David Berger – der Selbstmystifizierer
Seit geraumer Zeit versucht David Berger die deutsche Schwulenszene zu diskreditieren, zu verleumden und zu spalten. Wolfgang Brosche stellt fest, was hinter diesen Sabotageakten wirklich steckt.
Bluff
Im Jahre 1880 trat der französische Schriftsteller, Leo Taxil, Freimaurer und Leiter eines antiklerikalen Verlages mit großem Getöse und Aufsehen zum Katholizismus über. Er trennte sich von seiner Frau und seinen Freunden und veröffentlichte die „Bekenntnisse eines ehemaligen Freidenkers“. Bald empfingen ihn Bischöfe und Erzbischöfe, die diesen bekehrten Atheisten beglückt auch Papst Leo XIII. anempfahlen. In einer Privataudienz fiel Taxil dem erfreuten Pontifex vor die Füße. Solcherweise vatikanisch beglaubigt, begann der nun als streng katholisch geltende Autor Schriften und Berichte zu veröffentlichen über einen weltumspannenden Teufelskult, den sogenannten Palladismus (nur mit sarkastischem Zungen- und Augenaufschlag auszusprechen!).
Taxil präsentierte glaubhaft reuige Sünder, die bei schwarzen Messen und anderen Orgien sogar einem Teufel den Schwanz ausgerissen haben wollten. Diese Reliquie wurde wohlwollend vom hohen französischen Klerus begutachtet (penis et circenses). Die Jesuiten, die sich innigst auch eine Reliquie für ihren Orden wünschten, das Herz der Jeanne d´Arc, beauftragten darauf Taxil, dieses Organ der Jungfrau zu finden, das sie unversehrt wähnten. Das nicht verwesende Herz ist bei katholischen Heiligen wohl immer derjenige Körperteil, an dem sie am wenigsten verletzlich sind.
Eine weitere glaubenstechnische Großtat Taxils war die Anregung zu einem Antifreimaurerkongreß in Trient, zu dem Kanzelredner, Theologen, Ordensgeistliche und hohe katholische Würdenträger nur so strömten. Die versammelte Corona ließ sich mit ernsten Gesichtern photographieren – Taxil sandte einem Freund dieses Lichtbild und wies darauf hin: „Beachten Sie bitte, daß alle Personen auf diesem Bilde ein ernstes Gesicht machen – nur ich bin der einzige, welcher lacht!“
Dazu hatte er auch allen Grund: 1897, ein Jahr nach dem Kongreß, rief Taxil erneut die katholische Öffentlichkeit und die französische Presse in einem Pariser Theater zusammen. Dort erklärte er lachend, sie alle seien einer viele Jahre betriebenen Mystifikation aufgesessen. Er sei noch immer Freidenker und Kirchenfeind und habe mit diesem groß angelegten Schwindel, der ihm zu internationaler Bedeutung verholfen hatte, Aberglauben und Fanatismus entlarven wollen.
Wie man was einfädelt
Immer wenn ich in den letzten Monaten Veröffentlichungen von David Berger lese, muß ich an Leo Taxil denken. Nur ist Berger sozusagen vom Paulus zum Saulus mutiert und diese angebliche Konversion geschah mit ähnlichem Getöse wie die Selbstkatholifizierung Taxils – nur spiegelverkehrt eben. Auch Berger wurde einer größeren Öffentlichkeit bekannt durch eine Bekenntnisautobiographie, „Der heilige Schein.“ Darin berichtet er von seiner Karriere als schwuler Theologe in der katholischen Kirche. Er war so unangenehm pius-reaktionär, daß selbst konservative Kollegen sich kopfschüttelnd von ihm abwandten.
Das besondere Interesse Bergers galt dem mittelalterlichen Kirchenlehrer Thomas von Aquin, dessen Glaubensfanatismus und absurde Transzendenzphantastereien – Gott als unveränderlicher Verursacher und Endzweck von allem – bis heute Theologen in Atem halten. Thomas bestätigt noch einmal den Höllenwahn, den Augustinus gleichsam einführte und er verlängert sadistisch und gerecht die infernalischen Qualen ins Unendliche als ewige Strafe für Sünden. Als wenn das schon nicht abschreckend genug wäre, mystifiziert er die Eucharistie mit der völlig haltlosen Transsubstantiationslehre und ordnet den Menschen als Wesenseinheit zwischen Engeln und Tieren ein. Schließlich setzt Thomas Klerus und Papst über die weltlichen Herrscher, die, mittelalterlich eben, bei ihm nur Monarchen sein können, denen das Volk zu dienen hat. In seinem katholischen Mitteilungswahn und seiner christlicher Lallomanie sondert Thomas von Aquin seine Weisheiten gleichzeitig an drei bis vier Sekretäre ab; anders ist sein Riesenwerk gar nicht zu erklären.
