Der tapfere van Helsing mit seinem antifaschistischen Pflock auf der Jagd nach dem konservativen Graf Dracula

Eine Erwiderung auf Wolfgang Brosches „Graf Krolock und sein Kukul Oder Bürgerlich-Konservative Krokodilstränen über schlecht dressierte Kettenhunde“, in der er mir Verharmlosung der AfD vorwirft und meine kritische Auseinandersetzung mit der neuen Rechten als wohlfeile Pikiertheit bezeichnet.


Um was geht es bei Brosche vs. Mauch?

Kolumnist Wolfgang Brosche hat meine Einlassung zu Bjorn Höcke und der politischen Strategie seiner Partei zum Anlass einer kulturellen Abrechnung mit dem Konservativismus genommen. Leider sind die Passagen, in denen ein Bezug zu meinem ursprünglichen Text hergestellt wird, etwas bemüht geraten. Das soll aber nicht als Vorwand herhalten, ebenso bemüht um Brosches wesentlichen Punkt herumzureden. Wehleidige Ausflüchte und Opferallüren sind etwas für rechte Jammerlappen und gehören sich für Konservative nicht.

Denn Brosche hat sich für seinen Angriff bloß den falschen Text ausgesucht. Auf meinem Blog habe ich die Frage „Was ist konservativ, was ist kritisch?“ an genau derselben Stelle verortet wie er: Zwischen jenem schlüpfrigen Rechtspopulismus der AfD und einem rigorosen humanistischen Idealismus. Im Gegensatz zu Brosches beeindruckendem sprachlichen Reichtum ist der gegen Konservative erhobene Vorwurf in seiner Substanz wenig originell – kurz: Sie würden opportunistisch am rechten Rand oszillieren und sich über die Gefährlichkeit dieses Wagnisses entweder fahrlässig täuschen oder diese sogar mutwillig in Kauf nehmen. Die übliche Verdächtigung eben. Einem wohlwollenden Leser mag sich darin allerdings eine ästhetische und eine politisch-historische Dimension erschlossen haben, auf die konstruktiv einzugehen sich lohnen könnte.

Die ästhetische Dimension: Konservativismus und Vampirismus

Der Vergleich des Konservativismus mit dem Vampirismus ist eine gar nicht mal uninteressante Idee. Sie muss einen Konservativen schon allein deshalb ansprechen, weil sie konzediert, dass jede Weltanschauung eine dunkle Kehrseite hat, die zugleich eine ihr inhärierende Grenze markiert. Also sollte sich jeder Mensch, sobald er sich eine Weltanschauung zu eigen macht, vor den entsprechenden Abgründen hüten. So gesehen hat Brosche den Konservativen sogar einen Dienst erwiesen. Auf der Hut müssen er und seine Idealisten aber auch selbst sein. Sie sind nicht unantastbar.

Denn die dramatisierende Einteilung der Welt in Gutes und Böses, Tag und Nacht, Vampire und Menschen ist ein antagonistischer Schematismus, der vornehmlich in ideologischen Randmilieus gepflegt wird, die sich für aufgeklärte Humanisten nicht ziemen. Mehr noch, der Anschein, dass Brosche seinen antifaschistischen Pflock nahezu dem gesamten Parteienspektrum durch die Brust jagen möchte, angefangen von den Grünen, über SPD und Union bis hin zur AfD, erinnert in der Ausschließlichkeit an den rechtspopulistischen Topos der Alt- beziehungsweise Systemparteien:

Aber was CDU, SPD, Grüne und außerparlamentarisch mümmelnd und von Möllemann träumend die FDP sich in dieser Hinsicht an Drift erlauben (Augeeeen rrrrechts! Halb zog sie ihn, halb sank er hin) besteht im rückwärtigen Parademarsch nach rechts.

Also Vorsicht, schlechterdings sind auch die tapferen van Helsings auf ihrer Vampirjagd nicht vor Abgründen gefeit.

