Vom Glück
Glück! Alle Welt sehnt sich danach. Doch was ist das eigentlich? Es gibt jede Menge Medien im Thema, Blogs, Bücher, Podcasts und sogar Menschen und ganze Institute, die sich mit der Glücksforschung befassen. Das kleine Himalajakönigreich Bhutan will sich nicht mit einem Bruttosozialprodukt fassen lassen, sondern bemißt sich lieber in Bruttonationalglück. Fast jeder hat einen eigenen Blick darauf. Bruno Schulz leuchtet den Begriff „Glück“ heute etwas näher aus und findet schließlich eine ganz private Perspektive.
„Man weiß selten was Glück ist, aber man weiß meistens, was Glück war.“
Françoise Sagan
果報は寝て待て
“Kahō wa nete mate“ ist ein japanisches Sprichwort. Ein guter Freund hatte mich mal darauf aufmerksam gemacht. “Kahō wa nete mate“: auf jeden Fall hat das etwas mit Glück zu tun. Allerdings sind Übersetzungen aus dem Japanischen selten einfach.
Zu “Kahō wa nete mate“ werden uns gleich zwei Versuche geliefert zu greifen, was doch unfassbar bleibt: “das Glück kommt über Nacht“ beziehungsweise “erwarte das Glück schlafend“. Klingt grundsätzlich gleich? Da bin ich mir nicht so sicher.
Glück kommt von „Gelücke“
Was ist “Glück“? Das Wort selbst stammt aus dem mittelhochdeutschen “Gelücke“. So hat man im Hochmittelalter gesprochen, also in etwa zwischen 1050 und 1350 vor beinahe tausend Jahren. “Gelücke“ stand für die Art, wie Dinge endeten: “wie etwas gut ausgeht“. Bei “Glück“ handelte es sich also um den günstigen Ausgang eines Ereignisses. In der Definition musste der “Beglückte“ weder Talent haben, noch irgendetwas zum Ergebnis beitragen. Das Volk sah das verständlicherweise, in seiner Not ewig hoffnungsschwanger, ein bisschen anders und lud einen Teil der Verantwortung auf jeden Einzelnen. Der Volksmund verkündete demnach besserwissend zur Erlangung von Lebensglück die folgende Weisheit: „Jeder ist seines Glückes Schmied!“ Glücklichsein war und ist demzufolge ein Mix aus äußeren Umständen und der individuellen Einstellungen dazu.
Lotto, Porsche, Prada
Beantwortet das die Frage, was „Glück“ wirklich ist? Ich finde nicht. Ein ganz wesentlicher Aspekt ist doch, dass man „Glück“ auch erkennen wollen sollte. Materielles hat mit Glück so viel oder so wenig zu schaffen wie eine Kuh mit der bemannten Raumfahrt. Eher im Gegenteil. In materiellen Visionen geht es doch eher um Gier. Machen der Lottogewinn und das Zuffenhausener Raserblech wirklich glücklich, oder das Pradatäschchen? Und wenn ja, wieviele Taschen müssen es denn genau sein? Gier funktioniert auf jedem Preisniveau und für jede Brieftasche. Die freie Marktwirtschaft basiert auf dem Prinzip. Skalierungsfrei und auf einer nach oben offenen Spirale mit enormer Sogwirkung. Wachstum stur. Für mich sind die Konsumikonen die Startnummern zu einem Wettrennen, das nie aufhören wird solange man das nicht selbst erkennen kann und will. Früher oder später wird jeder herausfinden, dass es immer jemanden geben wird, der noch einen draufsetzt. Gier und Neid sind ziemlich hässliche Schwestern. Und die Mißgunst.
Natürlich will ich nicht leugnen, dass eine Fahrt in einem Porsche Cabriolet glücklich machen kann. Aber ist es wirklich der Porsche selbst, der da glücklich macht? Sind es nicht vielleicht die sommerlichen Cirruswolken über uns, der Mensch neben uns, die Landschaft um uns herum? Die Musik? Alles zusammen verbunden zu einem Gefühl in unserem Kopf, das sich so schwer fassen lässt?
Chemie
Naturwissenschaftlich sieht das ganze in etwa so aus: Endorphine, Oxytocin sowie die Neurotransmitter Dopamin und Serotonin haben einen ganz wesentlichen Einfluss auf unser Glücksempfinden. Das ist der geile Stoff, den unser Gehirn bei den unterschiedlichsten Aktivitäten freisetzt, um uns bei der Stange zu halten. Essen gehört dazu, Sex, Sport, dies und das. Chemie hat eine starke Wirkung auf unsere Gemütslage und beeinflusst stramm unser Verhalten. Es fällt uns nicht gerade leicht, das zu akzeptieren. Wir halten uns nämlich für geistige Wesen voller Wünsche, eigene Gedanken und vor allem voller Hoffnung. Und die stirbt bekanntlich ganz am Schluß.
Wer verzückt der Liebsten ins Auge blickt, dem fällt es schwer zu glauben, dass das was da ausgelöst wird nichts anderes ist, als ein irrer Drogencocktail, der mit der Hochdruckpumpe durchs System gejagt wird. Ganz so einfach ist es ja auch nicht, weil die Stoffe nie alleine auftreten und es immer auf das Zusammenspiel in der entscheidenden Situation ankommt.
Neurotransmitter spielen eine wesentliche Rolle in unserem Gefühlshaushalt. Allerdings ist das Wirkungsgefüge reichlich komplex. Einige Medikamente bzw. Drogen bedienen sich dieser Mechanik. Sie lösen eine Ausschüttung der Stoffe im Gehirn in unnatürlichen Mengen aus. Der Konsument wird in der Wirkungszeit mit den endogenen Botenstoffen geflutet. Das kann zwischenzeitlich Glücksmomente epischer Breite auslösen. Aber auch einen großen Katzenjammer. Meistens kommt das eine nicht ohne das andere. Das nervt natürlich ganz gewaltig.
Ist das alles?
Alles ist ein großer Sack an Puzzleteilen, die allenfalls mit Hilfe einer groben Nagelschere zu einem mehr oder weniger abstrakten Gesamtbild “Glück“ zusammengefügt werden können. Mir persönlich ist das ein bisschen zu kurz gesprungen. Denn es hat bis hier im wesentlichen mit Dingen zu tun, die von außen auf uns einwirken, um sich dann in Gedanken und vor allem in Gefühlen aufzulösen. Mir fehlt der Blick nach innen.
Ein privates Fazit
Meine subjektive Vorstellung von Glück hat inzwischen vor allem etwas mit Haltung zu tun. Ich mag mein Brunoglücksgefühl. Und das fußt auf einer Erfahrung, die ich mit einem Zitat von Buddha himself schmücken mag: “… es gibt keinen Weg zum Glück. Glücklichsein ist der Weg!“
Kommen wir zurück zur Übersetzung des einführenden, japanischen Sinnspruchs. Für mich ist es so, dass man Glück erwarten muss. Seismographisch. Glück kommt nicht von allein und über Nacht. Man muss das Glück wollen und lieben. Man darf es erwarten.
Also? “Kahō wa nete mate“ bedeutet mir “erwarte das Glück schlafend“ … so wird für mich ein Schuh daraus.
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