Impfpflicht jetzt!
Der Bundesgerichtshof hat eine wichtige Entscheidung zur Frage der elterlichen Sorge bei einem Streit der Eltern über eine Schutzimpfung getroffen. Eine gute Entscheidung für ein Kind. Aber jetzt ist der Gesetzgeber am Zug, eine gute Entscheidung für alle Kinder zu treffen.
Die Mutter wollte das gemeinsame Kind nicht impfen lassen, der Vater schon. Er sah sich im Rahmen seiner elterlichen Gesundheitssorge verpflichtet, sein Kind grundsätzlich gegen Infektionskrankheiten impfen zu lassen, soweit Schutzimpfungen verfügbar sind und durch die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) empfohlen werden. Die Mutter sah das anders. Sie meinte, das Impfrisiko sei höher einzustufen, als das allgemeine Infektionsrisiko und hätte einer Schutzimpfung nur dann zugestimmt, wenn von ärztlicher Seite jedes Impfrisiko ausgeschlossen werden könne. Da nichts ohne jedes Risiko sein kann, verweigerte sie die Impfungen.
Wenn Eltern über bestimmte Fragen der elterlichen Sorge streiten, kann das Familiengericht entweder die gesamte elterliche Sorge, Teilbereiche oder auch einzelne Entscheidungen einem Elternteil übertragen.
§ 1628 Gerichtliche Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern
1Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. 2Die Übertragung kann mit Beschränkungen oder mit Auflagen verbunden werden.
Nachdem das Familiengericht bereits die Entscheidungsbefugnis für Impfungen komplett und ohne jede Einschränkung auf den Vater übertragen hatte, schränkte das Oberlandesgericht diese Entscheidung etwas ein und übertrug ihm nur die Entscheidungsbefugnis für bestimmte Schutzimpfungen (gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Pneumokokken, Rotaviren, Meningokokken C, Masern, Mumps und Röteln). Auch das war der Mutter noch zu viel und sie verfolgte ihr Ziel, die alleinige Befugnis über Impfungen zu erhalten – und diese damit zu verhindern – mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde weiter.
Die Mutter vertrat die unter Impfgegnern gerne kolportierte Idee, die STIKO-Empfehlungen seien
das interessengebundene Produkt unheilvoller Lobbyarbeit der Pharmaindustrie und der Ärzteschaft.
Nun ja, damit ist sie nicht alleine. Es wäre ja auch völlig in Ordnung, wenn Impfgegner und Verschwörungsfans nur sich alleine gefährden würden. Leider gefährden sie aber mit ihrer Impfweigerung das Leben und die Gesundheit nicht nur ihrer eigenen Kinder, sondern verhindern auch die Ausrottung z.B. der Masern und gefährden damit auch andere Menschen. Deutschland liegt, was die Durchimpfung der Bevölkerung angeht, ziemlich weit hinten in der Liste der westeuropäischen Länder.
Nicht aus Jux
Bei einer Entscheidung nach § 1628 BGB greift das Familiengericht in die elterliche Sorge der Eltern ein. Das darf es nicht so einfach aus Jux, sondern nur dann, wenn die Eltern sich bei Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können. Dass es sich bei der Frage der Schutzimpfung um eine solche von erheblicher Bedeutung handelt, haben die beteiligten Gerichte nun übereinstimmend festgestellt. Das ist wichtig, da es sich ansonsten um eine Frage der sogenannten Alltagssorge handeln würde, die von demjenigen alleine entschieden werden kann, bei dem das Kind lebt, in diesem Fall also von der impfunwilligen Mutter. Zur Alltagssorge gehören Entscheidungen, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Da Impfungen schon nicht besonders häufig vorkommen und eine entscheidende Auswirkung für die Entwicklung haben, fallen sie eben nicht darunter.
Kindeswohl
Maßstab für die Frage, wer von den Eltern die Entscheidungskompetenz für die Impfung übertragen bekommen soll, ist – wie immer in Fragen des Sorgerechts– das Kindeswohl. Der BGH führt dazu aus:
Das Oberlandesgericht ist insbesondere nicht von bestehenden Erfahrungssätzen abgewichen. Dass es bei seiner Entscheidung maßgeblich von den Impfempfehlungen der STIKO ausgegangen ist, ist nicht zu beanstanden.
Die Kommission ist beim Robert-Koch-Institut eingerichtet. Sie hat als sachverständiges Gremium gemäß §20 Abs. 2 Satz 3 IFSG die Aufgabe, Empfehlungen zur Durchführung von Schutzimpfungen und anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe übertragbarer Krankheiten zu geben und Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß – einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung zu entwickeln.
Zweck des Infektionsschutzes ist es, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern (vgl. §1 Abs.1 IFSG). Impfungen dienen demnach dem Wohl des Einzelnen im Hinblick auf eine mögliche Erkrankung und in Bezug auf die Gefahr einer Weiterverbreitung dem Gemeinwohl. Auch mit dem letztgenannten Aspekt haben sie einen Bezug zum Schutz des individuellen Kindeswohls, weil das Kind – wenn es etwa noch nicht im impffähigen Alter ist – von der Impfung anderer Menschen, insbesondere anderer Kinder, und der damit gesenkten Infektionsgefahr profitiert.“
Zu der von der Mutter gerügten nicht erfolgten Einholung eines Sachverständigengutachtens sagt der BGH:
Es konnte vielmehr aufgrund der als medizinischer Standard anerkannten Empfehlungen der STIKO davon ausgehen, dass der Nutzen der Impfungen deren Risiken überwiegt. Die entsprechende Feststellung beruht mithin bereits auf sachverständigen Erkenntnissen der hierfür eingesetzten Expertenkommission.