Die politisch-historische Dimension: Machtergreifung und Kollaboration

In diesem Sinn ist es nur fair, wenn umgekehrt Konservative den vornehmlich linken Idealisten einmal die Gegenrechnung aufmachen, dass auch sie ihren Anteil am Phänomen der AfD haben. Freilich hat dann auch unsereiner den Vorwurf der Verharmlosung oder Anbiederei zu ertragen. Man muss sich durchaus nichts andichten lassen, braucht aber auch nicht lamentieren, wenn dergleichen im Raum steht. Dass Konservative den Faschisten mindestens einmal in den Sattel geholfen haben, lehrt die Geschichte. Ein entsprechendes Vorsorgeprinzip hinsichtlich jedweder Kollaboration ist somit durchaus nachvollziehbar.

Die Gegenwart aus der Perspektive der Vergangenheit zu interpretieren und etwa, wie Timothy Snyder, Trump mit Hitler zu vergleichen, ist also nicht das Problem. Nein, das Problem sind beliebige Assoziationen und mutwillige Kurzschlüsse nach dem Motto „Nach der Weimarer Republik ist vor der Weimarer Republik“. Wer eine Brücke von der AfD zu den Nazis und somit von den heutigen Konservativen zur Hugenberg-Clique schlagen will, muss schon genau sagen, wie die Machtergreifung der AfD und die Abschaffung der Demokratie vonstatten gehen sollen. Wie soll die AfD eine hinreichende Mehrheit organisieren? Selbst wenn es gelingt: Wie soll das mit dem Rückbau der freiheitlich demokratischen Grundordnung funktionieren?

Dass sich Nazideutschland nie wiederholen darf, ist ein allgemein gültiges, gewissermaßen politisch-historisches Gesetz, es steht außer jeder Frage. Wenn es aber „nur“ darum geht, gewisse aus idealistischer Sicht vermeintlich inhumane Positionen etwa in Bezug auf Abschiebung und Grenzsicherung aus dem Diskurs zu verbannen, weil sonst angeblich eine Verrohung der gesamten Gesellschaft drohe, ist es etwas ganz Anderes. Das nämlich ist nicht mehr und natürlich auch nicht weniger als ein subjektives politisches Motiv. Legitim, wichtig sogar. Aber eben keine Allgemeingültigkeit, die es rechtfertigen würde, gegenteiliges gar nicht erst in Frage kommen zu lassen.

Fazit: Die Verantwortung der Konservativen

Brosche unterstellt schließlich, ich würde von einer „koalitionsfähigen Rechtspartei träumen“. Nun, an anderer Stelle habe ich in der Tat erwogen, ob es die Verantwortung der großen Volksparteien sei, sich ihrer ideologischen Hinterhöfe anzunehmen. Dazu dürften freilich Koalitionen zwischen Sozialdemokraten und der LINKEn sowie eben zwischen Union und AfD nicht auf alle Zeit kategorisch ausgeschlossen bleiben. Dabei bin ich bereits mit dem werten Kollegen Sören Heim über folgendes in Disput geraten:

Aus bürgerlicher Sicht wäre eine Welt ohne AfD sicherlich die beste und wünschenswerteste. Aber eine solche Welt ist nun einmal nicht mehr zu haben. Daher bevorzuge ich als Ergebnis einer rationalen Abwägung eine Welt mit einer schwachen AfD, die nur wenig Schaden anrichten kann. Und diese Welt ist eine, in der die neurechte Bewegung unter der Kontrolle der Union steht.

Ob das ein frommer oder frivoler Wunsch ist? Daran dürfen und sollen sich die Geister ruhig weiterhin scheiden. Vielleicht sollte meinesgleichen im Sinne dieser Ergebnisoffenheit das Etikett eines konservativen Graf Dracula mit seinem rechten Kettenhund sportlich nehmen. Das ändert ohnehin nichts an der von mir längst eingeräumten Verantwortung der Konservativen, dass der „Kukul“ AfD an der Leine bleibt. Im Gegenzug gilt dann aber auch für die idealistischen van Helsings vom Schlage eines Brosche: Hört gefälligst auf, das Vieh mit Eurer linken Empörungsroutine zu füttern.

Philipp Mauch

Philipp Mauch ist von Berufs wegen Stratege für Regulierungsmanagement in der Konsumgüterindustrie. Als Stipendiat der Hanns-Seidel-Stiftung hat er über Nietzsche promoviert – eine Kombination, die er als Ausweis seines liberal-konservativen Nonkonformismus verstanden wissen möchte. In seinem Blog „Variationen der Alternativlosigkeit“ grübelt er über Deutschlands politische Kultur.

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