Es mag interessant sein, sich mit diesem Kirchenlehrer als pathologischem Fall von Gotteswahn zu beschäftigen, aber David Berger nahm ihn ernst. Dieser Thomas von Aquin hat sein Denken bis heute geprägt.
In einem solchen Denksystem von Herrschaft und Gehorsam, von Unterdrückung und Anpassung, von geistiger Absurdität und Glanz und Glitter der Paramente hat Berger dann Karriere gemacht: er war Mitglied der Päpstlichen Akademie des Heiligen Thomas von Aquin und Vizepräsident der Deutschen Thomasgesellschaft. An der Katholischen Uni Lublin habilitierte er sich natürlich im Fach Dogmatik – das muß hier mal gesagt werden: Dogmatik ist KEINE Wissenschaft, denn jede Dogmatik widerspricht dem Selbstverständnis der Wissenschaften.
Tatsächlich ist Dogmatik das kaum verschleierte Studium der geistig-moralischen, unmenschlichen und wirklichkeitsverleugnenden Diktatur des Katholizismus (und anderer Religionen) – aber das nur nebenbei, weil´s sonst keiner wagt zu sagen! Neben weiteren erzkonservativen Ämtern und Titeln wird Berger schließlich betraut mit der Herausgabe des Magazins „Theologisches“, eine Art intellektuelles und wortgewählteres kreuz.net. Man kann eben auch mit einem sauberen, spitzfingrigen Vokabular die Moderne bekämpfen.
All diese Glaubenssicherheiten, die tridentinische Messe, dieses Satyrspiel aus byzantinischen Gewändern, Greisengesängen und Weihrauch, dieses Getragenwerden vom Konservativismus, diese wie ein Kaminfeuer wärmende Abneigung (vorne heiß, hinten kalt) gegen humanen, gesellschaftlichen und politischen Fortschritt, dieses Eingebundensein in katholische Kreise aus Klerus und Kapitalismus – all das beschreibt Berger über viele Seiten genüßlich in seinem Buch… man riecht förmlich die romanisch-gotische Strenge der Tagungshäuser und Klöster, sieht vor sich die bunten, unerreichbaren Fensterrosetten des heiligen Jerusalems und spürt die kalten Umarmungen von Klerus und Rechtsgläubigen.
Dies alles will David Berger nach seinem Paulus-Sauluserlebnis hinter sich gelassen haben. Auslöser, so schreibt er in seinem Buch vom Heiligen Schein, sei die Äußerung des Bischofs Franz-Josef Overbeck aus Essen in einer Anne-Will-Sendung gewesen: homosexuell zu sein sei Sünde und wider die Natur.
Darauf outete sich Berger mit einem Artikel in der Frankfurter Rundschau. Es kam, wie es kommen mußte, der Bekenner wurde gemobbt, seiner Ämter enthoben und schließlich sogar als Religionslehrer entlassen – unter großer öffentlicher Medienbeachtung, versteht sich. Schließlich erklärte Berger sich ausführlich mit seinem Buch und sprach ein homosexuelles Anathema über die Homophoben, nicht die Konservativen in der katholischen Kirche aus. Wie ein Bühnenmagier steigerte er seine Enthüllungen und Bezichtigungen bis zum großen, aber nicht unerwarteten Clou. Er ließ durchblicken, daß nicht nur der halbe Vatikan, sogar Papst Ratzinger selbst durch und durch schwul wären. Ja, er beschrieb die Kirche als eine Organisation effeminierter Schwuler in Spitzenkleidchen mit Goldkante von süßlichem Patchouliduft umwabert.
