Klar, kontrolliert die Wahl!

Die Stimmauszählung nach der Wahl ist öffentlich und jeder hat das Recht, den Vorgang zu kontrollieren. Geht hin und nutzt das – auch wenn es die AfD empfiehlt.


Genau in einer Woche werden in drei Bundesländern neue Landtage gewählt. Und um 18:00 Uhr, wenn die Wahllokale schließen, beginnt die Stimmauszählung. Die ist öffentlich. Jede interessierte Person kann da hingehen und beobachten, ob alles mit rechten Dingen zugeht, ob die Wahlhelfer, die Schriftführerinnen und Wahlvorstände richtig sortieren und zählen, ob sie die Ungültigkeit von Stimmzetteln richtig bewerten, ob sie die Ergebnisse richtig zusammenrechnen und in die vorgesehenen Formulare eintragen.

So geht Demokratie

Als ehrenamtlicher Wahlvorstand habe ich da so meine Erfahrungen mit der Öffentlichkeit. Man macht kurz nach 18:00 Uhr die Türe des Wahllokals auf, um die interessierte Bevölkerung hereinzubitten – aber es ist niemand da. Also bleibt man unter sich, zählt, prüft, rechnet und protokolliert, verpackt, meldet, liefert. Und dann ab nach Hause, wo die interessierte Bevölkerung schon vor den Fernsehern sitzt und der zur unterhaltsamen Sportberichterstattung gewandelten Wahlberichterstattung zusieht.

Es ist Teil des demokratischen Verfahrens, dass die Auszählung öffentlich ist und es täte diesem Verfahren gut, wenn sich mehr Menschen dafür interessieren würden, wie das Ergebnis tatsächlich zusammengetragen wird statt sich bunte Tortengrafik-Animationen und blasse Politikerstatements im Fernsehen anzusehen. Dabei Aber Politik und Demokratie interessiert uns eben fast nur noch medial und nicht physisch-unmittelbar.

Nun hat eine Partei ihre Anhänger dazu aufgerufen, die Auszählung in den Wahllokalen zu beobachten, den Wahlhelfern auf die Finger und über die Schultern zu sehen. Gute Idee, sollte man meinen, da könnten sich die anderen Parteien doch anschließen.

Beißreflexe, fehlende Gelassenheit

Aber es war die AfD, die am Donnerstag diesen Aufruf gestartet hatte, und AfD, das löst bei allen anderen Parteien nur Hass- und Beißreflexe aus. Unterstellt wird, dass die AfD den ehrenamtlichen Wahlhelfern nicht traut. Das mag ja auch richtig sein. Aber was auf diese Weise passiert, ist auch nicht besser: Die beobachtende Teilnahme der Bevölkerung an der Feststellung des Ergebnisses, die im Sinne der demokratischen Republik (res publika, die öffentliche Sache) zu wünschen wäre, wird denunziert als misstrauisches Bewachen und Nachspionieren.

Natürlich muss in der Demokratie auch immer kontrolliert werden. Diese Kontrolle soll eben vom Volk, von den Bürgern ausgeübt werden und nicht von den Behörden. Nicht das Wahlamt ist der Garant für demokratische Prozesse in der Gesellschaft, sondern die Teilnahme der Menschen. Dazu gehört, dass die Stimmauszählung nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch öffentlich – publik – ist.

Dass wir von einer solchen Öffentlichkeit weit entfernt sind, ist eine weit größere Gefahr für die Demokratie als das Herumgeschreie von Populisten. Wie sehr wir uns um die Demokratie sorgen müssen, zeigt genau dieser Fall: Diejenigen, die von allen Seiten als Freiheitsfeinde und Demokratiegegner gekennzeichnet werden, können Stimmung machen mit dem Aufruf zur Bürgerbeteiligung und demokratischer Teilhabe.

Gelassenheit wäre notwendig. Warum keifen die anderen Parteien von Grün bis Schwarz, sobald die AfD triviale Selbstverständlichkeiten fordert? Warum ist die politische Klasse nicht fähig, zu sagen: Klar sollen alle heute um 18:00 Uhr in die Wahllokale gehen, um zu schauen, wie ihre Stimmen zusammengezählt werden, um sich gleichzeitig über die politische Stimmung ganz nah im eigenen Wohngebiet zu informieren, und auch, um zu beobachten, ob alles mit rechten Dingen zugeht.

Gegen das Misstrauen hilft nur: Macht es doch!

Wir können doch sicher sein: Die Leute in den Wahllokalen machen ihre Sache gut, sie arbeiten Gewissenhaft und Unparteiisch. Geht hin, Leute, seht zu, wie das Wahlergebnis entsteht – das passiert nicht im Fernsehen sondern im Wahllokal. Diese Beobachtung wird euch zeigen, dass die AfD mit ihrem Misstrauen unrecht hat.

Lesen Sie auch die letzte Kolumne von Jörg Friedrich überangebliche Wutbürger im Konzert.

Jörg Phil Friedrich

Der Philosoph und IT-Unternehmer Jörg Phil Friedrich schreibt und spricht über die Möglichkeiten und Grenzen des digitalen Denkens. Friedrich ist Diplom-Meteorologe und Master of Arts in Philosophie.

More Posts

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert