Energiewende ganz privat – so wird’s gemacht!

Weg von der biochemischen Energie des eigenen Körpers, hin zu Strom und Benzin des motorisierten Alltags. Und mehr Licht!


Der Herbst ist die beste Jahreszeit, um über die Zukunft der Menschheit ehrlich nachzudenken. Nicht etwa, weil der Herbst ohnehin schwermütige Gedanken befördert. Im Gegenteil, das bunte Laub im warmen Licht der tiefstehenden Sonne stimmt die Seele friedlich und im letzten Abendlicht könnte man bei Kerzenschein und Wein über die Schönheit des Werdens und Vergehens und über die ewige Wiederkehr des Gleichen philosophieren – käme einem nicht das Knattern eines Laubsaugers oder eines Laubbläsers dazwischen.

Noch vor wenigen Jahren gab es dieses Geräusch nicht, stattdessen hörte man das gleichmäßig schwingende Rauschen eines Besens. Meiner eigenen subjektiven Erfahrung nach ist man mit beiden Varianten ungefähr gleich lange beschäftigt, wenn es gilt, etwa einen Gartenweg oder einen Rasen vom Laub zu befreien. Trotzdem steigen immer mehr Menschen auf die motorisierte Variante um.

Das ist nichts Neues. Wer mäht schon noch den Rasen mit einem mechanischen Rasenmäher, oder gar mit einer Sense oder einer Sichel? Und zugegeben: Ich habe seit Jahrzehnten kein Eiweiß mehr mit dem Schneebesen geschlagen, und selbst den Hefeteig überlasse ich inzwischen der Küchenmaschine, auch wenn das Geräusch mich nervt.

Der technische Fortschritt marschiert klar in eine Richtung: weniger körperliche Anstrengung, mehr Maschinenkraft im Alltag. Nirgendwo ist zu sehen, dass sich das ändert. Auch meine ganz persönliche Energiewende heißt: Weg von der biochemischen Energie, die meine Körperkräfte antreibt, hin zu Benzin und elektrischem Strom, der Motoren unterschiedlicher Größe in Bewegung setzt.

Präzision und Eleganz

Das beste Beispiel ist mein Auto: Die Außenspiegel, der Fahrersitz, selbst die Kofferklappe – nichts davon bewege ich noch mit Körperkraft, alles wird mit kleinen Elektromotoren in die gewünschte Position gebracht. Hat das irgendeinen höheren Sinn, irgendeinen objektiven Wert? Ehrlich gesagt: Nein. Es ist irgendwie cool. Es hat die Anmutung von Präzision und Eleganz, aber das Ergebnis habe ich mit ein bisschen Geschicklichkeit und Kraftaufwand vor Jahren auch noch völlig unmotorisiert hinbekommen.

Das Ergebnis: Jede Effizienzsteigerung in der Technik wird nicht etwa dazu genutzt, unterm Strich tatsächlich Energie zu sparen – wovon wir uns ja ständig einreden, dass wir es zwingend tun müssen, um nachhaltig und klimaschonend zu leben. Vielmehr nutzen wir den Fortschritt nur, um uns zu gleichen Kosten, mit gleichem Aufwand an Strom und Benzin, immer weniger selbst bewegen zu müssen.

Der gleiche Trend wird zu dieser Jahreszeit in den Abend- und Nachtstunden im wahrsten Sinne des Wortes sichtbar: Wir sind stolz darauf, inzwischen kaum noch Glühlampen zu verwenden, die Energie verschwendeten und mehr heizten, als dass sie Licht erzeugten. Über die Energiesparlampen sind wir bei den LED-Leuchten angekommen. Aber verbrauchen wir dadurch weniger Strom? Das wäre purer Zufall.

Mehr Licht!

Denn unsere Häuser sind inzwischen immer heller geworden. Im Treppenhaus ist es nachts taghell, das Licht geht bei der kleinsten Bewegung an und strahlt noch lange auf leere Wände, wenn wir längst im Fahrstuhl verschwunden sind. Wo uns früher eine Arbeitsplatzleuchte reichte, strahlt heute eine Hintergrundbeleuchtung an jeder Wand. Sind ja Energiesparlampen. Und umso weniger Strom die Fernsehtechnik eigentlich benötigen würde, desto größer und heller werden die Fernsehbilder.

Das alles ist kein Vorwurf, nicht einmal ein Appell zur Umkehr. Auch mein neuer Fernseher ist doppelt so groß wie der, den ich zuvor hatte. Ich lamentiere auch nicht über die schlechte Welt, ich warne nicht vor dem Untergang der Menschheit. Alles, was ich sagen will ist. Menschliche Vernunft hat nichts mit Vernünftigkeit zu tun. Wir denken nicht an die drohenden Gefahren, an den Klimawandel oder an zukünftige Generationen, wenn wir uns ein neues Küchengerät, einen neuen Fernseher oder ein Auto kaufen. Wir wollen es einfach schön haben und Spaß erleben. Und das ist auch immer gut gegangen – irgendwie.

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Jörg Phil Friedrich

Der Philosoph und IT-Unternehmer Jörg Phil Friedrich schreibt und spricht über die Möglichkeiten und Grenzen des digitalen Denkens. Friedrich ist Diplom-Meteorologe und Master of Arts in Philosophie.

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