Auch ich verschlang Bergers Konfessionen mit Genuß und vergaß dabei fast, daß ich das alles schon längst gewußt hatte. In meiner Jugend- und Studienzeit habe ich Vertreter der verlogenen Schwulenbündelei hinter den Mauern des Paderborner Collegium Leoninum und unter den Studenten der benachbarten katholischen Fachhochschule kennen gelernt. Von ihren fromm-einfältigen Eltern oder von Klerikern mit Durchblick alimentierte junge Männer, manche nicht unhübsch, das wußten sie sehr wohl und deshalb umschwärmt. Sie trugen chice BOSS- oder Armanianzüge, eng in der Taille und sie dufteten nach Kouros oder Trussardi. Sie wagten sich sogar in die zwei Sublokale der Hochstiftmetropole, aber wenn man ihnen auf der Straße begegnete, kannten sie einen nicht mehr; sie waren eben doch etwas Besseres, Herausgehobeneres weil auserwählt und berufen! Sie rühmten sich auch ihrer sexuellen Libertinage, die einer gewissen Pikanterie nicht entbehrte, befand sich doch die von ihnen häufig frequentierte einzige Klappe Paderborns in einer öffentlichen Toilette direkt unterhalb des Domes.Das war probat, denn nach den fleischlichen Enqueten zwischen Kacheln und Klobecken konnte man mit wenigen Schritten zur Kathedrale hinübereilen und nach der ersten Frühmesse einem verschlafenen alten Pater sub rosa schwelgerisch von den sündigen Freuden beichten. Ein paar Ave Maria, ein paar Spritzer Herren-Deo und man war wieder reinlich, außen und innen.
Mit ähnlichen Geschichten kokettiert auch Berger in seinem Buch. Ich überlas das, denn was wirklich an Bergers Buch gefiel war, daß jemand aus den inneren Zirkeln – und Berger verkehrte mit den höchsten Tieren des deutschen, polnischen und vatikanischen Klerus – den Zynismus, die Herablassung und Bigotterie der Catholica offen darlegte.
So wie Berger als theologischer Jungstar in der Kirche herumgereicht wurde, trugen ihn nach seinen Eröffnungen die Medien von Talkshow zu Talkshow, man drehte biographische Porträts über ihn und wenn dann wieder einmal ein erzkonservativer Bischof, Kardinal oder gar der Papst selbst einen homohassenden Unsinn verzapfte, wer durfte ihn – weil doch so kompetent – kritisieren? Berger natürlich!
So wie Leo Taxil verstand es Berger, sich im Lichte der medialen Öffentlichkeit zu drehen und zu wenden, in jeder Hinsicht gut ausgeleuchtet. Auch beruflich wurde er entschädigt, der ehemalige Herausgeber von „Theologisches“ wurde Chefredakteur der „Männer“.
En passant erledigte er mit einer Kampagne das Interhetzorgan „kreuz.net“. Wenn man nur fünf Minuten laut aus „kreuz.net“ vorlas, begann man aus dem Munde zu stinken! Es stank, wie sagte der unsterbliche Kurt Tucholsky über frühe Hitlerreden, nach Hosenboden – und zwar dem Straminboden einer ungereinigten Krachledernen, die ohne Unterwäsche getragen wurde. Jahrelang delektierten sich täglich Zehntausende am Verbalherpes dieser Plattform, die über Frauen und Schwule, Muslime und Juden herzog, daß Julius Streichers Invektiven nahezu harmlos dagegen wirkten.
Aber…erst als „kreuz.net“ David Berger selbst aufs Korn nahm, begann er sich gegen diese katholische Dreckschleuder zu wehren. Zupaß kam dann noch der Geifer, den die Katholiban zum Tod des schwulen Komikers Dirk Bach erbrachen. Das nutzte Berger als Anlaß, damit es nicht so ganz nach einem privaten Kreuzzug gegen kreuz.net aussah. Was vereinzelte, tapfere Kläger bei deutschen Gerichten nicht erreichen konnten, David Berger schien´s zu gelingen. Er entlarvte Hintermänner, die ihm nicht unbekannt waren und wurde so zum Brave Heart der deutschen Schwulenszene.
Bergers larmoyante Reue und das Bekennen zu einer monogamen Beziehung, deren Treueversprechen er und sein Partner sich unter dem Gnadenbild der Muttergottes, dem marianischen Heiligtum des Frankenlandes in Würzburg gaben (wie er im Buch stolz berichtet, beim zweiten Lesen wirkt´s peinlich, nicht satirisch), prädestinierten ihn wohl zum bürgerlich-wohlanständigen Führer der deutschen Schwulen.
Er ist für die Eheöffnung, aber kein Klappenschmuddelkind, man würde ihn nie im Fummel sehen, aber stets body-building gestählt mit ernster, eigentlich verkniffener Miene. Berger achtet darauf, daß sein Doktortitel ebenso oft erwähnt wird als Zeugnis bürgerlich-akademischer Bildung wie seine Bizeps Beachtung finden müssen, weshalb er sich am liebsten im Unterhemd oder mit kurz-knappen Ärmeln photographieren läßt. Mit dem Plüsch und Patschuli-Image des von ihm einst so bewunderten Klerus will er nichts mehr zu tun haben. Es gelingt ihm selten ein Lächeln, das wohl seine vom Katholizismus gegerbten Züge aufweichen würde.
