Wodka pur

Wodka pur.
Illustrierte Geschichten aus dem Leben eines Trinkers.
Heute: Am Stadtrand, oder was ich letzten Dienstagabend im Haus meiner neuen Bekannten aus der AA-Gruppe erlebte.
Zeichnungen: Gabriele Prade



Illustration: Gabriele Prade
Text: Henning Hirsch
Basierend auf der Story: Am Stadtrand (in: Halbes Kilo Hackfleisch,
85 Gedichte, von: Henning Hirsch, 2016)
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| Am Stadtrand
Ich kannte Manu aus der Therapiegruppe die jeden Donnerstag
im Westflügel der Klinik stattfand eine zierliche Person
mit lebhaften Augen die jeden Satz
mit einem Lachen beendete obwohl ich damals
nicht so super drauf war denn ich verbrachte
meine 15te oder 20ste Entgiftung in dem Laden
ließ ich mich gerne
von ihrer guten Laune anstecken sie sei seit sechs Monaten Abstinenzlerin
das Nicht-Trinken eröffne ihr völlig neue Perspektiven
und ein positives Lebensgefühl erzählte sie
Rolf und ich gähnten denn diese Stories
hatten wir schon tausend Mal

gehört
ich fragte Manu nach ihrer Telefonnummer
und als ich nach drei Wochen endlich rauskam
rief ich sie an
bring Soave und Bier mit sagte sie
vorsichtshalber packte ich am Bahnhofskiosk zusätzlich eine Flasche Wodka ein
Manu wohnte weit draußen in einem Stadtteil
den ich bisher nicht kannte Reihenhaus an Reihenhaus
10qm-Vorgarten neben 10qm-Vorgarten Jägerzäune, Kiesbeete, Kirschlorbeer Hecken akkurat gestutzt
ich wollte schon umkehren als Manu vom Balkon rief da bist du ja endlich komm hoch
ich verdurste, empfing sie mich steckte ihre Zunge in meinen Mund zog mich in ihre Wohnung rein
schenk mir ein Glas ein, randvoll

Eis ist im Kühlschrank, sagte sie und verschwand im Bad
ich trank eine Dose Bier um in Stimmung zu geraten Manu kam zurück: nackt
trug nur noch ihre oberschenkelhohen Stiefel
das gefiel mir
wir vögelten ein paar Stunden in einem Riesenbett
und ich vermutete
dass ich an diesem Tag nicht der erste war der darin lag
zwischendurch tankten wir und erzählten uns belanglose Klinikgeschichten Manu warf Pillen ein
willst du welche?
nein danke; der Wodka reicht sie wurde nun zügellos verlangte Sex ohne Atempause ich keuchte und ächzte schwitzte aus allen Poren
mein Unterleib schmerzte
die Bandscheiben meldeten sich

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was ist los, fragte ich
warum bekomme ich dich nicht befriedigt? gib mir den Wein!
sie leerte die halbe Flasche in einem Schluck und jetzt schlag mich
was soll ich tun? mich schlagen
ist das so schwer zu verstehen? egal wohin?
auf die Augen, in den Bauch, auf den Mund völlig wurscht
es muss wehtun das kann ich nicht
wie: du kannst das nicht? jeder Mann kann das obwohl betrunken und müde begriff ich
dass ich nicht der richtige Kerl war um Manu heute glücklich zu machen ich stand auf
und suchte meine Klamotten zusammen was tust du?
ich gehe
es ist Mitten in der Nacht bin nicht ängstlich

scher dich zum Teufel du Schlappschwanz
wenn ich geahnt hätte, was für eine Nullnummer du bist
wärst du hier nie reingekommen
in der Küche standen noch zwei Dosen Bier die nahm ich als Proviant mit
denn der Weg zurück war lang
und um diese Uhrzeit fuhren weder Busse noch Bahnen
vielleicht entdeckte ich ein Nachtlokal wo ich ein paar Kurze kippen konnte aber so viel Glück hat man selten.

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