Aiman az-Zawahiri – War or terror
Die USA verkündeten stolz die Tötung von Aiman az-Zawahiri. Rechtlich bestehen bei solchen Aktionen erhebliche Zweifel. Eine Kolumne von Heinrich Schmitz
Aiman az-Zawahiri war mal eine große Nummer im internationalen Terrorismus. Das ist schon einige Zeit her, aber er stand immer noch auf der Liste der meistgesuchten Terroristen. Wenn man da irgendwann mal draufsteht, dann kommt man da offenbar nur wieder runter, indem man draufgeht. Die USA hatten ein Kopfgeld von 25 Millionen Dollar ausgelobt. In den letzten Jahren wurde er womöglich altersbedingt ruhiger, seine al-Quaida-Organisation ebenfalls. Und dennoch töteten die USA ihn mit einem Drohnenangriff auf seinem Balkon in Afghanistan.
Gerechtigkeit?
Der amerikanische Präsident feierte und meinte, der Gerechtigkeit sei Genüge getan. Ich habe da so meine Zweifel, dass derartige Aktionen irgendetwas mit Gerechtigkeit zu tun haben und zwar ganz gleich, wer sie durchführt und wen sie betreffen. Es sind Hinrichtungen ohne rechtsstaatliches Verfahren, ohne die Möglichkeit sich zu verteidigen. Solche staatlichen Tötungen verstoßen so ziemlich gegen alles, was einen Rechtsstaat ausmacht. Es sind Morde, auch wenn die Opfer ihrerseits Mörder gewesen sein mögen.
Nun sieht man das in Amerika selbstverständlich anders. Auch nach amerikanischen Vorstellungen steht zwar grundsätzlich vor der Vollstreckung einer Todesstrafe ein rechtsstaatliches Strafverfahren, aber durch einen rechtlichen – oder besser unrechtlichen – Zaubertrick, öffnet man solchen Morden ein Fenster, das sie von einer Strafbarkeit befreit. Das Zauberwort lautet „War on terror“.
War on terror
Dieser „War on terror“ wurde nach den Anschlägen am 11. September 2001 vom damaligen Präsidenten George W. Bush erklärt. Unter diesem Schlagwort, das auch schon von Ronald Reagan benutzt wurde, wurden diverse politische, militärische und juristische Schritte gegen den internationalen Terrorismus zusammengefasst. Laut einer Studie des IPPNW sind im „Krieg gegen den Terror“ bisher weit über eine Million Menschen getötet worden. Dass das alles schuldige Terroristen waren, kann man ausschließen. Seit der Obama Regierung wurde der Begriff zwar nicht mehr von der amerikanischen Regierung verwendet; dass sich aber dadurch etwas an dem Verhalten geändert hätte, ist nicht erkennbar.
Auswüchse dieses „War on terror“ waren und sind grauenhafte Monstrositäten wie das Gefangenenlager in Guantanamo oder der Abu-Ghuraib-Folterskandal. Das sieht auch der amerikanische Supreme Court so, der entschied, dass ein Kriegszustand kein Blankoscheck für den Präsidenten ist. Hilft aber nichts. Kümmert offenbar bisher keinen Präsidenten.
Westliche Werte?
Nun spricht ja nichts dagegen, wenn die internationale Staatengemeinschaft den internationalen Terrorismus bekämpft. Und deshalb erhielten die USA auch jede Menge Unterstützung aus dem Ausland. Es ist allerdings schwer zu verkaufen, wenn man sich zur Erhaltung der sogenannten westlichen Werte, nun Methoden bedient, die diesen Werten diametral entgegenstehen und die denen der Terroristen recht ähnlich sind.
Man mag ja der Meinung sein, dass da wo gehobelt wird, auch Späne fallen; dass aber beim Hobeln gleich die eigenen Vorstellungen von Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung weggehobelt werden, darf nicht passieren.
Es ist eben ein gewaltiger Unterschied, ob ein Land sich – wie jetzt die Ukraine – gegen ein anderes Land verteidigt, von dem es angegriffen wurde und mit dem es sich in einem klassischen Krieg befindet, oder ob man einen anonymen Feind namens Terror bekämpft und dabei alle eigenen Grundsätze in die Tonne kloppt.
Ich weine weder Osama Bin Laden noch Aiman Mohammed Rabi az-Zawahir auch nur eine Träne nach, halte es gleichwohl nicht für richtig, wenn man Menschen einfach so umbringt.
Mord
Die heimtückische Tötung eines Menschen – und was soll es anders als heimtückisch sein, wenn man einen alten Mann mit einer Drohne von seinem Balkon ballert – während man selbst entspannt in irgendeinem Kontrollzentrum sitzt – ist Mord. Dieser Mord ist auch nicht etwa durch Notwehr gerechtfertigt, denn dass az-Zawahir just in diesem Augenblick von seinem Balkon aus irgendjemanden angegriffen hätte, ist eher unwahrscheinlich.