Auf seiner Facebookseite und in seinem Magazin gibt er Bauchmuskeltips und verfolgt ein markiges Männerbild wie es der finnisch-amerikanische Zeichner TOM of Finland in seinen manchmal anatomisch bedenklichen aber durchaus geilen Zeichnungen entworfen hatte.
Wie hübsch, daß nun ausgerechnet Finland eine Briefmarkenserie mit Motiven dieses Veteranen der schwulen Pornographie aufgelegt hat. Man kann sie von hinten belecken – aber das empört, wie man hört, die russische Post, die damit frankierte Briefe nicht befördern will. Naja! Bestimmt gibt es bald Marken mit Wladimir Putin, halbnackt im Kaukasus, hoch zu Roß – das ist nicht schwul, das ist vaterländisch – und määäännlich!
Womit wir wieder bei David Berger wären:
Was ihm in der katholischen Kirche nicht gelingen konnte – wie er selbst schreibt, hielt ihn das Zölibatsgebot zurück – nämlich Priester, Bischof, Kardinal oder eben noch mehr zu werden, das versucht er nun in der „Gay-Community“. Eine Vokabel, die er oft und gerne benutzt – aber sie klingt in seiner Schreibe und aus seinem Munde so wie zu Zeiten als ehemalige DDR-Bürger liebgewordene Spezialvokabeln wie „Broiler“ oder „Jahresendfigur mit Flügeln“ über Bord warfen und sich Anglizismen aneigneten, die allerdings mit sächsischem Akzent nur peinlich wirken. Das klang nach Anbiederung: „guggense doa, isch wärf das gommunistische Zeugsch ieber Bord und bosse mich Ihnen an!“
Der ehemalige katholische Reaktionär biedert sich nicht nur bei den Schwulen an, um sein Vorleben vergessen zu machen – er biedert sich recht eigentlich als Schwulenführer bei den Heterosexuellen an. Anpassung hat er gelernt, denn die ist der Kern des katholischen Sozialverhaltens: erst mal Jahrzehnte buckeln, dann darfst Du wie zum Beispiel Ratzinger als Chef der Glaubenskongregation, andere zum Buckeln und Kriechen bringen. Das nennt man in der Kirche eine Karriere.
Mit zahlreichen Wortmeldungen in den verschiedensten Medien entwirft Berger das Bild des angepassten Schwulen. Bloß nicht weibisch, effeminiert oder tuntig. Guggense da: wir sind richtige „Kärle“…
Ende 2014 zog Berger in einer sogenannten Glosse für die Huffington Post über eine Vielfaltkampagne der Deutschen AIDS-Hilfe her. Auf einem Plakat dieser Kampagne heißt es freimütig „Seid tuntig“; das kann dem ganzen Kerl Berger, der an seinem Muskelimage so lang und verbissen gearbeitet hat, natürlich nicht behagen. Er ist doch normal und würde niemals im Röckchen herumtrippeln – verlangt ja auch keiner von ihm. Ich möchte das nicht sehen!
Berger selbst verlangt es nach „Homo-Helden“, wie er auf TheEuropean verlauten ließ, nach richtigen Männern wie Thomas Hitzlsperger oder Tim Cook – kein Huch und Hach, aber Blutgrätsche und eiskalter Kampf auf den Schlachtfeldern des Big Business. Drei Dinge braucht der Mann: Kerligkeit, Kernigkeit, Kapitalismus.
Wer sich diesem kerlig-kernigen und ans heteronormative Männerbild ranrobbende Ideal nicht unterwerfen will, dem zeiht Berger der „Body-Phobie“ – auch so ein Berger`scher Szene-Neologismus. Frauen und Feministinnen kriegen auch noch ihr Fett ab – wenn wir schon beim Body-Index sind – in einem anderen Beitrag für die Huffington Post erklärt Berger Alice Schwarzer, was Männer und Frauen tatsächlich unterscheidet sei das Testosteron. Gewiß, Theologen kennen sich auch aus in der Hormonforschung.
Joi Mama, es ist wirklich ein weiter Weg von den Chorhemden aus Ado-Gardinen bis zum postkatholischen Muskelstrotz dieses selbsternannten Führers der bürgerlichen Schwulen. Ich bin ein Mann und das genügt – naja, das Schwulsein nehmt mir nicht krumm, ich mach´s schon so, daß es euch nicht stört. Und gegen Tunten, Frauen, Feministen und Dicke wird man ja noch mal sagen dürfen…
Männerbilder
Das Männerbild Bergers – das nicht bloß ein homosexuelles Traumbild ist – hat Klaus Theweleit schon vor über 30 Jahren als faschistoid entlarvt: der ausrasierte Nacken, immer eine Haltung, als müsse man den Klappspaten schultern, braun-gebrannt und glattrasiert. Und es wabert postfaschistisch immer noch herum – leider auch bei anpassungswilligen bürgerlichen Schwulen. Zum Beispiel jenen Figuren der rechten Szene und der schwulen Plattform in der AfD, für die sich Berger neuerdings einsetzt. Kälber, die ihre Schlächter selber wählen.
