ab – passend zum Stil des Katalanen.
Ein Liebesbeziehung war es nicht, die dreijährige Zusammenarbeit zwischen Bayern München und seinem katalanischen Projektmanager. Und, so ist zu vermuten, Tränen werden auch im Sommer – beim Abschied von Pep Guardiola – nicht fließen. Zu fremd sind sich Verein, Fans und Trainer geblieben. Zuwenig war der iberische Indivualist bereit, sich emotional auf den bayerischen Verein einzulassen – und wenigstens ab und an so etwas wie Leidenschaft oder Verbundenheit zu heucheln.
Entsprechend kühl fiel die Trennungsverlautbarung aus. Schriftlich per Pressemitteilung. Die Spieler, zu denen der Mann aus Barcelona ein, euphemistisch ausgedrückt, sachliches Verhältnis pflegt? Im Trainingslager sei Zeit, mit Ihnen zu sprechen, ließ Guardiola lakonisch verlauten – nachdem er sich zuvor erst mal in die katalanische Heimat aufgemacht hatte!
Guardiola eher Manager als Sportsmann
Später verkündete Guardiola ohne Umschweife, dass ihm drei Jahre FC Bayern genug seien. Er brauche eine neue Herausforderung, wolle neue Leute, neue Stadien und Restaurants kennenlernen. Rums! So verabschieden sich Manager globalisierter Konzerne, wenn sie, sagen wir mal von General Motors zu Volkswagen wechseln, aber nicht Sportsmänner. In der Welt des Fußballs erwartet man, wenn es schon nicht anders geht, zumindest ein paar gespielte Gefühle.
Zumal beim FC Bayern, dem ,Familienverein“ aus der selbsternannten „Weltstadt mit Herz“. Hatte nicht jahrelang der „pater familiae“ Uli Hoeneß mit kalkulierter Charity, aber auch mit echter Fürsorge für gescheiterte ehemalige Spieler und Menschen in Not, hartnäckig daran gearbeitet, dem Rekordmeister trotz aller Titel und Millionen ein volkstümliches Image zu geben? Jedenfalls ein Besseres als dies Werksclubs wie Leverkusen oder Wolfsburg haben? Von internationalen Oligarchen/Ölscheich-Teams wie Chelsea, Manchester City oder Paris St. Germain ganz zu schweigen.
Schweinsteiger aufs Abstellgleis manövriert
Spätestens, so unken Experten, wenn die Überfigur Hoeneß wieder ins operative Geschäft eingestiegen wäre, hätte es einen Zusammenstoß gegeben. Guardiolas Alleinherrschaftsansprüche wären nicht mehr so einfach durchzusetzen gewesen. Eventuell hätte es der Wurstfabrikant auch für nötig befunden, etwas am heruntergekühlten Image sowie an der Hispanisierung des Mannschaftsumfeldes zu korrigieren.
Allein die Art und Weise, wie eiskalt Guardiola Bayern-Urgestein Bastian Schweinsteiger aufs Abstellgleis manövriert hat, kann man fast schon als schäbig bezeichnen. Nicht, dass der Transfer zu Manchester United ein Fehler wäre. Im Gegenteil, für Spieler und Trainer war der Wechsel eine klassische Win-Win-Situation. Aber eine solche Identifikationsfigur wie Schweinsteiger – Liebling der Fans, Weltmeister, Kapitän der Nationalmannschaft – verabschiedet man nicht kurz vor Saisoneröffnung quasi durch die Hintertür. So jemand braucht einen großen Bahnhof und echte Anerkennung. Etwas, wozu ein selbstverliebter Ichling wie Guardiola wohl nicht fähig ist.
Der Mammon lockt
Glaubt man den Sportjournalisten, denn werden der Katalane und sein Ex-Star bald Nachbarn in Manchester sein. Angeblich zieht es Guardiola zu Manchester City. Nicht gerade die erste Adresse für jemanden, der auszieht, um Abenteuer zu erleben oder neue Restaurants kennenzulernen. Wer Nervenkitzel will, hätte eventuell einen Job als Nationaltrainer in Kamerun oder Honduras bevorzugt. Und wenn es dem smarten Pep wirklich aufs gute Essen ankäme, wären Kopenhagen (hochgelobte Lokale) oder Lima, das als neuer Hotspot internationaler Cuisine gilt, heiße Tipps gewesen. Aber Manchester? Doch eher kulinarische Diaspora. Aber vielleicht hat Guardiola ja ungeahnte Vorlieben für Fish & Chips oder Plumpudding.
Das schlagkräftigste Argument pro ManCity dürfte der schnöde Mammon sein. Gehört der Verein doch einem arabischen Scheich, der seinem leitenden Angestellten sicher ein phantastisches Salär sowie das notwendige Kleingeld für kostspielige Spielerkäufe spendieren wird. Pecunian non olet! Die wirtschaftlichen Motive seines Wechsels zuzugeben, so ehrlich war Guardiola bei aller sonstigen Direktheit dann doch nicht.