Man darf im Krieg auch mit Drohnen töten. Das setzt aber voraus, dass es sich bei dem Getöteten um einen Kämpfer handelt und das Ganze in einem aktuellen bewaffneten Konflikt stattfindet. Jaja, die Taliban haben offenbar gelogen, als sie versicherten, sie würden al-Quaida-Terroristen keinen Unterschlupf gewähren. Aber dass nun al-Quaida in Afghanistan aktuell kämpfen würde, kann man auch nicht feststellen.
Und einmal ganz davon abgesehen, dass ich diese Mordanschläge auf echte oder vermeintliche Terroristen rechtlich nicht gutheißen kann, was haben die denn unterm Strich gebracht, wenn man es mal rein pragmatisch betrachten will und Menschenrechte kurz als intellektuelles Gedöns abtut? Die Zahl der Selbstmordattentate ist schon mal nicht weniger geworden. Die Zahl der Dschihadisten hat sich vervielfacht und mit jedem toten Terrorverdächtigen – ob derjenige wirklich ein Terrorist war, weiß man ja nie so sicher – schreien Tausende nach Vergeltung und, weil die den Tod nicht fürchten werden es eher mehr statt weniger.
Herr über Leben und Tod
Mit welchem Recht verkündet der amerikanische Präsident eigentlich, er habe die Tötung „autorisiert“? Ist er der Herr über Leben und Tod?
Der Jurist und Justizkorrespondent Dr. Christian Rath hat in einem Kommentar bei lto zu Recht darauf hingewiesen, dass die US-Airbase in Ramstein (Rheinland-Pfalz) als Verbindungsstation für die Drohnensteuerung vermutlich auch in diesem Fall in die Drohnenattacke involviert war. Ob die Bundesregierung eine Schutzpflicht für die potenziellen Opfer rechtswidriger US-Drohnen-Einsätze hat, ist umstritten und wird wohl bald vom Bundesverfassungsgericht entschieden werden. Ich teile allerdings die Einschätzung, dass das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die Außenpolitik wohl eher die Füße still halten wird. Auf die Begründung bin ich trotzdem gespannt.
Terroristen sind des einen Verbrecher und des anderen Freiheitskämpfer. Immer wenn sie unbeteiligte Zivilisten in die Luft jagen, sind sie für mich, ganz gleich welche heroischen Motive sie haben mögen, Verbrecher. Und Verbrecher gehören verfolgt und bestraft. Aber sie gehören, sofern es nicht in Notwehr geschieht, nicht abgeknallt wie ein räudiger Hund, sondern festgenommen und vor ein Gericht gestellt.
Auch wenn das von interessierter Seite gerne als Siegerjustiz dargestellt wird, waren doch die Nürnberger Prozesse ein gutes Beispiel dafür, wie man mit Massenmördern und Kriegsverbrechern umgehen kann, indem man ihre individuelle Schuld feststellt und ihnen das Recht auf einen Verteidiger garantiert. Dort wurde auch eine ganze Reihe von Angeklagten freigesprochen.
Ähnlich lief es im Eichmann-Prozess. Zwar wurde der Angeklagte zunächst entführt, dann wurde ihm aber ein ordentliches Gerichtsverfahren gemacht.
Bumm
Beim „War on terror“ gibt es in der Regel nicht ein mal Anklagen, geschweige denn Gerichtsverfahren oder die Möglichkeit einer Verteidigung. Eines schönen oder für den Betroffenen weniger schönen Tages kommt von weither eine Drohne daher und zerfetzt einen. Bumm. Das war’s.
Wie will man denn den Ländern in denen man derartige Morde begeht, erklären, dass das westliche System ein Wertesystem ist, dass es eine Menschenrechtserklärung gibt? Wie können wir uns glaubwürdig darüber empören, wenn mutmaßlich der saudische Kronprinz den Journalisten Jamal Khashoggi in der Istanbuler Botschaft zerstückeln oder mutmaßlich der russische Geheimdienst einen ebenso mutmaßlichen Terroristen in Berlin ermorden lässt? Nein, wenn der Westen glaubwürdig sein will, dann muss er seine rechtsstaatlichen Grundsätze auch dann einhalten, wenn es gegen Terroristen geht. Wie wollen wir denn auch nur halbwegs glaubwürdig verkaufen, dass es uns tatsächlich um unsere Werte geht, wenn die USA ohne Rücksicht auf Verluste überall auf der Welt tun und lassen, was sie wollen und auf jedes Recht scheißen und auch noch stolz darauf sind? Es gibt eben nicht die universale Lizenz zum Töten, die wir bei James Bond ganz unterhaltsam finden. Und das ist auch gut so.