Ja, es gibt sie, die bürgerlichen Schwulen, hat sie immer gegeben. Rosa von Praunheim hat sie vor über 40 Jahren in seinem bahnbrechenden Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers…“ gezeigt. Jene Schwulen, die bürgerlicher sein möchten als das Bürgertum, die sich assimilieren wollen bis zur grotesken Selbstverstümmelung.
Auf dem News-Forum „queer.de“ tummeln sich als Kommentatoren seit Jahren Sofadeckchenschwule und gehen den anderen auf die Nerven mit solchen Aussagen wie: „die steuerliche Gleichstellung haben wir ja jetzt und einige evangelische Gruppen erlauben sogar Segnungen, damit wollen wir zufrieden sein und nicht weiter provozieren! Alle Nachbarn tolerieren uns weil wir so einen gepflegten Vorgarten haben, das wollen wir nicht aufs Spiel setzen!“
Ja, es gibt sie, die Schwulen, die sich mit maschendrahtzaungeschützten Schrebergärtchen zufrieden geben, die Ih bäh schreien, wenn Olivia Jones in Talkshows auftaucht, die den frommen Hape Kerkeling zu ihrem Helden erkoren haben und davor warnen, nicht zuviel Gleichstellung zu verlangen, denn das könnte ja zu Rückschlägen führen. Es gibt sogar die Schwulen in der AfD, die sich wie so viele andere Deutsche nach einer gelenkten Demokratie sehnen, die lieber denken lassen und laut und deutlich erklären, Analsex sei schmutzig und sie würden sich stets die Hände danach waschen mit Sagrotan! Man darf ihnen also getrost die Pfoten schütteln. Sie sind Putinversteher, denn der ist ein starker und richtiger Mann; sie verteidigen ihre Parteigenossin Beatrix von Storch als eine mutige Frau gegen den Mainstream und sie sehnen sich nach Familie und Kindern, Elternrente und Freibeträgen, um damit beweisen zu können, daß sie doch sind wie alle. Nicht linksgrün versifft – als ob es in der Bundesrepublik je eine wirklich linke Regierung gegeben hätte – sie glauben, daß es genug ist mit der angeblichen Frühsexualisierung der Kinder und dem Feminismus und dem Genderwahn…sie tragen keine Pumps und Federboa (höchstens beim Hauskarneval) und grüßen die alte Tunte auf der Straße nicht, über die sie als Travestiekünstlerin in der Schwulenbar noch gestern nacht gelacht haben. Ja, gelacht!
Sie sind doch wie alle anderen, ganz normaaaal! Sauber, reinlich, arbeitsam und bitte, bitte, vergesst doch, daß wir manchmal Dinge in unser Rektum stecken, die der liebe Gott nicht dafür vorgesehen hat…
Ja, diese Schwulen sind genauso spießbürgerlich wie alle anderen Spießbürger, sie hecheln nach Anerkennung, sie treten die, die ihren Normalitätswünschen nicht entsprechen, genauso wie die Heten: sie spucken auf Arbeitslose, die schlappen Faulsäcke oder auf Muslime oder im Gender“wahn“ versinkende Vielfaltsjünger und Feministen. Ja, es gibt auch unter den Schwulen Maskulisten und die Nöler und Gröler des „Man wird das doch noch mal sagen dürfen“.
Zum Sprachrohr dieser Leute macht sich David Berger und kommt eigentlich wieder bei seinem Ausgangspunkt an. Er ist durch und durch thomistischer Katholik geblieben – und kämpft mit allen Mitteln, die er seinerzeit gelernt hat, gegen seine Opposition.
Nicht nur, daß er sich neuerdings bei den Gründern und Anhängern der „Demo für alle“, der Fundikatholikin Hedwig von Beverfoerde oder flapsigen Genderkritikerin Birgit Kelle anbiedert und sich bei Ihnen für seine ehemalige Haltung entschuldigt, er beginnt nun auch wirklich Forderungen nach einer neuen Schwulenbewegung zu stellen – mit ihm, steht zu vermuten, als Papst; und führt das in jüngsten Artikeln zurück auf seinen geliebten Thomas von Aquin.