Es ist nicht zu vermuten, dass die Mutter sich von dieser Entscheidung überzeugen lässt. Impfgegner sind in der Regel nicht rational, sondern von merkwürdigen Dingen überzeugt. Im Internet wimmelt es von Fake-News über angebliche Impfschäden. Auch wenn all diese Wahnideen mittlerweile widerlegt sind, steigt die Zahl der Impfverweigerer, die sich auch noch zu den Hochinformierten zählen. Völlig wahnsinnige Eltern versuchen ihre Kinder mit Masernparties anzustecken, um so eine „natürliche“ Immunisierung durch Ansteckung von gesunden Kindern, herbeizuführen. Irre, man verweigert eine sehr risikoarme Schutzimpfung und infiziert das eigene Kind vorsätzlich mit brandgefährlichen Viren und freut sich geradezu, wenn die Kinder krank werden. Wenn es nach mir ginge, würde solchen Sorgeberechtigten die Gesundheitsfürsorge für ihre Kinder entzogen und auf das Jugendamt übertragen. Außerdem wäre ein Strafverfahren fällig. Andere bewusst mit Viren zu infizieren, ist eine Körperverletzung.
Kind im Glück
Das Kind im Falle der BGH-Entscheidung hat ja noch Glück gehabt, dass es neben der impfverweigernden Mutter noch einen Vater hatte, dem das Wohl seines Kindes am Herzen lag und der sich auch noch die Mühe gemacht hat, zu klagen. So und nur so kamen die Gerichte überhaupt in die Position, eine Entscheidung zu treffen.
Leider leben meistens zwei Impfgegner gemeinsam mit ihrem Kind zusammen oder es handelt sich um eine/n Alleinerziehende/n. Kein Streit, kein Prozess, keine Entscheidung, keine Impfung.
Nicht selten sind die Impfgegner auch noch grundsätzliche Gegner der abfällig „Schul“-medizin genannten wissenschaftlichen Medizin, die sie für eine Verschwörungsgemeinschaft gegen die Gesundheit zur Ausbeutung der Menschen im Interesse der Pharmalobby halten. Im Krankheitsfall informieren die auch nicht sofort den Arzt, sondern einen Zuckerkugelhändler. Wie gesagt, wenn sie nur mit ihrem eigenen Leben spielen wollen und nach Jahren erwachsen sind, sollen sie das gerne tun. Es ist der sicherste Weg, dass der Glaube an homöopathischen Blödsinn ausstirbt. Aber wenn es um die Kinder geht, dann hat der Staat eine Schutzfunktion, die er verdammt noch mal wahrnehmen muss.
Wird ein Kind vernachlässigt oder wird es geschlagen, dann greift selbstverständlich das Jugendamt ein. Bei einer Vernachlässigung der Gesundheit, wenn z.B. ein Kind die notwendige Behandlung einer Krankheit nicht erhält, kann den Eltern die Gesundheitssorge entzogen werden. Verwehren sie dem Kind aber die Schutzimpfungen, passiert zur Zeit gar nichts.
Impfpflicht jetzt
Und das ist ein Skandal. Unter Berufung auf das Elternrecht und die Freiheit der Person tut die Politik sich schwer mit einer Impfpflicht. Ich halte das für falsch. Selbstverständlich würde durch eine Impfpflicht in das Recht auf Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) und in das Elternrecht eingegriffen. Dies wäre aber durch eine Entscheidung des Gesetzgebers durchaus möglich. Denn die impfunwilligen gefährden ja nicht nur sich und ihre Kinder, sondern auch andere Menschen und greifen damit in deren Rechte auf körperliche Unversehrtheit ein. Die zu schützen ist aber ebenfalls Aufgabe des Gesetzgebers. Und wenn das Impfrisiko so gering ist, wie es die Statistiken ausweisen, dann sollte dieser Eingriff allemal gerechtfertigt sein. Ich möchte nicht aus Gründen der individuellen Freiheit wieder mit Krankheiten aus dem Mittelalter und den entsprechenden (Un)-heilmethoden leben müssen.
2017 sind die Masernerkrankungen sprunghaft angestiegen. Das neue Konzept von Gesundheitsminister Gröhe sieht nur vor, dass die Kitas die impfunwilligen Eltern zu einer entsprechenden Beratung durch den Kinderarzt nötigen. Das nützt vielleicht bei vergesslichen, aber garantiert nicht bei überzeugten Eltern. Wer das nicht macht, hat nichts zu befürchten. Ich bin der Meinung, dass schon der Besuch einer Kita oder eines Kindergartens vom Nachweis einer Impfung abhängig gemacht werden sollte.
Die Durchimpfung der deutschen Bevölkerung liegt nur noch bei aktuell 93%. Wenn nicht schnell etwas geschieht, wird die Zahl der ungeimpften Kinder und Erwachsenen in ein paar Jahren zu einem gewaltigen Problem.
Erst letzte Woche starb eine 37-jährige an den Masern. Bei ihr war die Zweitimpfung unterlassen worden. Es wird nicht die letzte Tote bleiben.
Wenn der Staat jetzt nicht effektiv – also mit einer Impfpflicht – handelt, macht er sich schuldig am Tod dieser Menschen.
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