Skepsis bei Hitzfeld
So verwundert das verbale Kopfschütteln nicht, das Ottmar Hitzfeld, einer von Peps Vorgängern, in einem Interview zum Ausdruck brachte. Emotional liegen auch Welten zwischen Guardiola, der polyglotten Ich-AG und Hitzfeld, der sein Fußball-Handwerk in den noch 60er Jahren beim VfB Lörrach begann. Hier der stets kalkulierende, reservierte Analytiker, dort der Fußballenthusiast, der seine Erfolge neben taktischen Fähigkeiten stets auch einer feinen Menschenführung zu verdanken hatte.
Kaum ein Trainer des FC Bayern, mit Ausnahme vielleicht von Udo Lattek, kam selbst mit schwierigsten Stars derart gut zurecht. Aus dem ewigen Enfant Terrible Stefan Effenberg formte Hitzfeld einen Leader, der maßgeblichen Anteil am Gewinn der Champions League im Jahr 2001 hatte. Eine Trophäe, die Guardiola, aller Millionentransfers oder Ballbesitzstatisken zum Trotz, mit den Bayern nicht gewinnen konnte.
Pep fehlt Champions League Titel
Gewiss, einiges hat der Katalane in München schon erreicht. Deutscher Meister ist er geworden und Pokalsieger. Aber mit Verlaub, das wurden fast alle Trainer des FC Bayern. Lattek und Hitzfeld sowieso, aber auch Heynckes, Magath, Trapattoni, van Gaal, Zebec und sogar ein Pal Csernai, der außerhalb von München nichts reißen konnte. Bei Eintracht Frankfurt beispielsweise wurde der Ungar nach ein paar Wochen vom Hof gejagt. Auch muss bedacht werden, dass Guardiola 2013 eine Mannschaft übernahm, die gerade das Triple gewonnen hatte und deren Stamm maßgeblich am Gewinn der Weltmeisterschaft 2014 beteiligt war. Zudem durfte der Katalane das Team mit vielen teuren Stars weiter aufpep(p)en. Xabi Alonso, Thiago Alcantara, Robert Lewandowski, Arturo Vidal und Diego Costa sind nur die bekanntesten Namen.
Es ist nicht so, dass Fans und Führung der Bayern mit Guardiolas Art Fußball spielen zu lassen, unzufrieden waren. Im Gegenteil: Die Dominanz, die überraschenden Züge sowie die oft spektakulären Spieleröffnungen wurden allgemein gepriesen.
Auch andere Teams spielen attraktiv
Es wäre aber falsch zu glauben, dass erst Guardiola die Bibel des begeisternden Fußballs von Gott persönlich auf dem Berg Sinai überreicht bekam – und Prophet Pep danach dem bis dato tumben deutschen Kickertum die Schönheit lehren konnte. Mönchengladbach zauberte sich mit frischem Offensivfußball sowie Künstlern wie Netzer und Heynckes schon in den 70er Jahren die Herzen der Fans. Ende der 80er Jahre begeisterten die jungen Wilden vom Karlsruher Wildpark unter dem rustikalen Coach Winnie Schäfer das Publikum. Ich selbst kann mich nur allzu gut an die frühen 90er Jahre erinnern, als Jay-Jay Okocha, Uli Stein, Uwe Bein, Heinz Gründel und Anthony Yeboah jede zweite Woche wahre Spektakel im Frankfurter Waldstadion aufführten. Nicht nur die Eintracht-Fans sprachen damals von ,Fußball 2000′. Allerdings brauchte es dafür keinen katalanischen Wundermann. Der eher bieder wirkende Leipziger Jörg Berger oder serbisch-hessische Schrat Dragoslav Stepanovic taten es auch.
Ob die Guardiola-Zeit als etwas Besonderes in die Analen des FC Bayern eingehen wird oder man sie doch ,unter ferner liefen‘ abhakt, entscheidet sich in der Champions League. Die Gefahr, dass Guardiola nach seinem vorzeitig verkündeten Abschied die Motivation fehlt, diesen Titel endlich an die Säbener Straße zu holen, dürfte gering sein. Dasselbe Ego, das Guardiola aus München wegtreibt, sollte ihn auch pushen, nach der Krone des europäischen Vereinsfußballs zu greifen.
Trennung gut für Bayern München
Klar ist jedoch: Die Trennung ist für beide – Verein und Trainer – die einzig richtige Entscheidung. Mancher Politiker würde von „alternativlos“ sprechen. Um seinem Selbstbild sowie seinen Zielen als gefühlt weltbester Fußballlehrer gerecht zu werden, braucht Guardiola einen Scheich, der ihm nicht nur einen Götze oder Vidal kauft, sondern Weltstars der Kategorie Messi oder Neymar.
Der FC Bayern indes scheint dieses Mal eine richtige Trainerwahl getroffen zu haben. Taktisch steht Carlo Ancelotti dem Katalanen kaum nach. Und nach allem was man hört, ähnelt er in Sachen Menschführung eher Hitzfeld oder Heynckes. Mit dem derzeit wohl schwierigsten Charakter des Profifußballs, Zlatan Ibrahimovic, kam „Carletto“ in Paris ganz gut aus. Bisher hat der Italiener auch während all seiner Trainerstationen die jeweilige Vereinskultur respektiert.
Der FC Bayern und die Bundesliga dürfen sich auf Ancelotti freuen.
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