Damit setzt Berger nun aber eine ungeheuerliche Krone auf sein Unwesen: Vierzig Jahre Schwulenbewegung haben ihm erst erlaubt, sein Outing zu wagen nachjahrzehnte langer Anpassung im katholischen System. Er hat das tatsächlich todernste Spiel von Bigotterie, Unterdrückung und Erpressung, die perfide katholische Wühlarbeit gegen die moderne liberale Gesellschaft gelernt und schließlich beherrscht. Es brachte ihm Ruhm und Würden, Anerkennung und den Eintritt in jene innersten Zirkel. Gestört hat ihn am Ende bloß, daß er seine maskulin-schwulen Vorstellungen nicht innerhalb dieser Kreise ausleben durfte. Jetzt beschimpft er schwule Organisationen, die Jahrzehnte einen Kampf für Gleichberechtigung führten, in der reaktionären Kohlrepublik und zu Zeiten der AIDS-Krise als links-grün. Er lehnt sich stylish im Sofa zurück und genießt die Früchte dieses Kampfes der anderen: er kann den Mund aufmachen, Ruhm und Ehre und neuen Job kassieren und sich zum schwulen Pontifex stilisieren – neuerdings als Macher einer sogenannten konservativen Internetseite mit eigenem Hauspfarrer.
Er setzt seine reaktionäre Sprachrohrtätigkeit fort mit durchaus unangenehmen inquisitorischen Methoden, die er gelernt hat. Damit reiht er sich ein in die Kohorten der Matussek, Kubys und Elsässers und anderer, die die Meinungsfreiheit ausgerechnet durch diejenigen bedroht sehen, die für Vielfalt und Gleichberechtigung, gegen Normierung und Einfalt kämpfen. Daß er nun im Stile der Neurechten denunziert, verleumdet und verlogen kämpft für die Feigen, Angepaßten Schwulen, die nicht besser sind als das rechte Gesindel in PEGIDA und AfD ist schamlos offenbar. Er sieht sich Erlösergleich als Führer einer „schweigenden Mehrheit“ – das rechte Vokabular und Fähigkeit zum Jammern und zur Selbstviktimisierung scheint er bei Höcke, Petry und Co. ausgeborgt zu haben.
Der alte katholische Adam lugt auch im Gewand des angeblichen Führers der schweigenden schwulen Mehrheit hervor. Von wegen von Paulus zum Saulus (!).
Schwulengeschichtsbewußte Poster in Blogs und Foren zogen historische Parallelen. Für ihre Hinweise bin ich dankbar.
Schon einmal Ende der 20er Jahre, gab es eine ähnliche Auseinandersetzung in der schwulen Szene. Friedrich Radszuweit, gewiß auch ein Vorkämpfer für Homosexuellenrechte, allerdings ein elitärer, bekämpfte Magnus Hirschfeld, der ein vielfältigeres Bild von Homosexuellen entworfen hatte. Brand, Anhänger des Wandervogels und des virilen FKK, setzte dagegen auf ein heroisches Männerbild, ja hielt sogar Verbindungen von starken, dem Femininen abholden Männern für besonders erhaben. Die Misogynie und den maskulinen Körperkult teilte er mit den Nationalsozialisten, die ihn dennoch verfolgten.
Bodybuilding und Bergerlichkeit, nein Bürgerlichkeit als devote Anpassung an den konsumistischen Heteromainstream – der auch Heterosexuelle fürchterlich terrorisiert – reichen eben nicht aus für eine geglückte Emanzipation.
Wenn Schwule von Bürgerlichkeit träumen
Mit einem charmanten Aplomb wie im Fall Leo Taxil wird diese Scharade des „geläuterten“ Theologen nicht enden. Er hat nicht das Zeug dazu. Berger fehlen wie allen verbissenen Selbstdarstellern Flamboyanz und Humor; er ist vom geistigen Habitus ein lebenslanger Katholik – auch wenn er ausgetreten ist. Katholischsein heißt eben auch weniger intelligent sein – denn wer an Jungfrauengeburt, leibliches Auffahren in den Himmel und Trinität glaubt, der ist längst nicht in der Moderne angekommen. Ja noch mehr, Glauben, ob katholisch, orthodox, evangelisch, evangelikal (da vor allem) oder muslimisch setzt die Fähigkeit zur Selbstkorruption voraus. Man muß seinen Verstand guten Gewissens selbst kneten, biegen und betrügen können. Die hervorstechende Fähigkeit des Kleinbürgers, auch des schwulen Kleinbürgers.
