Wir brauchen keine Zinsen

Alle jammern über die niedrigen Zinsen. Und nun soll es sogar Negativ-Zinsen geben. Dabei ist es gar nicht so absurd, dass es Geld kostet, Geld aufbewahren zu lassen.


Es gibt keine Zinsen mehr! Seit Jahren ist das Gejammer groß, und es nimmt zu, während die Zinsen abnehmen. Politiker schwingen sich zum Anwalt des „kleinen Sparers“ auf, der Geld für seine Altersvorsorge zurücklegen will, dafür aber keine Verzinsung mehr bekommt. Die Banken, ohnehin seit Jahren Lieblingsfeind von Politik und Medien, werden zum Hauptschuldigen für drohende Altersarmut erklärt.

Sicher haben die Banken weltweit und immer wieder im Laufe der Jahrzehnte große Fehler gemacht und Probleme in der Weltwirtschaft verursacht. Ob ihr Scheitern alle paar Jahrzehnte tatsächlich und auf lange Sicht zum Systemrisiko und zu Wohlstandsverlusten führt, muss man sicherlich im Einzelfall analysieren, und das Urteil kann unterschiedlich ausfallen.

Jedenfalls hat sich über die Jahrzehnte die Meinung ausgebreitet, dass das Geld, das man zur Bank schafft, sich irgendwie von selbst vermehren müsste. Vielleicht liegt genau darin das Problem. Denn der Versuch, Geld möglichst rasant zu mehr Geld zu machen, hat ja gerade zu den großen Finanz- und Bankenkrisen geführt.

Geldaufbewahrungs-Institute

Schaut man sich einmal genau an, warum wir unser Geld eigentlich „zur Bank schaffen“, dann sieht man, dass wir vor allem einen Grund haben: Es soll sicher aufbewahrt werden. Das gilt sowohl für den monatlichen Lohn als auch für das, was wir „für später sparen“ möchten. Niemand rennt gern mit viel Geld in der Tasche durch die Straßen. Ich muss nicht mal Angst vor Kriminellen und Räubern haben, es genügt, schon, meine eigene Schusseligkeit zu bedenken, um mir zu sagen, dass es nicht so toll ist, ständig eine Menge Bargeld mit mir herumzutragen. Besser, das Geld liegt bei der Bank, von meinem Arbeitgeber direkt dorthin überwiesen, und ich hole es mir da in kleinen überschaubaren Häppchen ab. Mit vielen, denen ich Geld schulde, komme ich sowieso nicht persönlich zusammen, denen überweise ich lieber etwas vom Konto, als dass ich ihnen Scheine und Münzen persönlich vorbeibringe.

Genauso ist es aber auch mit dem Geld, das ich für eine große Anschaffung oder gar für den Lebensabend anspare. Das will ich auch nicht in Koffern zu Hause haben, weder in großen oder kleinen Scheinen, noch als Goldmünzen oder Silberbarren. Die Kosten für eine sichere Aufbewahrung, der Schutz gegen Einbruch, Brand und Naturkatastrophen, die im Laufe der Jahrzehnte eintreten könnten, sind viel zu hoch.

Banken sind also Geldaufbewahrungs-Dienstleister. Sie sind auch Geld-Verteilungs-Dienstleister. In meinem Auftrag verteilen sie das Geld an die Leute, denen ich was schulde. Dabei entstehen Kosten, und die muss ich bezahlen.

Wenn wir sonst jemanden bitten, etwas Wertvolles für uns aufzubewahren, kämen wir nicht im Traum darauf, dafür von ihm Geld zu verlangen, eher wäre es selbstverständlich, dass wir ihm dafür Geld geben. Besonders dann, wenn wir erwarten, dass der Wert der Sache nicht fällt. Stellen Sie sich vor, Sie stellen wertvolle Möbel bei jemandem unter. Sie sagen: „Du kannst sie auch benutzen, und dafür will ich eine „Benutzungsgebühr“. Aber pass auf, dass sie nicht verschleißen, nicht kaputt gehen. Ich will die Sachen in wenigstens dem gleichen Zustand zurück, wie ich sie dir gegeben habe. Am besten, du machst sogar noch was, damit sie noch wertvoller werden.“

Klingt absurd, ist es auch. Aber wenn wir das Geld zur Bank schaffen, erwarten wir genau das.

Und die Inflation?

Aber brauchen wir nicht die Zinsen, damit wir die Inflation ausgleichen?

Umgekehrt gefragt: Entsteht nicht die Inflation auch deshalb, weil Geld immer mehr „wert sein soll“? Weil alle meinen, das Geld müsse sich von selbst vermehren? Für die gleiche Arbeit wollen alle im Laufe der Zeit immer mehr Geld, weil ja alles immer teurer wird, was wieder daran liegt, dass alle ja immer mehr Geld wollen. Die Zinsidee ist dabei eine treibende Kraft. Man merkt es daran, dass derzeit, wo es keine Zinsen gibt, auch kaum Inflation auftritt.

Sparen hat erst mal nichts mit Vermehren zu tun, und es wäre gut, wenn wir die Banken als bloße Finanzdienstleister betrachten, die wir beauftragen, Geld sicher aufzubewahren und zu verteilen. Dabei entstehen Kosten, und diese Kosten müssen wir bezahlen wie die von jedem anderen Dienstleister.

Und wer möchte, dass sich das Geld vermehrt, das er hat, der sollte es denen geben, die es investieren um Gewinne zu machen. In Zeiten von Online-Banking kann jeder Aktionär werden. Klar, da gibt es ein Risiko, und selbstverständlich, da muss man sich mit den Unternehmen beschäftigen, in die man investiert. Auch dafür gibt es wieder Dienstleister, denen man das überlassen kann – wenn man will. Auch die wollen Geld dafür.

Jörg Phil Friedrich

Der Philosoph und IT-Unternehmer Jörg Phil Friedrich schreibt und spricht über die Möglichkeiten und Grenzen des digitalen Denkens. Friedrich ist Diplom-Meteorologe und Master of Arts in Philosophie.

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