Schnitzeljagd
Bundesagrarminister Schmidt will „Fleischbezeichnungen“ für vegetarische und vegane Produkte wegen angeblicher Verwechslungsgefahr verbieten. Eine tierische Comedy zum Jahresende.
Falls Sie es noch nicht wussten, Christian Schmidt ist der deutsche Bundesagrarminister. Früher hießen die noch Landwirtschaftsminister, kamen aus der Landwirtschaft und sahen auch so aus. Okay, das Ministerium heißt immer noch Bundesministerum für Ernährung und Landwirtschaft, abgekürzt BMEL. Christian Schmidt ist kein Landwirt, sondern Jurist, was ihn grundsätzlich zum Schlimmsten befähigt. Dass er dennoch in der öffentlichen Wahrnehmung der Ministerriege bisher nahezu unsichtbar ist, ist schwer zu erklären. Offenbar will er das jetzt ändern.
Nun möchte der Minister unter anderem sogenannte Fleischbezeichnungen für vegetarische und vegane Lebensmittel verbieten. Begriffe wie „vegetarisches Schnitzel“ oder „vegane Currywurst“ seien „komplett irreführend und verunsichern die Verbraucher“ verriet er der BILD-Zeitung.
Das klingt nach knallhartem Verbraucherschutz, nach der vollen Härte des Gesetzes zum Schutz des ungebildeten Verbraucherpöbels, der zu doof ist, eine echte Sau von einem Sojaschwein zu unterscheiden. Nun fällt der Verbraucherschutz zwar nicht unmittelbar in das Ressort des Ministers, da macht der Maas schon sein Ding, aber manchmal muss ein Mann einfach tun, was ein Mann tun muss. Und hier geht es jetzt um die Wurst. Da versteht der Minister keinen Spaß.
Mein Schwein pfeift
Sie kennen doch alle das drängende Problem, das dringend einer gesetzlichen Regelung bedarf. Da stehen Sie vor dem Regal für vegane und vegetarische Produkte und sehen Begriffe wie Sojaburger, Grünkernklops, Tofusteak, Sellerieschnitzel oder vegane Vleischwurst. (Hör auf, Rechtschreibkorrektur, die schreibt sich mit V – wie vegan halt.) Als ungebildeter Volltrottel denken Sie selbstverständlich, Soja, Grünkern, Tofu und Sellerie seien ihnen unbekannte Tiere, die auf den Weiden des fernen Vegantals friedlich vor sich hin grasen. Wie oft standen hilflose Menschen vor dem Regal und fragten laut:
Schwein oder nicht Schwein, das ist hier die Frage.
Und dann kaufen Sie diese teuflischen Nichttier-Produkte und wundern sich, dass die nicht einmal Antibiotika und Wachstumshormone enthalten. Skandalös. Riesensauerei. Dieser unglaublichen Verbrauchertäuschung muss dringend ein Kinder-Riegel vorgeschoben werden. Wenn Kinder das unbedacht essen, könnten die ja in ihrer kulinarischen Prägung vorzeitig zum Veganer werden oder gar rotebeete-grünkern-versifft. Dagegen sollte es „Fleischdemos für Alle“ geben, die natürlich ausschließlich von strenggläubigen Schweinefleischer organisiert werden. Gott bewahre uns vor den Veganern. Kennt man doch, diese Müslis. Politisch völlig unberechenbar.
Wo kämen wir denn hin, wenn Fleischtomaten gar kein Fleisch enthielten, niemand in den Grünkohl mit Pinkel uriniert hätte, Nonnenfürzchen keine aromatischen Winde von Ordensschwestern enthielten oder im Orangensaft mit Fruchtfleisch gar kein Schweinehack wäre? Überhaupt, diese Kinderriegel enthalten doch sicherlich Bestandteile von Kindern. Soll auch ein „halver Hahn“ nicht mehr so heißen dürfen, nur weil der aus Röggelchen und Gouda und nicht aus Hähnen besteht? Bestellen Sie in Köln einmal ein Käsebrötchen, da können Sie auch gleich ein Alt bestellen und selbst das ist nicht alt. Ich glaub mein Schwein pfeift.
Offenbar glaubt der Minister aus unerfindlichen Gründen – vielleicht kommt das von einem Übermaß an Schweinefleischverzehr? – , die Begriffe Wurst, Schnitzel oder Frikadelle seien zwingende Synonyme für Fleisch. Da sollte er mal den Metzger seines Vertrauens fragen, was die Industrie alles für Tricks drauf hat. Hat jemals jemand eine Erbswurst für Fleisch gehalten? Kauft jemand eine Teewurst, weil er darin Tee erwartet oder eine Schmierwurst, weil ihm nach Schmiere gelüstet?
Arme Sau
Ich bin durchaus für eine vollständige Angabe der Inhaltsstoffe jedes Produktes. Gerade auch bei Fleisch. Da möchte ich sehr gerne auch wissen, ob die arme Sau auf engstem Raum in der eigenen Scheiße gestanden hat oder doch ein glückliches Leben mit großem Auslauf und Suhlgelegenheit hatte. Ich wüsste gerne, ob das Brathähnchen überhaupt ein Hähnchen und kein Hühnchen ist und ob es sich frei bewegen konnte oder ob es auf einer DIN A4 Blatt großen Fläche gemästet wurde ohne jemals die Sonne zu sehen. Ich möchte wissen, ob die Pute noch vollständig geschlachtet wurde oder ob ihr schon ein paar eitrige Teile vom Körper gefault waren, bevor sie verwertet wurde. Aber das hat doch nichts mit dem Namen des Produkts zu tun. Erwarten Sie etwa Fleisch in Schweineöhrchen, Caniden im kalten Hund oder Teile eines Kosaken im Kosakenzipfel? Sind Sie zur Bettwurst ins Kino gegangen, weil Sie da etwas zu essen erwarteten? Falls ja, fragen Sie beim nächsten Amtsgericht nach der Einrichtung einer Betreuung.