Der hochadlige Kommunist Luchino Visconti analysierte gegen Ende seines Leben resignierend die kapitalistisch-konsumistische Politik und Ästhetik der Bürger so:
„Die Älteren sind (…)faschistisch, die Jungen sind der Korruption verfallen oder sind ihr auf jeden Fall auf Schritt und Tritt ausgesetzt (…). Dabei sind sie schön und anziehend, und ihre Verdorbenheit ist keine bewußte!“
Nun, David Berger, der dem männerbündlerischen schwulen Jugendwahn (das ist ein ästhetisch-politisches Bekenntnis) frönt, steht altersmäßig bei den Älteren, wenn er sich ernst nehmen würde – seine herbeitrainierte Jugendlichkeit ist im Visconti-Sinne korrupt aber auch sehr bewußt. Er sehnt sich nach männlichen Helden mit Schwellbrust, die er im Katholizismus enttäuschenderweise nicht fand. Jetzt soll eine andere Szene seine Träume befriedigen und zwar nicht bloß in der Macker-Nische, die es in der schwulen Vielfalt längst gibt, sondern wieder als Norm für alle.
Der bürgerliche Schwule, den Berger postuliert, ist ein Unding, er kann nicht existieren, ist eine Sehnsuchtschimäre, eine Kopfmißgeburt. Die Bürger wollen keine Schwulen und der bürgerliche Schwule ist immer einer mit seelischen Verwachsungen und emotionalen Geschwüren weil er es liebt, getreten zu werden, in der Hoffnung selber einmal treten zu dürfen. Das Phantasma der schwulen Bürgerlichkeit ist nur mit Selbsthaß zu haben – und der wird, damit er nicht so schmerzt, gegen andere Schwule gewendet! David Bergers Texte erinnern mich immer mehr an jene schwulen Kontaktanzeigen, in denen es heißt: bitte keine Brillen-, Bauch- und Glatzenträger!
In seiner Selbstbeschreibung auf TheEuropean (wo er gelegentlich sein Aus- und Einfälle präsentiert), fragt sich David Berger, ob er ein Felix Krull sei. Soso, ein Hochstapler…mit der Nähe zu Leo Taxil lag ich also nicht so falsch.
Das wäre etwas, ich würde mich, sagen wir mal „beeumeln“, s´wär zu schön, wenn sich Berger eines Tages wie Taxil hinstellen würde, blank zöge und riefe Ätschbätsch, ich bin noch immer Fundikatholik und wollte Euch Schwulen nur zeigen, wie leicht man Euch hinters Licht führen kann. Wird er aber nicht, denn Berger ist kein Entlarver wie Leo Taxil, und schon gar kein Charmebolzen wie der Mann´sche Krull; wär er wohl gern. Aber im Gegenteil – er bleibt ein Mystifizierer und ist höchstens ein Selbstdarsteller. Die angeblich selbstlosen Christen sind große Egozentriker, denn geradlinig zuende gedacht, tun sie alles für ihren Gott, damit der ihnen das ewige Leben schenkt. Sie drehen sich im Glauben nur um sich selbst, nur an sich selbst und für sich selbst ad infinitum… Träumt Berger davon, daß man auch ihm einst „santo subito“ nachrufen wird? Er tut schon viel dafür!
P.S.
Vielleicht geht´s ihm gar nicht um die Schwulenpapstwürde.
Wenn man Bergers Postillenblog „gaystream“, das sich zum Hetzportal gegen Araber, Muslime und Schwule, die nicht dem Männlichkeitsbild des Herrn Berger entsprechen, entpuppt, in den letzten Monaten genau beobachtet, steht zu vermuten, daß er ganz andere politische Ambitionen hat. Biedert er sich bei den rechten Organisationen von PEGIDA über die „Demo für Alle“ bis AfD an? Hofft er nach der „Machtergreifung“, von der bereits etliche Führer dieser Bewegungen schwadronieren, auf einen Posten im neu zu errichtenden Propagandaministerium?
Aufs Klittern und Klimpern, Drehen und Wenden versteht er sich als ehemaliger Theologe ja ganz gut – und so benutzt er bereits meinen guten Nachnamen als Pseudonym für kleinkarierte und kleinmütige Glossen, die keineswegs originell sind….
