Polizeischutz – Alles wird gut?

Mit dem Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften will die Regierungskoalition künftig Übergriffe verhindern. Kann das funktionieren?


Nach der Statistik des Landeskriminalamts hat sich die Zahl der Übergriffe auf Rettungskräfte in NRW pro Jahr von 2011 bis 2015 um mehr als 70 Prozent erhöht. Danach wurden 2015 158 Mal Feuerwehrleute und 140 Mal andere Rettungskräfte angegriffen. Auch auf Polizeibeamte soll es mehr Angriffe gegeben haben, wobei das zwar dem Bundeslagebericht 2015 des BKA nicht entnommen werden, aber gleichwohl sein kann. Sei‘s drum. Jeder Angriff auf Polizeibeamte und Rettungskräfte ist einer zu viel. Und wenn es ein wirksames Mittel gibt, Gewalt gegen Menschen einzudämmen oder gar zu verhindern, dann ist es in der Tat Aufgabe des Staates, dieses zu ergreifen.

Auf der Homepage des Justizministeriums heißt es dazu:

Der Schutz von Vollstreckungsbeamten, insbesondere Polizisten, sowie von Rettungskräften ist ein wichtiges Anliegen.
Kommt es bei der Ausübung des Dienstes zu einem Angriff auf Vollstreckungsbeamte, werden diese nicht als Individualpersonen angegriffen, sondern als Repräsentanten der staatlichen Gewalt. Daher zielt dieser Gesetzentwurf auf eine Stärkung des Schutzes dieser Personengruppe.

Naja. Ob man die Rettungskräfte als Repräsentanten staatlicher Gewalt bezeichnen sollte, darf man bezweifeln. Egal. Natürlich sollen auch Retter vor Angriffen geschützt werden.

Die Bundesregierung, deren Gesetzentwurf gestern in erster Lesung vom Bundestag beraten wurde, meint, das wie folgt hinzubekommen:

Die Tatbegehungsform des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte wird aus § 113 StGB herausgelöst und in § 114 StGB-E als selbständiger Straftatbestand mit verschärftem Strafrahmen (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren) ausgestaltet. Der neue Straftatbestand verzichtet für tätliche Angriffe gegen Vollstreckungsbeamte auf den Bezug zur Vollstreckungshandlung. Damit werden künftig tätliche Angriffe gegen Vollstreckungsbeamte auch schon bei der Vornahme allgemeiner Diensthandlungen gesondert unter Strafe gestellt. Darüber hinaus werden die Regelbeispiele für den besonders schweren Fall (§ 113 Absatz 2 Satz 2 StGB-E) erweitert.

Und damit nicht nur die Vollstreckungsbeamten davon profitieren, wird der Schutz wie folgt ausgedehnt:

Über die angepasste Verweisung für Hilfskräfte der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes und der Rettungsdienste kommen die Änderungen auch diesem Personenkreis zu Gute (§ 115 StGB-E).“

Im Gesetzentwurf schreibt die Regierung:

Vor diesem Hintergrund zielt dieser Gesetzentwurf auf eine Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten. Tätliche Angriffe auf sie mit dem ihnen innewohnenden erhöhten Gefährdungspotential für das Opfer sollen stärker sanktioniert werden. Außerdem soll auch neben der Anwendung anderer, allgemeiner Strafvorschriften gewährleistet werden, dass der spezifische Unrechtsgehalt des Angriffs auf einen Repräsentanten der staatlichen Gewalt im Strafausspruch deutlich wird. Zu diesem Zweck sollen die Strafvorschriften der §§ 113 ff. des Strafgesetzbuchs (StGB) umgestaltet werden.

Respekt und Wertschätzung verdienen aber auch die Hilfskräfte der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes und der Rettungsdienste. Ein Angriff auf sie ist zugleich ein Angriff auf die öffentliche Sicherheit, da er zu einer Beeinträchtigung der Hilfeleistung führen kann

Schlecht gezielt

Da zielt er hin, aber wie so häufig trifft er nicht. Das klingt alles gut, ist es aber nicht. Und das aus verschiedenen Gründen:

Ein neuer Sonderstraftatbestand für Polizisten und Rettungskräfte ist überflüssig und vor allem wirkungslos.

Bereits 2011 wurde der § 113 StGB auf Hilfskräfte der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes und der Rettungsdienste erweitert. Das ist also schon mal nichts Neues. Vermutlich haben Sie das damals gar nicht gemerkt. Außerdem wurde damals bereits die Strafobergrenze des § 113 Abs. 1 StGB erhöht und die Voraussetzungen für die Annahme eines besonders schweren Falles in § 113 Abs. 2 StGB um das Mitsichführen eines gefährlichen Werkzeuges in Verwendungsabsicht erweitert.

Bereits damals wurde diese Regelung z.B. vom Deutschen Anwalt Verein (DAV) für überflüssig gehalten. Und der ultimative Realitätscheck beweist auch eindrucksvoll, dass diese Gesetzesverschärfung offenbar überhaupt nichts gebracht hat. Die Übergriffe wurden eben nicht weniger, sondern mehr. Nun scheint sich aber der Gesetzgeber wie ein Süchtiger zu verhalten, der dann, wenn sein Stoff nicht mehr wirkt, kontinuierlich die Dosis erhöht. Härter, härter, härter. Wäre zwar ein schönes Motto für Thorsten Legat oder mal ein deutscher Titel für Scooter, aber für sonst auch nichts gut.