Ich möchte auch sehr gerne eine Ampelkennzeichnung von Lebensmitteln, so dass ich, wenn ich in Eile einkaufen muss, gleich sehe, ob ich eine Kalorienbombe oder ein eher kalorien-, zucker- und fettarmes Produkt vor mir habe.
Ampelverbieter
Wissen Sie, was der Veggieschnitzelnamensverbieter in spe Schmidt in diesem Jahr mit der Ampelkennzeichnung gemacht hat? Er hat sie verhindert. Transparenz und Information seien kein Selbstzweck. Ein Zuviel an Information überfordere die Konsumenten.
Wie der Bundesinnenminister glaubt er wohl, Teile der Information würden die Bevölkerung verunsichern. Damit steht er in der Tradition Otto von Bismarcks, der meinte:
Je weniger die Leute wissen, wie Würste und Gesetze gemacht werden,
desto besser schlafen sie!
Also ehrlich gesagt fände ich es ganz nett, wenn der Anteil von Arzneimitteln in Nahrungsmitteln, insbesondere im Fleisch ausgewiesen werden müsste. Bei der nächsten Angina täten es dann vielleicht ein paar Hühnerbrüste statt teurer Medikamente. A chicken a day keeps the doctor away.
Auf der Seite seines Ministeriums heißt es:
Ja, schön. Aber wie passt das zu „Transparenz und Information sind kein Selbstzweck“? Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.So genau muss der Verbraucher auch nicht alles wissen, oder was?
Tatsächlich geht es dem Minister wohl auch weniger um umfassende Information bezüglich der veganen und vegetarischen Produkte, die immer recht ausführlich sind, als um die Gewinne der darbenden Schweineproduzenten. Vermutlich singt er jeden morgen vor dem Spiegel
Mein idealer Lebenszweck ist Borstenvieh und Schweinespeck
bevor er sich das erste Wurstbrot schmiert.
Schweinerei
Von Schweinebauern mag man ja heute angesichts der tierverachtenden Massenproduktionsfabriken schon gar nicht mehr sprechen. Wer bei manchem Schweinefleisch an Made denkt, weil Made in Germany draufsteht, könnt versehentlich richtig liegen. Bauern sind für mich die Menschen, die ihre Tiere noch persönlich kennen und an deren Wohl interessiert sind. Durchaus gewinnorientierte Landwirte, aber mit einem Herz für ihre Tiere. Die gibt es.
Hintergrund der plötzlichen ministeriellen Aktivität ist offenkundig die Tatsache, dass die Fleischproduktion insbesondere von Schweinefleisch bereits erkennbar zurückgeht. Eigentlich eine aus gesundheitlichen und Umweltschutzgründen gute Nachricht. Für Schmidt eher nicht, weil er jetzt auch wieder mehr Schweinefleisch in Kitas und Schulkantinen fordert. Nicht aus gesundheitlichen, sondern aus kulturellen Gründen. Deutsch essen bedeutet Schwein essen.
Glaubt Schmidt wirklich, die Verbraucher würden die veganen Produkte nur deshalb kaufen, weil sie sich getäuscht von Begriffen wie Schnitzel oder Wurst für Fleisch von toten Tieren hielten. Kommt dem nicht in den Sinn, dass eine zunehmende Zahl der Verbraucher sich ganz bewusst gegen den Konsum von Fleisch entscheidet, weil die Massentierhaltung der industriellen Schweinepriester sie anekelt oder weil ihr Arzt ihnen dazu geraten hat, weniger Fleisch zu essen. Ich esse gerne Fleisch, aber ich gönne mir ab und an auch mal bewusst ein vegetarisches Fleischersatzprodukt. Wie das dann heißt, ist mir dabei völlig wurscht, solange die Inhaltsstoffe auf der Verpackung stehen.
Es spräche auch nichts dagegen, wenn umgekehrt auf der Fertigfrikadelle der Hinweis stünde „Fleischfrikadelle. Kann Spuren von minderwertigem Fleisch aus Massentierhaltung und Medikamenten enthalten“. Aber auf eine solche Kennzeichnung können wir wohl warten, bis wir geplatzt sind. Wäre schlecht fürs Geschäft.
Vegan ist vegan ist vegan
Herr Schmidt soll die Verbraucher nicht für dümmer halten als sie sind. Die durchschauen das Theater schon. Das von ihm angekündigte Verbot eine vegane Currywurst vegane Currywurst zu nennen, ist grober Unfug. Würde die einfach nur Currywurst heißen, dann könnte man sich ja noch getäuscht fühlen. Aber der Begriff „vegan“ macht doch mehr als deutlich, dass in diesem Produkt keine tierischen Inhaltsstoffe und damit auch kein Fleisch enthalten ist. Da ist gar keine andere Interpretation oder Verwechslungsgefahr möglich. Vegan ist vegan ist vegan.
Mit seinem Vorschlag hat der Minister sich tierisch lächerlich gemacht. Aber immerhin kenne ich jetzt seinen Namen. Dass er, wie auch sein Kollege Dobrindt – steckt da eigentlich Rind drin? – aus der Partei für chronisch skurrilen Unfug kommt, muss man wohl nicht extra erwähnen. Des einen Maut, des anderen Veggiebashing. Auch da gibt es kaum Verwechslungsgefahr, obwohl ein Herr G. aus einer anderen Partei sich nun um das Wohl des Zigeunerschnitzels sorgt.
Für 2017 wünsche ich uns jedenfalls allen viel Schwein.
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