Ach, zur allgemeinen Erheiterung am Schluß noch eine schöne Anekdote aus dem Leben des wundervollen Curt Goetz:
Der feierte einmal ausgelassen und laut mit Freunden in seiner Wohnung in Berlin. Da klingelte das Hausmädchen eines Dichters, der unter ihm wohnte: „Guten Abend, Herr Götz. Mein Herr läßt schön grüßen und bestellen: er kann nicht schreiben!“
Darauf Goetz lächelnd : „Aber das wissen wir doch – und wir lassen auch schön grüßen!“
P.P.S
In der Huffington Post vom 11. Januar bespricht David Berger das unlesbare Machwerk „Die große Verschwulung“ von Akif Pirincci.
Ich habe mich unter Qualen durch dieses sprachlich und inhaltlich unzulängliche Buch, wohl entstanden unter Zuhilfenahme von Unmengen an Alkohol und Zigaretten, mit größten Mühen hindurchgequält und entschlossen, darauf nicht mehr einzugehen, weil es sich weit unter dem Niveau des Zivilisierten befindet.
(Damit mir keine Qualen kommen – auch Ernest Hemmingway braucht Unmengen an Alkohol und Zigaretten, um Bücher zu schreiben – aber er war eben auch ein richtiger und fähiger Autor!)
Aus dem menschenverachtenden Unsinn Pirinccis destilliert Berger gleichwohl Honig für seinen unzweifelbaren schwulen Selbsthaß und sein – wenn es nicht absurd wäre würde ich sagen: für seine gigantische geistige Kleinlichkeit. Er rechterfertigt die Ausbrüche Pirinccis, der recht eigentlich um eines bangt:
Seine Männermöglichkeit Frauen nach Gutdünken zu beschlafen, um damit seine Schänzliche Oberhoheit (um mal in seinem Jargon zu bleiben) zu bestätigen.
Daß ihm ausgerechnet ein schwuler Autor beispringt (hehe!) ist gar nicht so unwahrscheinlich,wie es scheint – denn auch Schwule sind als Männer sozialisiert und oft von ihren eigenen Müttern erzogen worden im Glauben, sie seien das bessere, das zum Herrschen bestellte Geschlecht.
Der Katholizismus, eine sexistische Ideologie par exellence, die das phallische Kreuz zum höchsten Symbol erhob, segnet dieses Geschlechterbild ab. Berger hat selbst beschrieben, daß ihn das Patriarchale an seiner Kirche anzog… nicht ohne dann naserümpfend anzumerken, daß das, was durch willkürliche Zuschreibung (und dagegen kämpft „gender-mainstreaming“) als feminin gilt, ihn anwiderte…vom Chorhemd bis zum Herrenparfum.
Seine Eloge auf Pirincci gipfelt in dem brachialen Gedanken, daß Männer eben Männer sein wollten, Penisträger, Herrschaftsanbeter und Ausübende der Herrschaft über alles andere – das heißt ja auch „katholisch“ allumfassend – männlich, per penem wohlgemerkt.
Lassen wir die Paraphernalien an aquinischen Gedankenverdrehungen, Weihrauch und die Travestie-Show der katholischen Messe hinter uns, bleibt doch nichts weiter als ein barbarischer Maskulismus übrig.
Berger hat genug Raum und Zeit sich seinem Männerbild zu widmen, in der Prärie beimZureiten oder der Sauna, im Fitnesstudio oder auf der Bodybuildingbühne —
Und siehe da, eigentlich ist dies das Ziel der Genderbewegung – suum cuique: Gerechtigkeit und Gleichwertigung der erotischen, emotionalen und sexuellen Empfindungen… in all ihrer Vielfalt.
Doch Berger kann nur männlich (oder was er darunter versteht) – kann er ja, niemand wird ihn kastrieren.
Doch wieder einmal zeigt es sich, daß der durch und durch katholisch indoktrinierte David Berger nicht fähig ist, komplexe Sachverhalte wie das Thema „gender“ auch nur annähernd zu durchdringen – oder sagen wir es deutlich, daß er zu dumm dazu ist.
Dieses Thema interessiert ihn auch nur deshalb, weil er sein faschistoides Männerbild (das Klaus Theweleit schon vor 40 Jahren klug dargestellt hat), zur Norm erheben möchte.
Die gender-wissenschaft möchte Menschen helfen,ihre eigene, individuelle Geschlechtlichkeit als Selbstvertsändlichkeit zu betrachten.
Herr Berger, geistig als Rechtskatholik geprägt,kann gar nicht anders denken als in Kategorien,die die Menschen einsperren, zurechtweisen, normieren und vergewaltigen…
Mit diesem neuerlichen Vorstoß in die Untiefen der Rechten Bewegung empfiehlt er sich erneut als Bannerträger…seine Vorstellung vom Schwulen mit dem Arbeitsmannhabitus als Norm allen aufzupressen, sind zutiefst menschenverachtend.
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