Nicht durchdacht

Es handelt sich bei dieser Gesetzesänderung auch nicht um eine kriminologisch durchdachte Maßnahme, sondern in erster Linie um die Umsetzung einer Koalitionsvereinbarung. Da hatte man vollmundig versprochen:

Wir verbessern den Schutz von Polizistinnen und Polizisten sowie anderen Einsatzkräften bei gewalttätigen Übergriffen“ S. 146 des Koalitionsvertrages

Und weil das so schön billig ist, macht man es natürlich lieber durch ein sinnloses Gesetz, als durch wirklich wirksame Maßnahmen. Die könnten ja Geld kosten.

Falls Sie geglaubt haben, bisher wären die Angriffe auf Polizisten, Feuerwehrleute, Rettungssanitäter erlaubt, dann wäre das natürlich Unsinn. Auch jetzt sind alle die Handlungen, die der Entwurf erfasst, bereits strafbar. Und auch die Strafe von 5 Jahren ist bereits aktuell möglich. Die Neuregelung ist eine Mogelpackung, die mehr verspricht als sie halten wird und halten kann.

Die Verortung der neuen Regelung im Umfeld des § 113 StGB, der den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte unter Strafe stellt, ist gelinde gesagt schwierig. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist ja weniger der individuelle Schutz des Vollstreckungsbeamten, den dieser wie jeder andere Mensch schon über die allgemeinen Strafvorschriften für Körperverletzung, Beleidigung etc. erhält, sondern vielmehr der Schutz der amtlichen Diensthandlung. Beim Widerstand widersetzt der Täter sich einer Amtshandlung, die er zu dulden hat. Dafür gibt’s den Sondertatbestand und das lässte sich auch vertreten.

Art. 3 GG

Wenn man nun aber hingeht und den strafrechtlichen Schutz der genannten Personen unabhängig von einer bestimmten „Amtshandlung“ macht, dann müsste man schon sehr genau erklären, warum gerade diesen Personen ein exklusiver Straftatbestand geschaffen wird. Warum sollten nur Vollstreckungsbeamte und Rettungskräfte vor Gewalt geschützt werden? Warum nicht Lehrer, Krankenschwestern, Priester, Imame, Rabbis, Richterinnen oder Sie und ich?Sind Polizeibeamte nicht viel eher in der Lage, einen Angriff abzuwehren, als beispielsweise eine Kindergärtnerin oder eine Nonne? Ich bin gespannt, was das Verfassungsgericht hierzu im Hinblick auf den Gleichheitssatz aus Art. 3 GG sagen wird. Das kann eigentlich so nicht zulässig sein.

Der Einführung der Mindeststrafe von 3 Monate bedarf es tatsächlich ebenfalls nicht. Zwar behauptet der kleine, giftige Herr Wendt, dem selbstverständlich auch die Neuregelung nicht hart genug ist, dass die Kuscheljustiz mit Straftätern viel zu lasch umginge, aber gerade im Bereich der Widerstandshandlungen werden doppelt so häufig kurze Freiheitsstrafen verhängt, wie bei Nötigungen „normaler“ Menschen.

Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, sowohl von Politikern als auch von manchen Wählern, dass mehr Gesetze mit härteren Strafen, mehr Sicherheit und weniger Straftaten zur Folge hätten. Das stimmt leider nicht, sonst wäre es ja auch zu einfach, die perfekte Idylle zu schaffen. Ein Helm schütz wesentlich besser vor einer Kopfverletzung durch einen Steinwurf, als das schärfste Gesetz.

Respekt

Wer mehr Respekt für Polizeibeamte möchte, muss sich erst einmal fragen, warum dieser Respekt gesunken sein könnte. Liegt das nur an mangelnder Erziehung zum Respekt oder liegt das eventuell auch an anderen Ursachen? Gehen Polizeibeamte immer respektvoll mit ihrer „Klientel“ um? Sind sie aufgrund der Tatsache, dass sie unzählige Überstunden vor sich her schieben, vielleicht auch manchmal ungeduldig und gereizt? Sind alle der angezeigten Fälle tatsächlich passiert? Wenn das Verhältnis von Polizei und Bürger gestört sein sollte, muss das zwingend am Bürger liegen? Ich weiß es nicht.

Ich weiß nur, dass dieses neue Gesetz wieder einmal ein Griff in die gesetzgeberische Globulischachtel ist. Das Volk bekommt ein paar wirkungslose homöopathische Gesetzespillen und soll denken, die Regierung habe damit das Problem gelöst.

Nö, hat sie nicht.

Im Gesetzentwurf heißt es schön und zutreffend :

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Keiner.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Keiner.

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten

Keine.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Keiner.

Im Rheinland pflegt man zu sagen:

Watt nix koss, is och nix“ ( Was nichts kostet, ist auch nichts.)

Ich möchte daher gerne erweitern um eine

Ziffer E.4  Wirksamkeit – Keine

Und damit hätte die GroKo ihr Koalitionsversprechen, den betroffenen Berufsgruppen besseren Schutz zukommen zu lassen, leider verfehlt. Das Gesetz wird Dank absoluter Mehrheit kommen. Es wird aber maximal ein paar Wählerstimmen bringen. Mehr nicht.

P.S.: Wer noch etwas tiefer in das Thema einsteigen möchte, dem sei die Stellungnahme des DAV empfohlen, die noch weitere Aspekte beleuchtet, deren Behandlung den Rahmen einer Kolumne sprengen würde. 

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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