Der irrlichternde Träumer – Eine Kolumne zu Cat Stevens 70. Geburtstag

Zu Cat Stevens 70. Geburtstag eine kritische Würdigung von Ulf Kubanke in seiner Hörmal-Kolumne


Photo: Pressefoto by Universal Music

Ob jung oder alt: So gut wie jeder kennt mindestens einen Song von Cat Stevens. Innerhalb weniger Jahre nahm er eine Handvoll Alben auf, deren Evergreens sich von den Sixties bis in alle Ewigkeit ins kolletkive Musikgedächtnis einbrannten. Danach folgte manch ein Irrweg und schließlich die Rückkehr zur Musik. In diesen Tagen feiert der Mann, der sich heute Yusuf nennt und einst Cat Stevens war, seinen 70. Geburtstag.

60er

Diese sieben Jahrzehnte unterteilen sich im Wesentlichen in drei Phasen. Da ist ab 1966 zunächst der sensible, sensitive, fast überempfindliche junge Mann, dessen Lieder ab 1966 vor lauter Gefühl und Mitgefühl über zu quillen drohen. Stevens Stücke sind ein Füllhorn nimmer enden wollender Empathie und Zärtlichkeit in teils ausgelassener, teils melancholischer Schale. Mit maximaler Authentizität und ohne jeden Hang zu Sentimentalität oder Kitsch kehrt er sein Innerstes nach außen. Mancher Satz ist dezent autobiografisch, anderes gleichnishaftes Storytelling, dessen Kern mitunter auf reale Personen seines Umfelds abhebt. Allein schon für Nummern wie „Sad Lisa“ oder „I Love My Dog“ erwartet man, im Lexikon unter dem Begriff „herzerwärmend“ ein Foto mit Cat Stenes Konterfei zu finden.

Auch das Talent ist auf seiner Seite. Poetische Zeilen und erzählte Geschichten liegen ihm ebenso sehr im Blut, wie herausragendes Songwriting. Letzterem verdanken Welthits wie „Wild World“ oder „The First Cut Is The Deepest“ ihren Siegeszug rund um den Planeten. Stevens Vorrat an Melodien scheint in dieser Phase schier unerschöpflich. Ob man die Texte versteht, bleibt dabei letzten Endes zweitrangig. Sie funktionieren ebenso als reines Klangerlebnis. Den Löwenanteil – ungefähr 40 Stück – seiner besten Lieder schrieb der Londoner 1969 während seiner 12 monatigen Rekonvaleszenz nach einer lebensbedrohenden Tuberkuloseinfektion.

Ein Höhepunkt dieser Schreibwut ist das zartbittere „Lady D’Arbanville“, eine Art Kammerfolk im angedeuteten Madrigal-Stil. Stevens Ausdruck gerät sogar noch gefühlvoller als sonst. Die Worte weisen eine ebenso clevere wie melancholische Doppelbödigkeit auf. Einerseits spiegelt der Song das in Liebeskummer getränkte Ende seiner Beziehung zur damaligen Freundin Patti D’Arbanville. Andererseits erzählt es als Requiem die Geschichte eines Mannes, der vor dem Sarg seiner toten Frau trauert. Kalt lässt dieses Lied niemanden. „My Lady D’Arbanville, why do you sleep so still?“

 

Auch als Interpret hat Stevens einiges drauf. Dank Rick Wakemans grandiosem Pianointro lässt sein „Morning Has Broken“ jedermann vergessen, dass dieses christliche Kirchenlied von 1931 nicht aus seiner Feder floss.

Der Bruch

Ein großer biografischer Bruch setzt mit seinem Übertritt zum Islam ein. Spiritualität zieht sich ohnehin in vielen Formen durch sein Leben. Der griechische Vater war orthodox, die schwedische Mutter Baptistin. Er selbst besuchte eine katholische Schule. Nach seiner Erkrankung zeigte er Interesse für fernöstliche Richtungen wie Buddhismus oder Hinduismus. Doch erst als muslimischer Konvertit fand er innere Harmonie. Als Yusuf Islam wandte er sich von der Musikindustrie ab und machte bei den wenigen öffentlichen Auftritten eine eher unglückliche Figur. Im Gegensatz zu anderen berühmten Konvertiten, wie etwa der Sufi Peter Murphy (Bauhaus), baute Yusuf zunächst keine Brücken, sondern vermittelte den Eindruck, großer Sympathie für autoritär-fundamentalistische Strömungen. Spätestens sein fragwürdiges Verhalten nach der Fatwa gegen Salman Rushdie machte ihn für etliche Jahre zur Persona Non Grata.

Doch der gebürtige Steven Demetre Georgieu häutet sich ein weiteres Mal. Nach fast 30 Jahren Abstinenz greift er ab 2006 wieder zur Gitarre und veröffentlicht Alben. Die neuen Lieder klingen melodisch nicht mehr ganz so zwingend, im Ausdruck nicht mehr ganz so fasziniertend wie früher. Doch der Popveteran scheint hörbar mit sich im Reinen. Endlich hat er seine Mitte gefunden, die den frommen Yusuf mit dem suchenden Cat versöhnt und vereint. Auch für die Menschheit, das weiß er nun, ist es allemal besser, zusammen zu halten. Denn „oh, Baby, it’s a wild world.“
 

Ulf Kubanke

Ehemaliger Anwalt; nun Publizist, Gesprächspartner und Biograph; u.a. für Deutschlands größtes Online-Musikmagazin laut.de.

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